Köln | „Hat hier vielleicht jemand ’nen Öffner für mich?“ ruft Valerie (24) in die Warteschlange hinter sich. Vor dem Hemmer’s in der Roonstraße warten bunt kostümierte Jecken scherzend in der Kälte, bis die Tür geöffnet wird. Mit mitgebrachtem Bier und „Flimm“ (fies-grüner Kräuterlikör) in Plastikflaschen bringen sich die Wartenden in Stimmung – Weiberfastnacht, 9:30 Uhr im „Kwartier Latäng“. Report-k.de war für Sie unterwegs – entlang der Zülpicher Straße und rund um den Chlodwigplatz – sprach mit Jecken, machte Bilder – und zeigt Ihnen einen kleinen Ausschnitt vom Auftakt des Straßenkarnevals in der Kölner Südstadt.

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Die Ruhe vor dem Sturm

In einer Seitengasse der Zülpicher Straße parken gutgelaunte Mitarbeiter des Ordnungsamtes ihre Autos. Sie sind unter anderem auch hier, um das Einhalten des Glasverbots zu überprüfen. In Signalwesten geht’s dann ab in Richtung Zülpicher – bewaffnet mit Plastikbechern, die zum Umfüllen der mitgebrachten Getränkeflaschen angeboten werden. In einem Kiosk an der Ecke herrscht noch rege Betriebsamkeit: eine Bierlieferung muss noch in die Kühltruhen – möglichst vor dem ersten Ansturm aufs „kühle Blonde“.

100 Meter weiter – ein Haus direkt an der „Party-Meile“ im Studentenviertel: Das Fenster ist geöffnet, laute Bässe wummern nach draußen. Drinnen treffen vier Studenten noch die letzten Vorbereitungen. Ferdi, Student und Kölner, versucht sich mithilfe von Pappe und meterweise Alufolie in einen Roboter zu verwandeln – mit mäßigem Erfolg. „Du siehst aus wie ein Otto, ey!“, kommentiert sein Mitbewohner im Gorilla-Kostüm seine Verrenkungen.

Niklas, dessen Kostüm vor allem eins ist – nämlich grün, stärkt sich noch mit einem Schluck aus der Bierdose und einem Zug von seiner Kippe. „Frühstück fertig!“ – kommentiert er lakonisch sein Tun und drückt demonstrativ seine Kippe im großen Aschenbecher vor sich aus. Wohin sie gleich gehen werden? – „Keine Ahnung, wird warten einfach darauf, was kommt. Letztes Jahr sind wir spontan zu einer Party bei Nachbars eingeladen worden.“, so der Antwort von Ferdi, der sich mittlerweile eine Art „Hut“ aus Folie gebastelt hat und noch mit seiner zweiten „Armschiene“ kämpft.

Die Schlange wird länger

Zurück zur Roonstraße: Dort reicht die Schlange jetzt, kurz nach 10 Uhr schon vor bis zur Kreuzung an der Zülpicher Straße. Eine Gruppe von acht Jungs – „Cowboys“ und „Superhelden“ versucht tapfer der Kälte zu trotzen. Eingentlich wollten sie ja eine Bollerwagen-Tour machen. Der Wetterbericht der letzten Tage habe sie jedoch davon abgebracht. Ist Karneval teuer? – „Ja und nein, was man mitnimmt, gibt man aus“, so Marco (24). Einer der Jungs hat rund 200 Euro dabei. „Die sind dann halt weg“, meint er trocken. „Für Mädchen ist Karneval ganz gut, Jungs sind hinterher pleite“, ergänzt Valerie, die mittlerweile einen Öffner gefunden hat. Katja (25), Immi, ist schon zum dritten Mal zu Weiberfastnacht unterwegs. Zu den Preisen an Karneval gefragt, antwortet sie: „Die vergisst man nach einer Weile.“ Ob Jungs im Gegensatz zu den Mädels wirklich so tief ins Portemonnaie greifen? – „Das gilt bestimmt für viele, aber generell kann man das so nicht sagen“, meint sie.

Der Countdown läuft – bald ist 11.11 Uhr

Ortswechsel: In der Linie 16 herrscht akuter Sauerstoffmangel. Jetzt um 10.30 Uhr wollen alle „noch mal schnell“ zur Severinskirche kommen. Ein „Pirat“ verdrückt gerade noch den letzten Rest seines Döners auf der Schulter eines Clowns. „Sorry Jung, aver dat musste noch sin“, versucht er sich zu erklären – sein Gegenüber nimmt’s gelassen. „Nächste Haltestelle: Chlodwigplatz“, tönt es aus dem Lautsprecher. Die Tür geht auf, die Massen bewegen sich – an der Severinstorburg vorbei – hin zur Bühne vor der Severinskirche, wo gerade die Band „Querbeat“ der Menschenmenge einheizt. Doch für viele ist schon direkt nach dem Tor schluss. „Der Platz ist voll, tut uns leid. Im Moment kommt hier keiner mehr drauf“, erklärt ein Ordner vor der Absperrung zum Vorplatz.

Drinnen herrscht tatsächlich großes Gedränge – vor allem vor den Kölsch-Ständen. Jecken schunkeln zur Band – ein „Mariachi“-Trio stürmt aus einer Eckkneipen. Mit Gitarre, Trompete und Ukulele geben sie ein – mehr oder wenig „spanisches“ Volkslied zum Besten. Dann ist es soweit – „drei, zwei, eins…“ – 11.11 Uhr.

„Mir kumme met allemann vorbei“

Wieder zurück im Kwatier Latäng: Die Jungs in der WG haben in der Zwischenzeit neue Bekanntschaften geschlossen. Ausgelassen winken sie aus dem Zimmer heraus. Ob das Roboter-Kostüm halten wird – wer weiß. In einer Eckkneipe direkt am Bahnhof Süd ist noch Platz. Eine Gruppe „Rettungsschwimmer“ im Baywatch-Outfit lockert sich mit einer Runde Kölsch auf. „Mir kumme met allemann vorbei“ dröhnt aus den Boxen. Das scheint zu wirken: Langsam füllt sich auch diese Lokalität.

Auf der Straße sind man nun immer mehr Feiernde – alle sehr „jot dropp“, alle sehr friedlich unterwegs. Die Sonne kommt hinter den Wolken hervor. Zumindest gefühlt steigt jetzt die Temperatur – und das Temperament der Leute auf der Straße.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Sonnige Gemüter trotz klirrender Kälte – das Kwartier Latäng feierte.