Köln | aktualisiert | Aus den 200 notuntergebrachten Asylbewerbern, die die Stadt Köln als Akuthilfe für die komplett überlastete NRW-Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund am vergangenen Donnerstag im Auftrag des Landes für neun Tage aufgenommen hat, sind am gestrigen Sonntag, 14. Oktober 2012, exakt um 7:02 Uhr 201 Personen geworden. Eine junge Mutter brachte ihr zweites Kind zur Welt.

Die Stadt muss, so teilt man heute mit auf Anweisung des Landes NRW 200 Asylsuchende mehr aufnehmen. Oberbürgermeister Roters hat dies zunächst abgelehnt und auf die bereits prekäre Unterbringungssituation in der Stadt verwiesen. Seit letzter Woche werden bereits Betten in Fluren der Notaufnahmestellen für Flüchtlinge aufgestellt so die Stadt. In einer Sporthalle in Deutz hat die Kölner Feuerwehr heute Nachmittag rund 250 Betten aufgestellt. Die Flüchtlinge sollen heute Köln erreichen. Sozialdezernentin Reker informierte über die Situation und die Hilfsmassnahmen. Das Provisorium in Deutz soll nur neun Tage ausreichen, denn dann sind die Herbsferien zu Ende und die Turnhalle wird wieder für die Schüler benötigt.

Fotoreportage: Hier werden die 200 Flüchtlinge in den nächsten neun Tagen untergebracht

Hintergrund: Tausende Mazedonier und Serben strömen nach Deutschland – oft wenig Chancen auf Asyl

Montag, 10:08 >Junge Mutter bringt Mädchen zur Welt

Am gestrigen Sonntag, 14. Oktober 2012, exakt um 7:02 Uhr brachte eine junge Mutter, die derzeit zusammen mit 199 anderen Asylsuchenden in der Reithalle untergebracht ist, ihr zweites Kind, ein Mädchen, im Kalker Krankenhaus zur Welt. Sozialdezernentin Henriette Reker gratulierte der jungen Familie mit einem Baby-Strampler.

16:58 Uhr > Stadt hat Mehrfachturnhalle fit für die Flüchtlinge gemacht

Das Land hat die Stadt Köln heute um 13:30 Uhr angewiesen die bis zu maximal 200 Flüchtlinge aufzunehmen, erklärte die Kölner Sozialdezernentin. Sie selbst sei schon an der Berufsschule im Reitweg gewesen und habe die Turnhalle in Augenschein genommen. Die Kölner Berufsfeuerwehr hat dort heute Nachmittag rund 250 Betten aufgestellt. Die stehen ausgerichtet in Reih und Glied ausgerichtet in Blöcken in der Turnhalle. Die Abtrennungen sind hochgefahren, eine kleine Tribüne herausgefahren, damit, so Sozialdezernentin Reker, die Menschen eine Sitzgelegenheit haben. Es gäbe Toiletten und Sanitäranlagen in der Turnhalle für Frauen und Männer getrennt.

Auf dem Schulgelände und darum herum herrscht rege Betriebsamkeit. Die Feuerwehr ist mit ihren großen Fahrzeugen präsent, sogar Drehleiter und Kranwagen sind vor Ort. Stadtdirektor Guido Kahlen, die Sozialdezernentin Henriette Reker, Ordnungsamtschef Kilp und viele Mitarbeiter der Stadt Köln, aber auch schon ein Wachdienst. Die Herbstsonne taucht das Szenario in ein mildes Licht, die bunte Herbstfärbung tut ihr Weiteres dazu. Die Stühle in den Klassenräumen, die vom Hof aus zu sehen sind, sind hochgestellt, im Kraftfahrzeuglabor, schließlich handelt es sich um eine Berufsschule, ist ein Wagen aufgebockt. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass hier gleich zweihundert Menschen auf engstem Raum, zwischen jedem Bett vielleicht 50-60 cm Zwischenraum leben werden. Das Provisorium soll auch nur die Herbstferien über andauern versichert die Sozialdezernentin, obgleich sie auch zu bedenken gibt, dass eine Verteilung der Flüchtlinge bei großem Ansturm, durch die dafür zuständige Bezirksregierung in Arnsberg immer länger dauere.

Rund 1900 Flüchtlinge lebten derzeit in Köln. 31 Einrichtungen gibt es in Köln, davon zwei Notaufnahmestellen. Die seien aber jetzt schon völlig überfüllt und wegen des Andranges stünden dort schon Betten auf den Fluren. Alleine im September seien 182 Personen nach Köln gekommen. Die Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge laufe unterschiedlich, so Reker. Manche kämen direkt nach Köln, andere wiederum über das Landeskontingent. 5 Prozent aller Flüchtlinge muss eine Kommune wie Köln aufnehmen, daher wechsle die Zahl auch ständig, so Reker. Dann werde zentral erfasst und über die Bezirksregierung Arnsberg verteilt. Die Flüchtlinge die sich etwa in Köln nach einer unerlaubten Einreise meldeten seien zumeist aus Ex-Jugoslawien, also dem Kosovo, Mazedonien oder Serbien. Viele Flüchtlinge kämen auch aus Russland, Georgien oder Armenien. Dabei so die Sozialdezernentin stünden nicht immer politische Gründe im Vordergrund, sondern häufig auch wirtschaftliche und materielle Not oder eine prekäre Gesundheitsversorgung im Heimatland. Reker: „Wir haben die humanitäre Verpflichtung diese Menschen zu versorgen“. Sie werde die Menschen aber nicht in Zelten unterbringen, dies stellte Reker auch deutlich dar, sondern werde Alternativen suchen, wie etwa billige Hotels. Die stark steigende Zahl an Flüchtlingen führt Reker auf die restriktivere Flüchtlingspolitik in Italien und Spanien zurück. Dennoch, so Stadtsprecher Gregor Timmer, appelliere die Stadt an das Land Kapazitäten in anderen Regionen des Landes, wo es diese auch noch gebe, freizumachen. Denn gerade Wohnraum sei in Köln Mangelware. Die Stadt geht davon aus, dass die Kosten durch das Land erstattet werden.

An die Anwohner in Deutz verteilt die Stadt Köln Flugblätter. Diese informieren über die neuen Nachbarn für neun Tage. Die Versorgung der Menschen werde über Hilfsorganisationen sicher gestellt, so das Flugblatt.

14:30 Uhr > Starke Zunahme von Flüchtlinge – eine Tendenz die sich seit August abzeichnete

In den letzten Tage sind die Aufnahmekapazitäten des Landes in der Erstaufnahmestellen bereits erschöpft worden. Report-k.de berichtete. Von seiten der Stadt Köln heißt es: „Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hat deshalb am gestrigen Tag ein Amtshilfeersuchen an die Stadt Köln gerichtet mit der Bitte, weitere 200 Asylsuchende kurzfristig und vorübergehend in Köln unterzubringen. Oberbürgermeister Jürgen Roters hat dieses Amtshilfeersuchen mit Hinweis auf die
bereits prekäre Unterbringungssituation in Köln abgelehnt. In Köln haben sich die Zuzüge von Asylsuchenden in den letzten Wochen verdoppelt und die Möglichkeiten zur Unterbringung völlig gesprengt. Seit Anfang der letzten Woche müssen deshalb zur nächtlichen Unterbringung bereits Betten in den Fluren der Einrichtungen aufgestellt werden.“

Am heutigen Tag hat nun das nordrhein-westfälische Innenministerium wegen der Überfüllung der Erst-Aufnahmestellen der Stadt Köln eine schriftliche Aufforderung übersandt, sofort maximal 200 Asylsuchende aus der Anlaufstelle Dortmund unterzubringen. Dabei soll es sich nach Angaben des Innenministeriums um eine „vorübergehende Unterbringung“ handeln, solange bis eine weitere Erst-Aufnahmestelle in Neuss hergerichtet ist. Innenminister Ralf Jäger hat Oberbürgermeister Jürgen Roters zugesichert, dass dies bis zum 20. Oktober 2012 erfolgen soll und die Asylsuchenden dann nach Neuss umziehen.

Die Stadt Köln wird deshalb den Mehrfachsporthallen-Komplex des Berufskollegs Reitweg in Deutz als Notunterkunft für diese 200 Personen herrichten und zur Verfügung stellen. Dieser Hallen-Komplex ist im städtischen Katastrophenschutz-Konzept als Notfall-Unterkunft vorgesehen. Der Aufbau von Betten wird durch die Berufsfeuerwehr sichergestellt. Zunächst werden die Hilfsorganisationen die Versorgung der Asylsuchenden während der vorübergehenden Unterbringung übernehmen.

Infobox

Nach Angaben des NRW-Innenministeriums stellten landesweit im August 2012 1.349 Personen einen Erstantrag auf Asyl. Im Vergleich dazu waren es im Mai 869. Bundesweit waren es im Monat August 2012 5.239 Erstantragsteller. Dies sind 1212 Anträge mehr als im August des Vorjahres. Dabei stellten vier Gruppen den Großteil der Antragsteller: Von den bereits oben genannten bundesweit 5.239 Anträgen stammten 680 von Flüchtlingen aus Syrien, 620 aus Mazedonien, 609 aus Afghanistan sowie 496 aus Serbien.  

Autor: ag
Foto: Blick in die Turnhalle, in der die Betten bereitstehen