Köln | Witz, Satire, Klamauk, Poesie und jede Menge heiße Musik – dafür steht die „Stunksitzung“ auch in ihrer 35. Auflage. Jetzt hatte sie im E-Werk Premiere und wurde vom Publikum begeistert gefeiert.

Wer baggert so spät am Baggerloch? Hier ist es nicht Bodo, sondern Bruno Schmitz in der aktuellen Stunksitzung. Fotos: Ansgar van Treeck

62 Mal ist sie dort zu sehen – so oft wie noch nie in einer Session.

Ensemble und Hausband „Köbes Underground“ liefern den bewährten Rundumschlag gegen alles, was in den vergangenen Monaten schief lief. Vor allem in Köln. Naheliegend, dass bei einem Start-up-Wettbewerb „In der Höhle der Blöden“ der Mann mit einer ganz normalen Schaufel Unterstützung aus Politik, Sport, Kultur und (Kultur-)Verwaltung das Rennen macht: verspricht er doch große Löcher zu graben, in die auch Nachbarhäuser hineinfallen können. Kosten und Zeitplan, es wieder zuzuschütten: nach oben offen.

So ein Pech: Köln ist auf Braunkohle gebaut

Auf dem Kalscheurer-Weiher ist es verboten, Schwimmer mit Krampf zu retten – warum soll es denen anders ergehen als Flüchtlingen auf dem Mittelmeer? Vor allem: Bald ist der Kalscheurer-Weiher so groß wie ganz Köln – schließlich gibt es nicht nur unter dem Hambacher Forst Braunkohle. Und so erhalten die Namen von Rodenkirchen und Dünnwald bald ihren wahren Sinn.

Die AfD kriegt ihr Fett weg – doch dass auch sie wie einst die NPD von V-Leuten durchsetzt ist, ist wohl eher Wunschdenken. Bei den Schiris des Bundesliga-Videobeweises werden mal die Spiele verwechselt – „macht nichts, ist ja Leverkusen“. Eine Alleinerziehende hofft auf Baby-Sharing. Kölns Karnevalisten steigen nicht nur auf Steckenpferde um und Sitzungspräsidentin Biggy Wanninger hat nach Rainer Calmund und Treude Herr ein neues Ich entdeckt und tobt sich als SPD-Chefin Andrea „Bätschi“ Nahles aus.

Die Stunker wären nicht die Stunker, wenn es nicht auch etwas für Auge und Gemüt gäbe. In einer aufwändigen Videoproduktion fliegen Tanzmariechen und zwei Lappenclowns durch die Luft. Und in einem Paket-Ballett behauptet sich ein kleines buntes Paket mit Schleife gegen die braune „Amazon“-Übermacht.

Auch vor Zweideutigkeiten keien Angst – das Publikum freut’s

Und von wegen: zotenfrei die Narretei! Das galt für die Stunker noch nie – und das (angeblich) alternativ-aufgeklärte Publikum hat an den eindeutigen Zweideutigkeiten sichtlich Vergnügen. Sei es beim Sketch, in dem sich zwei katholische Pfarrer über ihre Beichte nach Oral-Sex mit Messdienern austauschen. Oder wenn SPD-Frauenbeauftragte und ZDF einen gendergerechten Porno entwickeln wollen.

Ozan Akhan rechnet als glubschäugiger Mesut Özil mit der Verlogenheit des DFB und seiner Kollegen ab. Er begeistert auch als Gemüsehändler „Ferdi Mercürü“, der zu Queens-Songs seine Ware anpreist und das Publikum zum Mitsingen anspornt. Da wird aus „We will rock you“ locker ein „We will Rotkohl“. Überhaupt: Die Musik ist diesmal mehr noch als sonst ein tragendes Moment. Etwa in einem ABBA-Potpourri, das sich bestens eignet, um die geschredderten Polit-Ideale der 68er zu besingen. Die wehleidigen Männer sind Thema und die, denen einfach nichts gelingt.

Wenn sich die Rapper-Mütter gegen ihre Söhne wenden

Eine eigene Single wert wäre der Rap der Mütter von Sido, Kollegah & Co., die sich gegen die frauen- und mütterverachtenden Texte ihrer Söhne richten. Anne Rixmann singt im Duett mit Tom Simon: Er baggert sie – durchaus liebevoll – in prallem Kölsch an und sie kann nur schwärmen „Ich kann kein Kölsch“, eine originelle Cover-Version von Namikas Hit „Je ne parle pas Francais“. Hier musste eine Zugabe her! Und als Schlussakkord der Stunksitzung gibt es eine ohrenbetäubende Multikulti-Trommelorgie.

Fazit: Die Sitzung macht Spaß, bietet – Pause eingerechnet – über vier Stunden gute Unterhaltung. Der auf den Punkt gebrachte böse politische Biss fehlt in dieser Session. Dafür ist die Musik wie immer mitreißend – und was den Augenschmaus und die poetischen Momente betrifft, übertreffen sich die Stunker wieder einmal.

Autor: ehu | Fotos: Ansgar van Treeck
Foto: Nur wer am Kalscheurer Weiher vom richtigen Ufer aus losschwimmt, darf bei Seenot gerettet werden. Fotos: Ansgar van Treeck