Köln | Seit Beginn des Jahres ereigneten sich in Köln 21 tödliche Unfälle. Sabine Bongenberg, die die Unfallkommission für das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung leitet spricht sogar von einer „Flut“. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr 2017 kamen bei Unfällen in Köln 14 Menschen ums Leben. Alleine heute behandelte die Kommission 16 tödliche Unfälle in Köln zwischen April und Juli. Ein Unfall, der die Kommission aktuell beschäftigte, fand unter der Rodenkirchener Autobahnbrücke statt – ein Pedelec-Fahrer starb. Dort soll jetzt Tempo 30 eingeführt und das Zeichen 138 – also „Achtung Radfahrer“ aufgestellt werden. Die Kommission empfiehlt zudem den Rückbau der Litfaßsäule, da diese die Sichtbeziehung zwischen den Radfahrern störe.

Pflichtaufgabe der Kommune

Die Unfallkommission ist eine Pflichtaufgabe der Kommune, die sich mit Unfallhäufungsstellen (UHS) und tödlichen Verkehrsunfällen ausgiebig beschäftigt. In ihr vertreten sind neben der Stadt Köln auch die Polizei Köln, die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die Bezirksregierung und der Landesbetrieb Straßenbau Straßen NRW. Nicht vertreten sind Lobbyverbände, wie der ADAC für die Autofahrer oder ADFC für die Radfahrer oder der Fuss e.V. für die Fußgänger. Die Kommission arbeitet nach klaren Regeln und auf der Basis eines Erlasses des Ministeriums für Verkehr in Nordrhein-Westfalen. Neben den tödlichen Unfällen, hier finden sogar ad hoc Termine vor Ort, beschäftigen die Mitglieder der Kommission die sogenannten Unfallhäufungsstellen, für die es klare Richtlinien gibt. Die Definition Unfallhäufungsstelle ist klar geregelt: Die Polizei erfasst die Unfälle und wenn drei Unfälle des gleichen Typs – diese müssen schwer verlaufen sein, also verbunden mit Verletzten oder nicht mehr fahrbereiten PKW – für einen Ort innerhalb eines Jahres festgestellt wurden, fällt der Ort in diese Kategorie. Neben der 1-Jahres-Betrachtung gibt es auch noch die 3-Jahres-Betrachtung: Fünf schwerwiegende Unfälle mit Fußgänger/Radfahrer-Beteiligung oder drei Unfälle mit Schwer- oder Leichtverletzten führen zur Einordnung als UHS.

Bei tödlichen Verkehrsunfällen trifft sich die Kommission ad hoc

Der tödliche Unfall des Radfahrers unter der Rodenkirchener Brücke wurde auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Die Unfallkommission traf sich vor Ort und stellte fest, dass die Geschwindigkeit auf Tempo 30 unterhalb der Rodenkirchener Brücke reduziert werden muss. Zudem sollen „Achtung Radfahrer“ Zeichen auf das Queren von Radfahrern hinweisen. Ein Zebrastreifen oder eine rote Markierung, wie es teilweise Radlobbyisten forderten, nütze den Radfahrern nichts, stellt die Kommission fest. Zwar würde ein Zebrastreifen das Queren für Fußgänger sicherer machen, als die jetzt vorhandene Querungshilfe. Eine Recherche der Kommission ergab, dass es seit 2010 dort aber keine Häufung von Unfällen gab. Ein Zebrastreifen oder eine rote Markierung brächte den Radfahrern übrigens auch nichts, vor allem keine Vorfahrtregelung. Außer sie stiegen von ihrem Rad ab und schieben dieses über den Zebrastreifen. Vorrang für Radfahrer ließe sich nur mit einer entsprechenden Beschilderung, wie Vorfahrt gewähren für den motorisierten Verkehr und Vorfahrt für den Radverkehr erreichen, so die Kommission.

In Bezug auf die in Unfallort nähe stehende Litfaßsäule kommt die Kommission zu dem Urteil, dass diese die Sichtbeziehung für Radfahrer störe, die von der Brücke kommen, allerdings nicht gegenüber herannahenden motorisierten Fahrzeugen, sondern zum kreuzenden Radweg, der parallel zum Rhein verlaufe und Richtung Rodenkirchen fährt. Denn Radfahrer die die Straße überqueren müssen, müssen eigentlich vor diesem Radweg halten und sich überzeugen, dass sie anderen Radfahrern nicht die Vorfahrt nehmen. Aber genau hier stört die Litfaßsäule den Blick. Ist der Radfahrer an der Straßenkante zum motorisierten Verkehr, ist die Sichtbeziehung nicht unterbrochen. Dennoch fordert die Kommission einen Rückbau der Säule, allerdings ist unklar ob das Bauaufsichtsamt, die das Aufstellen genehmigte, der Empfehlung folgt. An diesem Beispiel wird die Funktionsweise der Kommission erkennbar: Zeitnahe Besichtigung, Vorschläge zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und eine zeitnahe Umsetzung der Beschlüsse.

Nicht immer ist die Verkehrssituation die Ursache

Viele Kölnerinnen und Kölner erinnern sich noch an die Nacht Mitte Juni, als zwei tödliche Unfälle mit Stadtbahnen der KVB passierten. In beiden Fällen stellt die Kommission fest, dass die verkehrliche Situation nicht zu verbessern sei, sondern die Opfer, vor allem durch ihren Alkoholkonsum mit zu den Unfällen beitrugen. Hier gebe es eine steigende Tendenz zu mehr Unfällen unter Alkoholeinfluss. Dabei sind aktuell nicht die Lenker von PKW das Problem, sondern verstärkt Fußgänger und Radfahrer.

Der Unfall in Widdersdorf

Auch der Unfall, bei dem ein Schulkind tödlich durch einen abbiegenden LKW verletzt wurde, ist nicht auf die verkehrliche Situation vor Ort in Widdersdorf am Mathesenhofweg zurückzuführen. Am Kreisverkehr ist deutlich Tempo 30 ausgeschildert und durch die Fahrbahnverengungen ein schnelleres Fahren nicht möglich. Die Unfallkommission kommt zu dem Schluss, dass der Unfall entstand, weil der LKW-Fahrer durch den Toten Winkel das Kind nicht sah. Hier verweist man auf die Aufklärung in den Schulen. 230 vierte Klassen wurden geschult und auf die Problematik des Toten Winkel hingewiesen. Der LKW war nicht mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestattet und obwohl es sich um ein Fahrzeug eines städtischen Unternehmens handelte, würde die Kommission nicht so weit gehen, dem Unternehmen Vorschläge zu unterbreiten. Denn sie bewerte nur die Verkehrstechnik vor Ort.

Die UHS-Stellen

Die Unfallhäufungsstellen aus der 1-Jahresbetrachtung sind Longericher/Herforder Straße, Chlodwigplatz, Messe-Kreisel in Deutz, Dom Ecke Machabäerstraße, Robert-Bosch-Straße und Feldkasseler Weg, die Brücken/Frankstraße, die Bonner Landstraße an der Friedrich-Ebert-Straße, Emdener und Geestemünder Straße, Venloer/Äußere Kanal- und Helmholtzstraße sowie der Kreisverkehr Rochus- und Subbelrather Straße.

Eines macht die Unfallkommission übrigens nicht: Die Schuldfrage klären. Diese wird immer durch die Gerichte geklärt. Die Kommission will die verkehrliche Situation vor Ort verbessern. Die Experten stellen allerdings auch eine sinkende Verkehrsmoral fest und dass viele Menschen, etwa durch Smartphones audiovisuell abgelenkt seien. Auch die Geschwindigkeit der Pedelecs und deren Beliebtheit bei Senioren betrachten die Fachleute kritisch. Die Gesellschaft müsste sich wieder mehr mit den Verkehrsregeln auseinandersetzen, aber das sei aktuell nicht hipp, so die Forderung der Unfallkommission.

Autor: Andi Goral
Foto: Die Unfallkommission beschäftigte sich mit dem Unfall zwischen einem PKW-Fahrer und Pedelec-Fahrer unter der Rodenkirchener Brücke