Köln | Was ist die gerechte Strafe für den Widerstand einer Frau, die gegen das Gesetz und für ihre eigenen Grundprinzipien einsteht? Im antiken Klassiker muss „Antigone“, die im gleichnamigen Stück von Sophokles unerlaubt ihren eigenen Bruder beerdigen will, sterben. Im Horizont -Theater hat Christos Nicopoulos versucht durch kleine Mittel das starre antike Bühnenbild zu durchbrechen, doch wie sich zeigte, leider auf Kosten des Zuschauer-Verständnisses.

Bevor der 3. Teil der „Thebanischen Trilogie“ beginnt, sollte man wissen, dass Antigone die Tochter des Königs von Theben ist. Nach seinem Tod ging die Krone an Antigones Brüder Eteokles und Polyneikes. Doch diese stritten sich und töteten sich gegenseitig, sodass die Krone an ihren Onkel Kreon ging. Dieser nutzte seine Macht schamlos aus und beschloss, dass Antigones Brüder keine Beerdigung verdient hätten. Diese Entscheidung können die verbliebenen zwei Schwestern nicht nachvollziehen und befinden sich nun in einem Konflikt zwischen Recht und Moral.

Das Bühnenbild wirft Fragen auf

Noch bevor die erste Szene beginnt, ist der Aufbau des Bühnenbildes ein Rätsel. Hinter dem Boden, der nach hinten leicht schräg erhöht ist und den Raum etwas dreidimensionaler macht, wurde der Vorhang ein paar Meter offen gelassen. Während in der ersten Szene Antigone (Andreas Strigl) und ihre Schwester Ismene (Sibiullah Anwar) aus dieser Öffnung die Bühne betreten, bleibt Waldemar Hooge hinter der Erhöhung und schaut geradeaus ins Licht. Er füllt damit gleichsam einen zweiten Raum außerhalb des Hauptgeschehens. Während die anderen mit dem Drama beginnen, steht er als stiller Beobachter im Hintergrund. Für den Zuschauer gut sichtbar, stört er dabei die Aufmerksamkeit und irritiert durch seine fehlende Bedeutung das Bühnenbild. Später übernimmt Hooge noch die Rolle des machtgierigen Königs Kreon und dessen verzweifelter Frau.
 
Auch wenn die Schauspieler in eine andere Rolle schlüpfen müssen und dazu ein weißes Tuch an ihrem Körper an eine andere Körperstelle binden, stehen sie in der Lücke des Vorhanges mit dem Körper in Richtung des Publikums. So entsteht das Gefühl, der Zuschauer bekäme einen Einblick in das Geschehen hinter den Kulissen, was in dieser Aufführung jedoch etwas unpassend wirkt.
 
Die Requisiten sind ebenfalls nicht eindeutig zu verstehen. Von Beginn an Hängen drei runde Metall-Platten an Seilen von der Decke. Im zweiten Akt, als König Kreon von Antigones Plan hört, werden sie dazu genutzt, zwei Bewohnern von Theben zu zeigen, wie sie spielerisch mit Eisen-Stangen gegen diese Platten stoßen, als seien sie am Billard spielen. In einer nachfolgenden Szene werden sie als Stütze für Kreon dargestellt, der in seiner Verzweiflung in diesen Metall-Platten seine Körperhaltung wiederfinden kann. In beiden Szenen bleibt die Wahl dieser Platten missverständlich und wirkt willkürlich.

Antike Tragödie in die Moderne eingegliedert

Nicht nur das Bühnenbild soll modern wirken, auch die Sprache der Schauspieler ist der heutigen Zeit angepasst. Besonders Anwar und Stringl sprechen im jugendlichen Stil und Hooge benutzt Wörter wie „Sprech-Durchfall“, was für Schmunzeln im Publikum sorgt. Sogar einen Tiroler Dialekt nutzt er, um Figuren voneinander unterscheidbar und interessant zu machen. So richtig amüsant wird es, als der blinde Seher Teiresias mit einem Tuch über den Kopf in einer Schubkarre auf die Bühne geschoben wird. Die leicht knarrende Karre, lenkt dabei vom wichtigsten Wendepunkt des Stückes ab. Während der Seher Kreon rät, nachzugeben und Antigone ihren Bruder beerdigen zu lassen, hofft man beim Zusehen nur, dass der Seher bei den ruckartigen Bewegungen der Karre nicht herausfällt.
 
Der blinde Seher kann Kreon zwar umstimmen, doch es ist schon zu spät, denn Antigone hat sich erhängt. Somit scheitert die Auflehnung für mehr Macht auf zwei Seiten. Auf der einen steht Antigone, die gegen die höhere Macht des Königs rebelliert hat und für die Rechte ihres verstorbenen Bruders einstehen wollte, ihr Leben schließlich aber selbst beendet hat. Auf der anderen Seite Kreon, der eingestehen muss, dass er einen Fehler gemacht hat und sein Volk nicht mehr hinter ihm steht.
 
„Antigone“ – die nächsten Vorstellungen: 14. Dezember, 20 Uhr. Horizont-Theater, Thürmchenswall 25, 50668 Köln, Tel. 0221 / 13 16 04.

Autor: Franziska Venjakob
Foto: Sabiullah Anwar (l.) und Waldemar Hooge übernehmen in „Antigone“ gleich mehrere Rollen. Foto: Jürgen Elskamp