Köln | Bekannt ist sie vor allem als Frau von „Dada“-Max Ernst. Doch die Kölnerin Luise Straus-Ernst war mehr: Journalistin, exzellente Kunsthistorikerin, der gute Geist, der die Kölner Kunst-Avantgarde zusammenhielt. Und Mitarbeiterin, für kurze Zeit sogar kommissarische Leiterin des Wallraf-Richartz-Museum. 1917 kuratierte sie eine Antikriegsausstellung, deren Rekonstruktion jetzt zu sehen ist.

Am Anfang dieser Rekonstruktion stand eine Biografie über Luise Straus-Ernst (1893-1944). Autorin Weissweiler war bei ihren Recherchen auch auf die bis dahin unbeachtete Ausstellung „Alte Kriegdarstellungen – Graphik des 15. bis 18. Jahrhunderts“ gestoßen. Straus-Ernst hatte sie 1917 kuratiert. Davon erhalten ist in der Bonner Uni-Bibliothek nur noch ein Exemplar des damaligen Katalogs – etwa vom Format DIN A 5, 12 Seiten dick. 20 Pfennig kostete er.

Bilder in einem Katalog waren damals nicht üblich, dafür eine Auflistung der Exponate. Obwohl selbst diese recht summarisch war, konnte die Ausstellung rekonstruiert werden. Schließlich sind die Kupferstiche immer noch im Besitz des Wallraf-Richartz-Museums. Zu sehen sind also wieder die Meisterwerke aus der Graphischen Sammlung von Albrecht Dürer und vielen anderen Meistern – nicht nur deutschen.

Hungersnot und Luftangriffe: Auch Köln litt unter den Folgen des Ersten Weltkriegs

Die Bilder zeigen die Schrecken des Krieges und seine Folgen – wie sie vor 100 Jahren in Köln selbst zu erfahren waren und nur wenige hundert Kilometer entfernt an der deutsch-französischen Front. Dort starben zehntausende Soldaten im Stellungs- und Giftgaskrieg. Auf der Wahner Heide lagerten 50.000 Kriegsgefangene, die deutsche Zivilbevölkerung hatte gerade den Steckrübenwinter überstanden und die ersten Luftangriffe. Sie litt Hungersnot und in Köln gab es die ersten Arbeiterdemonstrationen für Frieden. Derweil die deutsche Heeresführung weiter an einen Sieg glaubte.

Das alles zeigen auch schon die gut 60 „alten“ Kriegsdarstellungen: den Aufmarsch der Heerestruppen für den Angriff, die selbstherrlichen, siegreichen Feldherr hoch zu Roß, die Triumphzüge, Seeschlachten, die Belagerungen. Im Mittelpunkt der aus 18 Blättern bestehende Zyklus „Les miseres er les malheurs de la guerre“ von Jacques Callot: 1633 hielt er fest, was im 30-jährigen Krieg passierte: Aus den anfangs strammen Kerls werden am Ende hilflose Krüppel, dazwischen zog die Soldateska mordend, plündernd, vergewaltigend durchs Land.

Diskrete Warnung: Auf schlechte Regierung folgt Revolution

Die Beziehung zur gleichzeitigen Realität war einem Kritiker dieser Ausstellung – nur diese eine recht oberflächliche Kritik ist erhalten – kein Wort wert. Dabei hatte Straus-Ernst sogar zwei kleine Haken eingebaut. So endete das Kapitel „Seeschlachten“ mit einem Bild der Barmherzigkeit: Während sich die einen noch verbissen duellieren, retten andere ihre Kameraden vor dem Tod durch Ertrinken. Und das Kapitel „Schlachten“ endet mit einer Grafik, die den Sturm auf die Tuilerien zeigt – damit begann 1792 die französische Revolution, bei der auch eine Hungersnot Anlass war. Kleiner Schönheitsfehler: Dieser Stich fehlt in bei Straus-Ernst, er ist gerade drei Etagen tiefer in der Hittorf-Ausstellung zu sehen.

Der Einsatz von Giftgas ist seit 1925 durch das Genfer Protokoll verboten

So wie vor 100 Jahren Gegenwart und Vergangenheit verbunden wurden, geschieht dies auch jetzt. Das erste, was dem Besucher auffällt, ist ein riesiges Quadrat, bedeckt mit scharfkantigen, unregelmäßig geformten blauen Glasbrocken: In ihnen ist geborgen, was beim „Entschärfen“ vom Sarin-Giftgas aus dem Waffenarsenal des syrischen Diktators Bashar al-Assad übrig blieb. Die Bundeswehr hatte es im Auftrag der UN vernichtet, aus ihren Beständen hat es die 30 Jahre alte Künstlerin Louisa Clement für ihre Installation “Transformationsschnitt” erhalten. Offiziell gilt das Glas als „unbedenklicher Sondermüll“ und wird im Straßenbau verwendet.

In anderen (Foto-)Arbeiten spielt Clement mit der Ästhetik von Waffen oder deutet an Teilen von Gliederpuppen die Folgen des Krieges an. Diese sind als solche nicht sofort zu erkennen – eine Anspielung auf die Flut von Kriegsbildern in den Massenmedien, die den Betrachter abstumpfen lassen.

Nach 100 Jahren ist die ursprüngliche Ausstellung höchst aktuell. Zugleich ist sie eine Hommage an die Jüdin Luise Straus-Ernst, die 1944 in ihrem französischen Exil von der Gestapo verhaftet und kurze Zeit später in Auschwitz ermordet wurde. Ihr geschiedener Ehemann Max Ernst hatte noch in die USA emigrieren können, ebenso der gemeinsame Sohn „Jimmy“. Sie selber erhielt kein Einreise-Visum.

[infobox]„1917 – In Erinnerung an Luise Straus-Ernst“ – bis 10. September 2017, Wallraf-Richartz-Museum, Obermarspforte, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Katalog: 16 Euro

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Foto: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud | „Die Bestrafung“ ist wohl das bekannteste Radierung aus dem 18 Blätter umfassenden Zyklus von Jacques Callot über die Schrecken des 30-jährigen Kriegs. 

Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: Giftgas, in Glas gefangen: Louisa Clements Arbeit “Transformationsschnitt” empfängt die Besucher der rekonstruierten Ausstellung “1917” im Wallraf-Richartz-Museum. Foto: ehu