Köln | Christian Nagel ist mit seiner Galerie Nagel Draxler in Köln, Berlin und München vertreten und regelmäßiger Teilnehmer der ART COLOGNE. In diesem Jahr war der Galerist auch Mitglied des Beirats der ART COLOGNE, der die teilnehmende Galerien auswählt.

Christoph Mohr befragte Christian Nagel zur Absage der Art Cologne 2020 und der Lage des Kunstmarktes in Zeiten des Coronavirus.

Trotz steigender Corona-Zahlen hat das Art Cologne-Management bis zuletzt an dem (vom Frühjahr auf den November verschobenen) Messetermin für die Art Cologne 2020 festgehalten. War das nun verrückt oder wagemutig?

Es wäre wichtig gewesen, wenn eine ältere, etablierte Kunstmesse im Jahre 2020 stattgefunden hätte, da hat der Hug (Art Cologne-Direktor Daniel Hug, A.d.R.) vorsichtig und sehr besonnen versucht, die ART COLOGNE 2020 stattfinden zu lassen, da war niemand verrückt oder wagemutig. Und mit großer Einsicht wurde dann wegen des zweiten Lockdown light abgesagt.

Die meisten Galerien machen einen beträchtlichen Teil ihres Jahresumsatzes auf Kunstmessen. Fast alle wichtigen Kunstmessen weltweit, die Art Cologne, die Art Basel in Basel, Miami und Hong Kong, und viele weitere konnten nun in diesem Jahr nicht stattfinden. Wie groß sind die Einbußen für die Galerien?

Die Umsatzzahlen der Galerien sind schwer einsichtig, nirgends wirklich als beim Finanzamt registriert, sodass man diese Frage nur schätzen kann. 20%-60% Einbußen, glücklicherweise haben noch nicht sehr viele Galerien schließen müssen, aber der Kampf ist hart und streng. Diejenigen. die mit dem Secondary Market arbeiten können, haben einen gewissen Vorteil, da in feste Werte nach wie vor relativ gut investiert wird.

Sie sind neben Ihrer Galerie in Köln auch mit einer Dependance in Berlin vertreten. Wie wichtig ist die ART COLOGNE für die Berliner Galerien?

Die Art Cologne ist nicht nur die wichtigste Kunstmesse Deutschlands und hat mittlerweile auch einen guten internationalen Rahmen erreicht, da die Berliner selbst kein gutes Instrument Kunstmesse in der Hand halten, sind sie wohl oder übel auf die Art Cologne angewiesen.

In Berlin gab es mit der ART BERLIN eine eigene Kunstmesse, die erst von der ART COLOGNE übernommen, dann eingestellt wurde. Wurde da eine unliebsame Konkurrenz gekillt?

Überhaupt nicht. Die ART COLOGNE hat mit viel Geld und Engagement die ART BERLIN übernommen und nach vorne gebracht; leider haben aber die Politiker und das Berliner Kunstpublikum die Veranstaltung am ausgestreckten Arm hängen lassen. Die Berliner*innen lieben die Kunst, Galerien und Messen als Unterhaltung, Kunst kaufen ist jedoch in Berlin noch keine weit verbreitete Disziplin.

Würden Sie dem Satz zustimmen: In Berlin sitzen die Künstler, im Rheinland die Käufer (Sammler)?

Auch im Rheinland ist diese Disziplin leider erheblich zurückgegangen.

Wie schlimm steht es wirtschaftlich um die Galerien?

Allen Unkenrufen zum Trotz steht der Kunstmarkt im Coronajahr gar nicht so schlecht da, da ernstzunehmende, fast professionell orientierte Sammler*innen und Institutionen durchaus ihre Arbeit geleistet haben und relativ viel gekauft haben, sodass man auch die ausgefallenen Messen teilweise ersetzen konnte.

Galerien, die nicht verkaufen (können), bedeutet auch, dass die Künstler kaum Einnahmen haben. Wie schlimm steht es um die Künstler?

Nur ein geringer Prozentsatz an Künstlern kann von ihrer/seiner Kunst leben, viele müssen nach anderen Einnahmequellen suchen, die Möglichkeiten dafür haben sich verschlechtert. Die im Markt stehenden Künstler*innen haben die Krise zum Teil recht gut überstanden.

In Berlin findet auf Initiative des Privatsammlers Christian Boros im legendären, Coronamäßig geschlossenen Techno-Club Berghain eine Ausstellung („Studio Berlin“) mit aktuellen Arbeiten von in Berlin arbeitenden Künstlern statt. Wäre das auch ein Modell für Köln und das Rheinland?

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Club Rote Sonne München unter der Leitung von Jörg Geissler die Ausstellung NODANCE mit dem afroamerikanischen Künstler Elliott Jamal Robbins veranstaltet. Im Gewölbe, einem Techno Club in Köln, wurde die Ausstellung DEPTH OVER DISTANCES, eine Kombination aus DJ-Performances und einer Präsentation der Werke von David Ostrowski und Michail Pirgelis organisiert. Diese beiden Veranstaltungen hatten mehr Charme als die Monumentalveranstaltung im Berghain.

Was halten Sie von Digitalformaten, mit denen Kunstmessen, Auktionshäuser und auch einzelne Galerien experimentieren?

Das kann man alles machen, bringt aber, was unsere Erfahrung anbelangt, nicht viel.

Die Art Cologne soll nun im April 2021 stattfinden. Sie sind auch Mitglied des Art Cologne-Beirats der über die Auswahl der teilnehmenden Galerien beschließt. Wie geht es da nun für die Art Cologne 2021 weiter?

Die Veranstaltung basiert auf den Anmeldungen für die Art Cologne im April 2020; diese wurde aber bereits für die Veranstaltung im November für neue Teilnehmer geöffnet, so wird es auch für den April 2021 sein.

Wagen Sie einen Ausblick auf das nächste Jahr? (für die ART COLOGNE, für die Galerien etc.)

Der kommende Impfstoff lässt hoffen, die wirtschaftliche Lage wird sich aber eher verschlechtern als verbessern und so steht den Galerien ein weiteres Schwieriges Jahr bevor. Die staatliche Hilfe wird sicherlich eine große Unterstützung sein, ich hoffe aber auch, dass sich die interessierten Sammler wieder mehr den jungen Galerien zuwenden, denn hier müssen die festen Werte erst geschaffen werden.

Interview: Christoph Mohr

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Fünf Buchempfehlungen von Christian Nagel

Corona-Zeiten sind auch Zeiten für Bücher und Lektüre. Hier fünf Empfehlungen für Kunstbücher und warum man sie lesen sollte.

Martin Kippenberger: Bitteschön Dankeschön

Kunstmuseum Bonn

Der Künstler und die Kunst von Joseph Beuys bis Andy Warhol am Ende des 20. Jahrhunderts auf dem Punkt brachte. Hervorragende Übersicht auch für den Nichteingeweihten.

Gunter Reski: Trennungen Bei Wörtern & Menschen

Samuelis Baumgarte Galerie, 2020.

Aktueller Katalog eines der wichtigsten Maler der 00er bis 20er Jahre, dramatisch gute bis surrealistische Bildfindungen mit teilweise politischem Impetus. Sehr aktuelle Darstellungen unseres Alltags..

Nic Tenwiggenhorn, Fotografien 1951-2012

Museum Kunstpalast Düsseldorf, 2016.

Einer der besten Fotografen, nicht nur der Kunstszene, der letzten 50 Jahre, beeindruckende Aufnahmen des Lebens in Düsseldorf, Köln und Umgebung seit 1956 sowie eine Analogie der führenden Künstler*innen mit Joseph Beuys, Imi Knoebel, Emil Kiess, Ulrich Rückriem bis zu Martin Kippenberger, Katharina Fritsch, Cosima von Bonin und Katharina Grosse.

Ramesch Daha: Unlimited History – Sigmund Klein

Revolver Berlin, 2020.

Diese fast 400 Seiten umfassende Lebensgeschichte des 1923 geborenen Leopold Klein beinhaltet von der iranisch-österreichischen Künstlerin Ramsch Daha in Kunstwerke übersetzte Dokumente von der Geburtsurkunde bis zum Einlieferungsschein zum Konzentrationslager Buchenwald. Eine Geschichte von vielen Millionen die beim Lesen immer einen kalten Schauer am Rücken hinterlassen werden, eine Geschichte die nie vergessen werden darf.

The Incomplete Writings of Mark Dion, Selected Interviews, Fragments and Miscellany,

Fieldwork Museum, 2017.

Ein sehr interessanter vom Künstler und dem holländischen Kurator Roel Arkensteijn gestaltetes Buch, welches fast alle Texte und Werke von Mark Dion farbig abbildet und einen der besten Einblicke in dessen komplexes Werk bis 2015 offeriert. Mark Dions Lieblingszitat „art is a marathon and not a sprint“ kann hier beim Lesen bestens erlebt werden.

Autor: Christoph Mohr