Köln | Mit der Ausstellung „Emigration – Film – Politik“ erinnert das Museum Ludwig an den Filmemacher und Filmhistoriker Günter Peter Straschek. Es ist die dritte in der Reihe „Hier und Jetzt“, mit der die Eingrenzung auf die Bildende Kunst gesprengt werden soll.

Günter Peter Straschek (Mitte), Carlos Bustamante (links) und Johannes Beringer (rechts) am Set von „Labriola“ (1970). Foto: Michael Biron / Musem Ludwig

Günter Peter Straschek? Noch nie gehört! So ging es auch Kuratorin Julia Friedrich vom Museum Ludwig, als sie den Namen zum ersten Mal hörte. Um so größer dann die Überraschung, dass diese schillernde Persönlichkeit aus der deutschen Filmszene „direkt um die Ecke“ beim WDR gearbeitet hat. Mit der Ausstellung wird jetzt ein vergessener Meilenstein der Vergangenheits-Aufarbeitung ausgegraben.

Fünfteiler über emigrierte Filmkünstler ins Archiv verbannt

Im Mittelpunkt steht die fünfteilige WDR-Reihe „Emigration aus Nazideutschland“, die 1975 ausgestrahlt wurde und danach im Magazin eingemottet wurde. Bis heute. In den jeweils einstündigen Folgen stellt Straschek (1942-2009) im Gespräch 50 Künstler aus der Filmbranche, die der Verfolgung durch das NS-Regimes durch Flucht ins Exil entkommen konnten – insgesamt waren es gut 2.000!

Nicht nur so bekannte wie Regisseur und Drehbuchautor Franz Marischka, Der Schauspieler Curt Bois und seine Kollegin Helene Weigel oder Robert Biberti von den „Comedian Harmonists“ erzählen hier, wie sie die NS-Diktatur erlebten, was das Leben im Exil bedeutete und wie sie bei ihrer Rückkehr empfangen wurden – auch heute noch ein sehr aktuelles Thema.

Warum aber verschwanden die Filme, ohne die heute noch vieles unbekannt wäre, im Archiv? Filme, auf deren Grundlage Straschek später das von der deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Exil-Archiv mit 2.800 Akten aufbaute. Vielleicht eine beleidigte Reaktion auf die Aufkündigung der Zusammenarbeit durch Straschek 1975? Jedenfalls wollte der gebürtige Grazer nichts mehr mit der aktuellen Filmszene zu tun haben. Sie passte nicht zu seinem politischen Engagement, seiner kritischen Haltung. Fassbinder etwa kritisierte er, weil dessen Filme „zu persönlich“ seien. Veröffentlicht hat Straschek seine Vorstellungen 1975 unter dem Titel „Handbuch wider das Kino“ in der legendären bunten Suhrkamp-Reihe.

Günter Peter Straschek – ein früher Feminist

Dieses kritische Engagement bestimmte schon Strascheks Anfänge als Regisseur, als Student der frisch gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) in (West-)Berlin. „Ein Western für den SDS“ hieß der Film, den er 1968, in der Hochzeit der Studentenrevolte drehte. Von Western keine Spur – stattdessen erzählt er die Geschichte von drei Frauen, die sich von unterschiedlichen Ausgangspositionen aus emanzipieren.

Das wäre vielleicht noch für die DFFB-Verantwortlichen tragbar gewesen, doch das bei den Dreharbeiten DDR-Flugblätter verteilt wurden, war zu viel: Der Film wurde beschlagnahmt, Straschek flog von der Akademie. 18 Kommilitonen – darunter Harun Farocki, Hartmut Bitomsky und Helke Sander – solidarisierten sich mit ihm und besetzten das Rektorat. Julia Friedrich konnte den Film jetzt wieder finden, so dass er jetzt in der Ausstellung zu sehen ist.

Der Film nicht nur zur platten Unterhaltung, sondern Mittel im politischen Kampf. Etwa für die Befreiung der Frau – wie in Strascheks schon 1966 gedrehtem Film „Hurra für Frau E.“: Das Porträt einer alleinerziehenden Mutter, die durch Prostitution die staatliche Fürsorge aufbessert. Um 1970 drehte er unter anderem zusammen mit Holger Meins in Frankfurt/Main Filme mit Schülern, setzte sich mit dem „kritischen Kommunismus“ von Antonio Labriola auseinander, der sich über die Kluft zwischen Arbeitern und Intellektuellen lustig macht. All diese Filme sind jetzt zu sehen.

Von Eran Schaerf ist die kongeniale Ausstellungsarchitektur

Wie aber inszeniert man die Ausstellung über Film, über einen Regisseur und Filmhistoriker? Der Künstler Eran Schaerf hat dafür eine kongeniale Lösung gefunden. Seine Installation führt den Betrachter wie in einem Nostalgie-Kino vom Foyer zum Zuschauerraum. In den roten Wänden des Ganges sind Schaukästen eingelassen, in denen etwa autografische Regieskripte von Straschek hängen. Und manchmal öffnen sich die roten Wände im Schummerlicht zu kleinen bestuhlten Sitzecken, in denen die Filme zu sehen sind. Außerdem liegen die Fragebögen aus, die Straschek seinen

[infobox]„Günter Peter Straschek. Emigration – Film – Politik“ – bis 1. Juli 2018. Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr, Eintritt 13/8,50 Euro. Katalog: 25 Euro (Museumspreis). Umfangreiches Begleitprogramm: www.museum-ludwig.de

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Autor: ehu
Foto: Blick in die Ausstellung über von Günter Peter Straschek – eine von vier Filmnischen.