Köln | Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Edvard Munch und Pablo Picasso: Die Kölner Sonderbundausstellung 1912 war eine Schau der Superlative. 100 Jahre später blickt das Wallraf-Richartz-Museum zurück und rekonstruiert die damalige Schau mit zahlreichen Originalen. Morgen wird die Ausstellung „1912 – Mission Moderne“ eröffnet.

Paukenschlag in der Kunstwelt

Rund 650 Werke der europäischen Moderne fanden 1912 ihren Platz, allein 130 Gemälde von van Gogh, 25 von Paul Gauguin und 32 von Edvard Munch sind dabei. Mit diesen Namen und der Vielzahl an Arbeiten konnte bis dato keine Ausstellung in Deutschland mithalten. Das Ziel: Die Kunstvereinigung Sonderbund wollte jungen Künstlern der Moderne zum Durchbruch verhelfen. Es war ein Paukenschlag in der Kunstwelt. Jetzt, 100 Jahre später, blickt das Wallraf-Richartz-Museum zurück und rekonstruiert die damalige Schau mit zahlreichen Originalen. Für „1912 – Mission Moderne“, die morgen öffnet, hat Kuratorin Barbara Schaefer weltweit rund 120 Bilder zusammengetragen. Jahrelang forstete sie akribisch den Exponaten von damals nach. Einige waren nicht mehr auffindbar, andere hingen in renommierten Häusern vom Museum of Modern Art bis zur Londoner National Gallery oder lagerten bei Privatsammlern.

Allein 15 Gemälde von van Gogh werden nun erneut präsentiert. Sein berühmtes Selbstbildnis, die gestrandeten Fischerboote von Saintes-Maries-de-la-Mer und seine bekannten Landschaftsmotive gehören dazu. Weitere bedeutende Arbeiten stammen von Munch, Cézanne und Paul Gauguin. Auch August Macke, August Deusser, Paul Signac, Henri-Edmond Cross sind darunter. Heute sind sie alle weltberühmt, 1912 waren viele noch verschrien.

Während die Gründerväter der Moderne um van Gogh und Cézanne vor 100 Jahren schon bekannt waren, bildeten junge Künstler wie Picasso und Deusser im konservativen Kaiserreich noch ein rotes Tuch. Noch ein Jahr vor der Jahrhundertschau des Sonderbundes hatte die Bremer Stadthalle für einen Eklat gesorgt, weil sie ein Bild von Picasso erworben hatte. Der Sonderbund, eine Gruppe aus Künstlern, Sammlern und Galeristen, hielt dagegen und stärkte den jungen Malern demonstrativ den Rücken.

Ausstellungskonzept setzte Maßstäbe

In der Sonderbundausstellung – 170 Künstler waren vertreten – hingen sie dazu extra die Bilder der „großen Maler“ wie van Gogh neben die Arbeiten von den aufstrebenden Künstlern, um Parallelen aufzuzeigen. Auch in der aktuellen Schau wird klar, welchen Einfluss der bereits bekannte Vincent van Gogh auf die jungen Maler hatte. Seine Landschaftsbilder mit gelben Feldern und schuftenden Arbeitern finden sich bei vielen Künstlern wieder, etwa bei August Deusser. Picasso hat sich mit seinem „Jungen mit blauer Vase“ unverkennbar an Paul Cézannes Porträts orientiert.

Auch das Ausstellungskonzept setzte ab 1912 Maßstäbe: Die Schau war so international, dass das ganze Konvolut in Räumen nach Ländern sortiert wurde. Im Vergleich zu den üblichen Sammelschauen wurden die Bilder nur einreihig und vor weißen Wänden gehängt. Erstmals gab es ein Begleitheft für Besucher, quer durch Köln wurde mit Plakaten und Transparenten geworben.

Den Reportern war die Schau dennoch ein Dorn im Auge. Das „Kölner Tageblatt“ schrieb damals: „Seine (Picassos) Versuche, die Dinge kubisch zu sehen, sind nichts mehr als Exzentritäten eines kranken Geistes.“ Und in der „Rheinischen Zeitung“ stand: „Karlchen macht mit seinen Bauklötzen dieselben Gebilde.“ So ändern sich Geschmäcker: Heute zählt Picasso zweifellos zu den weltweit bedeutendsten Künstlern.

Hintergrund: Der Sonderbund

Der Sonderbund war eine Vereinigung aus fortschrittlichen Künstlern, Sammlern und Galeristen, die 1909 in Düsseldorf gegründet wurde. Offiziell nannte sich die Gruppe „Sonderbund westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“. Zu den Mitgliedern zählten etwa die deutschen Maler August Macke und August Deusser sowie der Mitbegründer des Folkwang-Museums, Karl Ernst Osthaus, und der jüdische Kunsthändler Alfred Flechtheim. Gemeinsam wollten sie die moderne Kunst vorantreiben. Dazu kuratierten sie insgesamt vier Ausstellungen, wobei die legendäre Sonderbund-Ausstellung 1912 in Köln die letzte sein sollte.

Eine Jury hatte die präsentierten Bilder vor jeder Schau ausgewählt. Kunsthistoriker setzten andere Schwerpunkte, als die Künstler selbst. In der Jury kam es zum Zerwürfnis. Bei der legendären Sonderbundausstellung 1912 wurden etwa von Wassily Kandinsky nur zwei Bilder genommen, der heute zu den größten Künstlern zählt. 1915 trennten sich die Mitglieder des Sonderbundes und gingen eigene Wege.

1912 – Mission Moderne
31. August bid 30. Dezember 2012
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten (am Rathaus)
50667 Köln
Eintritt: Erwachsene 12 Euro, ermäßigt 8 Euro

Autor: Fabian Wahl/ dapd
Foto: Edvard Munchs „Vier Mädchen auf der Brücke“ war bereits 1912 in Köln zu sehen