Köln | Es strahlt und strahlt und strahlt: Vor fünf Jahren, am 25. August 2007, wurde im Kölner Dom das berühmte Fenster des weltweit gefeierten Gegenwartskünstlers Gerhard Richter eingeweiht. Im Interview mit dapd-Korrespondent Fabian Wahl schildert der Biograf und enge Vertraute des Malers, Dietmar Elger, die baulichen Schwierigkeiten, Richters Umgang mit Kritik und die Nachfrage nach weiteren Richter-Fenstern.

Lesen Sie hier zudem im Spezial zum Jubiläum: Dombaumeister Barbara Schock-Werner verrät, dass das Fenster ein Besuchermagnet ist und noch nie geputzt wurde

dapd: Mit Gerhard Richter und dem Kölner Dom haben sich zwei Berühmtheiten getroffen. Wer gab den Anstoß für das einzigartige Kunstprojekt?
Elger: Richter hatte gerade eine große Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art, als Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner ihn 2002 ansprach. Richter fühlte sich geschmeichelt. Es gab aber klare Vorstellungen, wie das Fenster auszusehen habe.

Nämlich?
Eigentlich sollten sechs Märtyrer des 20. Jahrhunderts dargestellt werden. Es wäre ein figuratives Programm geworden.

Wie reagierte Richter?
Er hatte direkt Zweifel. Er fragte sich, ob er dafür der Richtige sei und ob die Darstellung von sechs Figuren in jeweils einem Fenster überhaupt noch zeitgemäß sei. Denn eine Darstellung in typischer Richter-Art – ein Schwarz-Weiß-Motiv mit unscharfer Vermalung – wäre nicht vorstellbar gewesen. Nach einiger Überlegung haben sich die Domverantwortlichen doch mit einer alternativen Idee angefreundet, die von Richter selbst kam.

Wie sah der Vorschlag aus?
Es war eine Farbtafel. Sie war radikal anders, abstrakt. Eine Mischung unterschiedlicher Farbquadrate, eine zufällige Verteilung von mehreren Hundert Farben. Das war aber nur der Entwurf.

Wie ging es weiter?
Bis zum endgültigen Werk wurde viel experimentiert. Wenn die einzelnen Glasquadrate zu klein waren, konnte man sie nicht mehr erkennen. Deshalb mussten sie groß genug sein, aber auch nicht zu groß. Auch mit der Farbe gab es anfangs Probleme. Zu viele helle Farben wie gelb oder orange wurden plötzlich weiß. Wenn das Licht dadurch fiel, sah das Quadrat wie ein Loch aus. Bei zu vielen Farben wurde es zu unruhig. Letztendlich gibt es nur drei Muster und drei Spiegelungen.

Der Dom ist einer extremen Witterung ausgesetzt. Hält das Fenster Stand?
Das Problem ist, dass man Bleistege, welche die einzelnen Quadrate normalerweise zusammenhalten würden, nicht zu groß machen kann. Ein Quadrat hat ja nur eine Kantenlänge von 9,7 Zentimetern. Wenn die Bleistege zu groß sind und jedes Quadrat durch diese abgetrennt wird, ist die Hälfte der Fenster schwarz. Deswegen sind die Quadrate auf einer Fläche freischwimmend angebracht. Es gibt keine Stege, die Quadrate wurden aneinandergeklebt.

Der Maler Markus Lüpertz hat sich nach der Einweihung besorgt gezeigt. Er meinte, das Fenster hält vielleicht nur 25 Jahre.
Das wird man sehen. Bei den Fotokünstlern Thomas Struth und Andreas Gursky wird auch immer gesagt, nach fünf Jahren seien die Fotos ausgeblichen oder die Farben verändert. Ganz so schlimm ist es nicht. Wenn die Fenster in 20 Jahren tatsächlich runterkommen sollten, muss Herr Richter eben noch mal ran. Das ist aber eine Hypothese. Herr Lüpertz ist ja auch nicht der Technikexperte.

Schaut Richter denn manchmal nach dem Rechten?
Er kommt nicht oft in den Dom. Er geht gar nicht oft in die Stadt und bleibt lieber in seinem Atelier. Wenn etwas mit dem Fenster wäre, bekäme er es mitgeteilt. Er erfährt alles, ist immer gut informiert.

Richter erzielt mit seinen Arbeiten auf Auktionen Rekorde in Millionenhöhe. Bedeutet für ihn das Werk im Dom überhaupt etwas?
Für ihn ist die Arbeit sehr wichtig. Richter wollte sich nicht blamieren. Jeder kann das Werk jederzeit sehen. Der Ort ist ein ganz außergewöhnliches Bauwerk, das schon etwa 800 Jahre existiert. Der Dom hat einen anderen Ewigkeitsanspruch als ein Museum. Und dann hängt das Fenster auch noch in der Stadt, in der er wohnt. Reisende steigen extra am Hauptbahnhof aus, um seine Arbeit zu sehen. Es ist ein großer Erfolg.

Es gab aber auch scharfe Kritik. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sagte anfangs, das Werk passe genauso gut in eine Moschee oder eine Bahnhofsvorhalle. Hat die Kritik Richter getroffen?
Das hat ihn sicherlich geärgert. Er hat es aber hingenommen und nicht drauf reagiert. Herr Meisner stand mit seiner Meinung ziemlich alleine da. Die Resonanz war durchweg gut. Richter konnte mit seinem Werk überzeugen.

Auch andere Kirchen wollten inzwischen einen Richter. Ist etwas daraus geworden?
Für ein Kloster in Italien sollte Richter Geschichten aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi darstellen. Richter wollte aber lieber sechs abstrakte Bilder malen. Sein Alternativvorschlag wurde abgelehnt. Für Richter war das kein Problem. Auch die Kathedrale von Reims (Frankreich) hatte Interesse. Richter hatte aber keine Idee, die anders oder besser war als das Kölner Fenster. Das Kölner Fenster war perfekt und es ist ein typisches Richter-Werk. Deshalb hat er das Angebot ausgeschlagen.

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Richter-Fenster im Dom wurde noch nie geputzt

Das berühmte Fenster des Gegenwartskünstlers Gerhard Richter im Kölner Dom ist seit seiner Einweihung vor fünf Jahren noch nie sauber gemacht worden. „Fensterputzen tun wir nicht“, sagte die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner der Nachrichtenagentur dapd. „Da ist ein bisschen Staub drauf. Aber das stört das Fenster überhaupt nicht.“ Den Schmutz sehe man gar nicht. Grundsätzlich werde kein Fenster im Kölner Dom gereinigt. Auch für den weltweit gefragten Richter werde da keine Ausnahme gemacht.

Sollte das einzigartige Werk dennoch von außen so verdreckt sein, dass der Lichtdurchfluss Schaden nehme, würde man es sauber machen. Das rund 106 Quadratmeter große Richter-Fenster aus tausenden Quadraten in 72 Farben war am 25. August 2007 feierlich eingeweiht worden.

Fünf Jahre nach der Einweihung des Fensters von Gegenwartskünstler Gerhard Richter im Kölner Dom hat sich das spektakuläre Farbenspiel zu einem Besuchermagneten entwickelt. „Rund 80 Prozent aller Besucher finden dieses Fenster ganz toll und kommen immer wieder, um zu gucken“, sagte die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. „Mehr können Sie nicht erreichen. Normalerweise sind die Meckerer deutlich mehr als diejenigen, die einem solchen Kunstwerk zustimmen.“

Jährlich besichtigen rund sechs Millionen Touristen aus der ganzen Welt den Kölner Dom. Wie viele davon allein für die Richter-Arbeit kommen, wird nicht erfasst. Das abstrakte Fenster aus tausenden Quadraten und 72 verschiedenen Farben war am 25. August 2007 mit einem Festgottesdienst eingeweiht worden.

„Es gibt Leute, die kommen rein und fragen: Wo ist das Fenster?“, sagte Schock-Werner. Die Gegenfrage der Domschweizer, welches der zahlreichen Fenster im Dom gemeint sei, habe sich erübrigt. „Viele Fans kommen zu unterschiedlichen Zeiten, um das Fenster in verschiedenen Lichtsituationen zu erleben.“

Die anfängliche Skepsis an dem außergewöhnlichen Entwurf, der im Südquerhaus des Doms eingesetzt wurde, hat sich nach den Worten Schock-Werners mit den Jahren gelegt. „Die Kritik hat sich längst beruhigt“, sagte sie. „Der internationale Neid und die Gratulation ist sehr groß.“ Auch Glasmalerei-Experten stünden hinter dem Werk.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hatte im Vorfeld des Projekts erklärt, dass das Fenster in seiner abstrakten Form genauso gut in einer Moschee oder einem Gebetshaus hängen könnte. „Etwas zu machen, was jedem gefällt, ist doch eine menschliche Illusion“, sagte Schock-Werner.

Autor: dapd
Foto: Das Richter Fenster im Kölner Dom