Der Berliner Galerist Hendrik A. Berinson im ART COLOGNE-Interview

Köln | Die Galerie Berinson, seit 1986 in Berlin ansässig, ist auf Kunst, insbesondere Photographie der Klassischen Modern spezialisiert und regelmäßiger Teilnehmer der ART COLOGNE. In diesem Jahr war Hendrik A. Berinson auch Mitglied des Beirats der ART COLOGNE, der die teilnehmende Galerien auswählt.

Christoph Mohr befragte den Galeristen zur abgesagten ART COLOGNE 2020 und den Kunststandort Berlin

Trotz steigender Corona-Zahlen hat das Art Cologne-Management bis zuletzt an dem (vom Frühjahr auf den November verschobenen) Messetermin für die Art Cologne 2020 festgehalten. War das nun verrückt oder wagemutig?

Es gab eine gute chance dafür, dass die Messe stattfindet. Insofern haben Daniel Hug und sein Team alles richtig gemacht.

Die meisten Galerien machen einen beträchtlichen Teil ihres Jahresumsatzes auf Kunstmessen. Fast alle wichtigen Kunstmessen weltweit, die Art Cologne, die Art Basel in Basel, Miami und Hong Kong, und viele weitere konnten nun in diesem Jahr nicht stattfinden. Wie groß sind die Einbußen für die Galerien?

Was die Umsätze der Galerien auf Messen angeht, so gibt es gar keine verlässlichen Angaben.

Sie sind auch Mitglied im Beirat der ART COLOGNE, der die teilnehmenden Galerien auswählt.
Wie muss man sich diese Galerienauswahl vorstellen? Wird da heftig gestritten oder eher gnädig durchgewinkt?

Weder das eine noch das andere. Man versucht dem hohen Standard der Messe gerecht zu werden und jeder Bewerber wird mit allergrößter Fairness und Objektivität beurteilt.

Lassen Sie uns über Photographie sprechen, dem Spezialgebiet Ihrer Galerie. Wie wichtig ist die ART COLOGNE für Photographie?

Die klassische Photographie ist ein sehr kleines Segment des Kunstmarktes und so zeige ich nur sehr wenig Photos auf Messen. Eher andere Werke der klassischen Moderne.

Wie wichtig ist eine Messe wie, sagen wir, die Paris Photo?

Paris Photo ist die schönste und wichtigste Messe für Photographie weltweit.

Der Markt für Photogaphie-Kunst ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Die Galerie Berinson zeigt aber „nur“ Arbeiten der Klassischen Moderne. Zeitgenössische Photo-Künstler interessieren Sie gar nicht?

Das Wort explodiert hat sich etwas abgenutzt. Ich bin Kunsthändler und Antiquar im klassischen Sinne und habe wenig Sinn für aktuelle Kunst.

Ein Wort zu August Sander (die Frage ist ja geradezu ein Muss für ein KÖLNER Medium)

Goldstandard !

Und zur Photosammlung im Museum Ludwig ?

Eine Sammlung von Weltgeltung, die leider neuerdings durch die Annahme völlig überflüssiger „Schenkungen“ qualitativ verwässert wird. Diese Danaergeschenke, die nach dem Prinzip „Die guten ins Töpfchen. die schlechten in Kröfpchen“ gefiltert sind, werden leider zur Mode, siehe Kunstpalast Düsseldorf.

Ihre Galerie ist Berlin-Charlottenburg ansässig, dem alten West-Berlin, nicht weit weg vom Kurfürstendamm, und damit gerade nicht in Mitte/Prenzlauer Berg, wohin es in dem Boom-Jahren die meisten Galeristen gezogen hat. Erklären Sie uns diese Topographie der Berliner Galerienszene.

Die Galerienstandorte richten sich ausschließlich nach den finanziellen Mitteln der Betreiber.

In keiner deutschen Stadt gibt es so viele Galerien wie in Berlin. Trotzdem scheint es den Berliner Galerien nicht zu gelingen einen gemeinsamen Auftritt, gemeinsames Marketing, eine gemeinsame Interessenvertretung auch gegenüber der Politik hinzubekommen.
Haben Sie dafür eine Erklärung?

Es ist doch naiv anzunehmen, dass Konkurrenten zusammenarbeiten sollten. Der kunsthandel ist ein hartes Brot und jeder muss für sich kämpfen. Durchgesetzt haben sich Leute. die nach rigorosen ökonomischen Prinzipien handeln und so auf dem Wege sind, den Markt in guter kapitalistischer Manier zu monopolisieren. Alles Drumherum soll ausgeschaltet werden oder wird vielleicht gnädig als Beiwerk geduldet. nicht umsonst hat sich ja die schreckliche bezeichnung „art industry“ eingebürgert.

In Berlin gab es mit der ART BERLIN eine eigene Kunstmesse, die erst von der ART COLOGNE übernommen, dann eingestellt wurde. Wurde da eine unliebsame Konkurrenz gekillt?

Es ist schwer genug, überhaupt Kunst zu verkaufen. Dass Berlin keine Sammlerstruktur mehr hat, dürfte doch hinreichend bekannt sein. Da hat man sich lange etwas vorgemacht oder auf Kunsttourismus gehofft

Zum Abschluss: eine Buchempfehlung, in messelosen Zeiten?

Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin. Orell Fuessli Verlag

Ein Buch, das mit sämtlichen Vorstellungen der Riefenstahl als vermeintliches Genie aufräumt. Ein wenig wie die Entdeckung, dass Magengeschwüre ganz einfach nur von Bakterien verursacht werden.

Autor: Interview: Christoph Mohr