Köln | 13 Bewerberinnen und Bewerber stellen sich bei der Kommunalwahl 2020 am 13. September 2020 in Köln zur Wahl um Kölns höchstes Amt und wollen Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister von Köln werden. Darunter Sabine Neumeyer, die seit 6. April unzählige Posts und Hashtags zur „QAnon“-Verschwörungsideologie auf ihrem Twitterkanal absetzte. Der NRW-Verfassungsschutz beschäftigt sich im Rahmen von Verschwörungsideologien im Teil seiner sicherheitsbehördlichen Aufklärung mit der Frage der Nähe von „QAnon“ zur rechtsextremen und zur Reichsbürgerszene. Dem Staatsschutz der Kölner Polizei ist die Bewegung bekannt, aber es gebe keine Erkenntnisse über Bezüge zu Köln.

Sabine Neumeyer trat bereits bei der Wahl 2015 als Oberbürgermeisterkandidatin an und stellt in diesem Zusammenhang eine falsche Tatsachenbehauptung auf, dass die SPD sie um ihre Existenz brachte, weil Sie ihren Biergarten an den Ehrenfelder Bahnbögen nicht weiter betreiben durfte. Parteien versagen keine Genehmigungen, sondern nur die städtische Verwaltung.

Seit dem 11. März dieses Jahres betreibt Sabine Neumeyer einen Twitterkanal auf dem Sie vor allem Posts verlinkt, kommentiert, mit Hashtags versieht und verbreitet. Darunter von „KenFM“ einem Youtube Kanal der von Ken Jebsen betrieben wird und dem das Recherchezentrum von „Correctiv“ bescheinigt, ein verschwörungstheoretischer Kanal zu sein. Auch Posts von Heiko Schrang werden geteilt. Schrang sagte laut „Zeit“ offen im schweizerischen Sargans auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Schulterschluss gegen Zensur“, dass Deutschland eine Diktatur schlimmer als Nordkorea sei.

Was ist „QAnon“ und woher kommt es?

Im Oktober 2017 finden sich die ersten Spuren von „QAnon“ im anonymen Internetportal „4chan“. Ein Nutzer mit der Bezeichnung „Q“ postet. Der Wortbestandteil „Anon“ leitet sich aus „Anonym“ ab und weist auf ein Dilema: Niemand weiß wer oder wie viele „Q“ sind. Die, die dem „Q“ folgen glauben daran, dass „Q“ Insider Informationen verbreite und zu den „Guten“ zähle. „Q“ stammt aus den USA und verbreitet eine verschwörerische Erzählung: In der demokratischen Partein, den Banken und Medien gebe es eine Elite, die heimlich über das Land herrsche. Die Mitglieder dieser Elite seien verdorben und stellten einen „tiefen Staat“ („deep state“) dar. Donald Trump sei von ranghohen Militärs auserwählt, diesen „tiefen Staat“ auszuschalten. In diese Erzählung passt der seit den 1980 Jahren genutzte Slogan Trumps „Drain the swamp“. Forscher wie der Religionswissenschaftler Michael Blume bezeichnete im Deutschlandfunk „QAnon“ als Digitalsekte. Die Posts von „Q“ nutzen ein christlich geprägtes endzeitliches Vokabular, wie etwa, dass ein Sturm bevorstehe oder eine „Große Erweckung“. Phrasen, die die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Neumeyer auch immer wieder in ihren Hashtags postet.

In Deutschland erlebt die „QAnon“-Bewegung Auftrieb durch Posts von Xavier Naidoo oder Kochbuchautor Attila Hildmann, die die Botschaften von „Q“ unkritisch in Umlauf brachten. Vor allem die Corona-Pandemie befeuert die Verbreitung von „Q“ durch die, die das Virus leugnen und die, die sagen es handele sich um eine biologische Waffe. Dabei ist die „Q“-Bewegung wirkmächtig in den Sozialen Medien und fordert ihre Anhänger auf, nur noch Informationen zu trauen, die aus dem „Q“-Umfeld stammen.

Anhängerinnen und Anhänger von „Q“ glauben vor allem die Erzählung zum Adrenochrom. Ein Stoff der synthetisch hergestellt werden kann. Die „Q“-Verschwörungsideologen glauben, der tiefe Staat gewinne den Stoff Adrenochrom aus dem Blut von Kindern, die festgehalten werden. An diesem so gewonnenen Stoff berauschten sich dann die Eliten. „QAnon“ nutzt hier altbekannte antisemitische Motive aus der mittelalterlichen Ritualmordpropaganda. Dort gab es Darstellungen wo Juden das Blut von Kindern aussaugen. Die Bewegung zählt vor allem George Sorros und die Familie Rothschild zu den Bösen und meint damit die Juden. Auch hier eine eindeutige antisemitische Komponente.

In NRW beschäftigt sich der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz mit Verschwörungsideologien in deren Umfeld die „Q“-Bewegung sehr aktiv ist. Teil der sicherheitsbehördlichen Aufklärung sei die Frage der Nähe von deutschen „QAnon“-Anhängern zur rechtsextremen oder der Reichsbürgerszene, so das Innenministerium NRW auf die heutige Anfrage dieser Internetzeitung. Dies geschehe vor dem Hintergrund von antisemitischen Gewaltaufrufen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagte dem „ZDF“: Es lägen Hinweise vor, „dass sowohl einzelne Rechtsextremisten wie eine Reihe von Reichsbürgern der QAnon-Theorie anhängen“. Konkrete Erkenntnisse, dass QAnon etwa bei antisemitischen Gewalttaten in Deutschland bereits eine Rolle gespielt habe, lägen dem Verfassungsschutz nicht vor, berichtet das „ZDF“. Twitter löschte mittlerweile viele Tweets, die offen „Q“ oder „QAnon“ in den Posts, Hashtags nutzten. Die Bewegung stellte auf Erkennungszeichen wie „WWG1WGA“ („Where we go one, we go all“) um. So auch die Kölner Oberbürgermeisterbewerberin Sabine Neumeyer, die ihren Followern und anderen „QAnons“ riet, Pseudonyme wie „Säuberung“ zu nutzen.

Die Kölner Polizei sagt, sie habe in Köln keine Hinweise auf „QAnon“-Bezüge, aber die Bewegung sei bekannt. Eine weitere Frage ist, wie das Wahlamt der Stadt Köln, die Bewerberinnen und Bewerber vor der Zulassung zur OB-Wahl prüft. Die Stadt schreibt dazu: „Die Allgemeinhalt der Wahl umfasst sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht und ist ein verfassungsrechtlich geschütztes hohes Gut und darf nur im Ausnahmefall eingeschränkt werden. Nach § 65 Abs. 2 GO NRW ist als Kandidat wählbar, wer unter anderem das 23. Lebensjahr vollendet hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist sowie die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Nicht wählbar ist, wer am Wahltag infolge Richterspruchs in der Bundesrepublik Deutschland die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Der Wahlleiterin obliegt eine Vorprüfung hinsichtlich der eingehenden Wahlvorschläge; sie bereitet somit die Entscheidung des Wahlausschusses vor. Diese Vorprüfung bezieht sich insbesondere auf die formalen Voraussetzungen für einen Wahlvorschlag (beispielsweise Fristen, notwendige Unterstützerunterschriften etc.). Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, dass sich die Kandidatin oder der Kandidat zum Grundgesetz bekennt, ist dagegen nicht vorgesehen. Sonstige Gründe, die zur Nichtwählbarkeit eines Kandidaten oder einer Kandidatin für die OB-Wahl 2020 in Köln hätten führen können, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Wahlausschusses nicht vor. Auch sind im Rahmen der gesetzlichen Rechtsmittelfrist keine Beschwerden gegen eine Zulassung eingegangen.“

Nach dem Interview bei dieser Internetzeitung distanzierte sich Neumeyer nicht von der „QAnon“-Bewegung aber von Antisemiten und Radikalen.

Autor: Andi Goral