Köln | Die Stadt Köln will ihre Bürgerinnen und Bürger enger und intensiver an den Entscheidungen von Rat und Verwaltung beteiligen. Am 27. September soll der Stadtrat eine Vorlage beschließen, die genau das ermöglichen soll.

Wie das städtische Presseamt berichtete, startet der Pilotversuch zunächst mit einem Fachausschuss und einer Bezirksvertretung. Am gestrigen Dienstag war der Ausschuss für Umwelt und Grün das erste Gremium, das über die Vorlage zu beraten hatte, am morgigen Donnerstag folgt die Bezirksvertretung Nippes. Der gestrige Ausschuss hat die Vorlage jedenfalls unverändert empfohlen.

Die Stadt Köln startet mit einem Fachausschuss und einer Bezirksvertretung einen Pilotversuch zu einer neuen und wesentlich umfassenderen Beteiligung der Bürgerschaft an Entscheidungen, die die Kommune zu treffen hat. Die Beteiligung soll sich nicht mehr allein auf rechtlich vorgesehene Beteiligungsverfahren beschränken, sondern systematisch alle Belange der kommunalen Verwaltung umfassen. Bereits heute kommen in vielen Planungsverfahren in Köln die Bürger zu Wort. Mit dem Pilotversuch soll diese Beteiligung institutionalisiert und festgeschrieben werden, und das zu Berlangen aus verschiedenen Bereichen.

Hinter dem Vorstoß steht das erklärte Ziel von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Verbindung von Beteiligung der Öffentlichkeit und dem Dialog in der Stadtgesellschaft mit den repräsentativen Entscheidungsprozessen des Rates, seiner Ausschüsse und der neun Bezirksvertretungen.

Konkrete Beteiligungsmöglichkeiten

Konkret sieht die Bürgerbeteiligung vor, dass Beschlussvorlagen, die In diesen beiden Pilotgremien zur Entscheidung eingebracht werden, um eine Empfehlung der Verwaltung ergänzt werden, ob die Öffentlichkeit beteiligt werden soll oder warum eine Beteiligung nicht durchgeführt werden soll. Grund für eine ablehnende Haltung kann beispielsweise sein, weil dadurch eklatante und nicht vertretbare Zeitverzögerungen entstehen, die Projekte gefährden.

Der Ausschuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes entscheiden dann sowohl über den Inhalt als auch über die Frage, ob eine Beteiligung hierzu stattfinden soll oder nicht und folgt der Empfehlung der Verwaltung oder widerspricht ihr. Es geht dabei um Beschlussvorlagen, für die der Ausschuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes die Entscheidungsbefugnis nach der Zuständigkeitsordnung haben. Für den Fachausschuss des Rates ist das beispielsweise die Entscheidung über investive Maßnahmen bei Grünprojekten und Lärmschutzwällen zwischen 150.000 und 1,5 Millionen Euro und Maßnahmen zur Bauunterhaltung an Grünanlagen und Lärmschutzwällen in einem Volumen von 100.000 bis einer Million Euro. Die Zuständigkeitsordnung sieht für diesen Fachausschuss 14 Entscheidungsbefugnisse.

Darüber hinaus können Kölnerinnen und Kölner zu Themen, über die der Ausschuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes entscheiden, selbst initiativ eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschlagen. Das ist allerdings nur möglich, wenn die Verwaltung eine solche nicht bereits in ihrer Beschlussvorlage vorsieht. Über diesen Vorschlag entscheiden ebenfalls die beiden Gremien.

In den Beschlussvorlagen und den Gremien geht es vor allem darum, ob eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird. Teil der Pilotphase ist außerdem, wie genau gute Öffentlichkeitsbeteiligung auf der Grundlage von Qualitätsstandards stattfindet. Das wird über die zwei Gremien hinaus in insgesamt vier weiteren Pilot-Beteiligungsverfahren ausprobiert, nämlich an jeweils einem Projekt aus den Bereichen Kultur, Sport, Stadtentwicklung und Verkehr.

Neue Stufe der Bürgerbeteiligung – Weiterentwicklung der Leitlinien

„Ich bin davon überzeugt, dass sich eine Stadt wie Köln nur im Dialog und im Zusammenwirken mit allen gesellschaftlichen Kräften zukunftsorientiert gestalten lässt. Dafür brauchen wir neue Formen der Zusammenarbeit und müssen diese auch gemeinsam lernen und entwickeln. Das Know-how der Bürgerschaft einzuweben in Ratsentscheidungen ist lohnenswert. Ich verstehe die Sorge, dass die Nachteile von Öffentlichkeitsbeteiligung, zum Beispiel durch den notwendigen Zeitaufwand die Vorteile manchmal übersteigen“, betonte Oberbürgermeisterin Reker.

Neben dem allgemeinen Ziel der Demokratiestärkung will die Stadt den nun vorgeschlagenen Kurs der Bürgerbeteiligung wissenschaftlich begleiten lassen. Anfang kommenden Jahres soll das Vorhaben in die Umsetzung gehen. Neben der Frage, ob eine Bürgerbeteiligung stattfindet gehe es auch um die Qualität einer solchen Beteiligung. Das lässt sich die Stadt Einiges kosten. Neben zwei Vollzeitstellen soll eine weitere, dritte Stelle die operativ tätigen Koordinatoren in der Pilotphase in punkto Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Alle drei Stellen für auf 18 Monate befristet sein. Die Kosten belaufen sich im Haushaltsjahr 2018 auf 225.000 Euro, sowie Folgekosten in Form von Personalaufwendungen in Höhe von 240.500 Euro für das Pilotjahr 2019.

Wissenschaftliche Begleitung und kontinuierliche Evaluation

Wissenschaftlicher Begleiter ist das Deutsche Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung in Speyer. Wichtige Fragen richten sich darauf, inwieweit die Kölnerinnen und Kölner von den neuen Mitwirkungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch machen und wie die Auswirkungen für das Handeln der Verwaltung und die Funktionsfähigkeit der Gremien sind. Ebenso soll herausgefunden werden, wie sich die Vorteile einer Öffentlichkeitsbeteiligung in Form von besseren Lösungen und mehr Akzeptanz und die Nachteile, wie verlängerte Verfahren und erhöhte Aufwände, zueinander verhalten.

Auch die Zwischenergebnisse wolle man bereits während der Pilotphase „reflektieren“, die Leitlinien für die Öffentlichkeitsbeteiligung weiterentwickeln und das Ganze als Vorlage erneut zur Abstimmung im Stadtrat stellen. Der entscheidet dann, ob die Bürgerbeteiligung in dieser Form fortgesetzt werden soll.

Köln als Vorreiter in Sachen Bürgerbeteiligung?

Köln sieht sich in Sachen Bürgerbeteiligung gut aufgestellt. Als erste deutsche Millionenstadt hat die Stadt Köln – wie bereits rund 30 kleinere Städte – einen Leitlinienprozess für die Bürgerbeteiligung gestartet und 2017 ein Arbeitsgremium Bürgerbeteiligung eingerichtet, das aus Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Verwaltung und der Bürgerschaft besteht. Grundlage hierfür war ein Beschluss des Stadtrates vom 12. Mai 2015.

Freiwillige Beteiligungsformate unterliegen kaum gesetzlichen Vorgaben oder Qualitätsstandards. Damit diese neuen Formen der Bürgerbeteiligung als Bereicherung und Ergänzung zu den demokratisch legitimierten Diskussions- und Entscheidungsprozessen wirken können, braucht es allgemein anerkannte „Spielregeln“, also ein verbindliches, allgemeingültiges Regelwerk, das bei der Planung, Durchführung und Auswertung aller Beteiligungsverfahren in Köln gilt: die „Leitlinien Bürgerbeteiligung“. Die Pilotphase Systematische Öffentlichkeitsbeteiligung fußt auf dem Entwurf der Leitlinien und diene dazu, sie weiterzuentwickeln, hieß es dazu abschließend.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: In zwei Gremien will Oberbürgermeisterin Henriette Reker nun die Bürgerbeteiligung auf eine neue Stufe heben. Die erste Hürde ist genommen, Anfang 2019 soll es losgehen.