Köln | aktualisiert | Die Stadtschulpflegschaft Köln übt deutliche Kritik an den Konsolidierungsplänen der Stadt Köln im Bereich Bildung und Soziales. Sie sieht in den vorgeschlagenen Maßnahmen ein Ende der Integration einkommensschwacher Familien in die Kölner Bildungslandschaft. Man dürfe sich nicht von positiven Entwicklungen in den bürgerlichen Stadtteilen wie Lindenthal blenden lassen. Den Kölner Rat fordert die Stadtschulpflegschaft daher auf, die Pläne zu prüfen und an den richtigen Stellen, bei den Kölner Kindern, zu investieren. Auch der Stadtverband Köln der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnt die von der Stadt in den nächsten 5 Jahren geplanten Ausgabenkürzungen im Bereich „Bildung und Soziales“ entschieden ab.

Laut Stadtschulpflegschaft gelten fast ein Drittel aller Kölner Kinder als arm. Die vorgesehenen Kürzungen der Mittel im Bereich Bildung und Soziales träfen daher einen ohnehin schon sensiblen Punkt, so die Kritik. Konkret soll unter anderem bei der Einschulungsbeihilfe, der finanziellen Unterstützung der Offenen Ganztagsschulen und Betreuungsmaßnahmen gespart werden.

Die Kritik der Stadtschulpflegschaft Köln an den Haushaltsplänen der Stadt Köln im Wortlaut:

Der Himmel über Köln, insbesondere über der Schullandschaft unserer Stadt, wird sich ab dem Haushaltsjahr 2013 empfindlich verdunkeln, wenn die beabsichtigten radikalen Sparmaßnahmen im Bereich Bildung und Soziales tatsächlich durchgesetzt und –geführt werden sollten. Allein durch

1. den Wegfall der Einschulungsbeihilfe für Kinder aus einkommensschwachen Familien,

2. den Verzicht auf die „Mittagspause Plus“ und Reduzierung des Standards bei der Übermittagsbetreuung in der Sekundarstufe I,

3. die Reduzierung des freiwilligen Anteils OGS um 5%

soll der Haushalt der Stadt Köln konsolidiert werden. Die in Rede stehenden Sparpläne im Ressort Bildung und Soziales, also im Bereich der Schulen, werden nicht etwa den Haushalt der Stadt Köln, sondern vielmehr deren Defizite und Missstände sowie bestehende Mängel manifestieren. Die Betroffenen, Familien mit geringerem Einkommen, sollen also nicht länger „armutssensibles Handeln“ erfahren. Wir sollen über unser kulturelles Kapital, unser Eingliederungscredo, künftig „hinwegsparen“. An dieser Stelle ist aufgrund des bestehenden Kausalzusammenhangs zwischen Bildungsperspektiven der Kinder aus den eben genannten Familien und den städtischen Sparplänen keine andere Deutung möglich, kein auch noch so geringer Interpretationspielraum vorhanden.

Wohin wird dies unsere Stadt führen? Ohne Geld keine Investition in die Zukunft unserer Stadt, ohne Investition kein „Land“ , ohne Land keine Landschaft und ohne Landschaft keine Bildungslandschaft. Bildungslandschaft, diesen malerischen Begriff wollen wir als Kölner Stadtschulpflegschaft (be-)schützen, haben wir doch soeben erst begonnen, ihn mit Leben zu füllen, auszuschmücken und Kölnspezifisch zu prägen. Wir wollen uns nicht umsonst für die große Aufgabe „Integration“ einsetzen und eingesetzt haben. Wir wollen nicht, dass das Versprechen, jedes Kind, egal welcher Herkunft, „mitzunehmen“, die Integration zu leben, in unserer Stadt zu einem Lippenbekenntnis verkommt.

Wenn es uns nicht gelingt, jedem Kölner Kind die Bildungs-Integration zu ermöglichen, wird jedoch genau dies geschehen – und der Himmel über der Kölner Bildungslandschaft wird sich verdunkeln…

Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin gehört Köln neben Städten wie Berlin, Bremen, Dortmund, Hamburg und Leipzig zu den Großstädten mit ausgeprägter sozialräumlicher Spaltung, die Armut oder Not ist hier regional sehr unterschiedlich verteilt und ausgeprägt. Köln gilt als sogenannte heterogen strukturierte Stadt, was bedeutet, dass verschiedene Milieus nebeneinander in unterschiedlichen Strukturen und Gegebenheiten leben. Es existieren sozial divergente Realitäten nebeneinander ohne einander gegenseitig bewusst wahrzunehmen. In einigen Stadtteilen Kölns, wie etwa den rechtsrheinischen Teilen Kalk-Nord, Höhenberg-Vingst oder Porz-Finkenberg, um exemplarisch nur drei Kölner Beispiele zu nennen, ist sie deutlich sicht- und spürbar. Ca. 32.000 Kinder, fast schon ein Drittel aller Kölner Kinder unter 15 Jahren, gelten hier aktuell als arm. Eine erschreckende und besorgniserregende Zahl, wenn wir bedenken, dass 2011 98.309 Kinder in Kölner Haushalten lebten.

Der Rückgang von Kinderarmut, der vielleicht in manchem linksrheinischen, bürgerlich geprägtem Stadtteil Kölns zu verzeichnen ist, ist hier leider überhaupt nicht bemerkbar. Und genau an diesen neuralgischen Punkten will nun die Kölner Stadtspitze den Rotstift ansetzen und ihren angesichts der für Kinder bitteren Realitäten völlig unzeitgemäßen Sparstrumpf füllen. Dies gilt es dringend und zwingend zu verhindern! Und dies wird die Kölner Stadtschulpflegschaft tun, laut werden zu Gunsten unseres großen Zukunftsplans, allen Kölner Kindern, auch den weniger und gar nicht gut gestellten, eine Bildungsperspektive zu geben.

Für ein familienfreundliches Köln – für ein wirtschaftlich starkes Köln braucht es qualitativ hochwertige Bildungseinrichtungen für die Kölner Schülerinnen und Schüler. Eltern brauchen verlässliche Betreuung für Ihre Kinder von der Kita bis zur weiterführenden Schule. Im Arbeitsprogramm des Oberbürgermeisters heißt es: „Ich verstehe Schule als einen Ort für gesellschaftliches Lernen, sie muss zum Zentrum für Bildung und soziale Integration werden.“ Und weiter: „Den Offenen Ganztag bauen wir in den Grundschulen auf 75 Prozent aus. Auch in den Sekundarstufen I und II sorgen wir kontinuierlich und bedarfsorientiert für mehr Übermittags- und Nachmittagsangebote“.

70 Prozent Betreuung im Ganztag der Primarschulen sind erreicht, dies wird schon im nächsten Schuljahr nicht mehr ausreichen, jedoch ist das Platzkontingent jetzt schon gedeckelt. Eltern wählen die Schule nicht mehr nach Wohnortnähe oder pädagogischem Konzept der Schule aus, sondern ob Ihr Kind einen Platz im Ganztag bekommt. Ein Platz in der Schule und ein Platz im Ganztag darf nicht länger getrennt vergeben werden. Schule und Ganztag müssen in die Lage versetzt werden weiter zu einer Einheit zusammen zu wachsen. Für jedes Kind, für alle Eltern, die einen Platz im Ganztag brauchen oder wünschen, aus welchem Grund auch immer, muss ein Platz bereit stehen. Ein Platz in der Bildungseinrichtung Schule, in der hoch qualifizierte Mitarbeiter dem Bildungsauftrag nachkommen können. Schon jetzt ist der Fachkräftemangel im Bereich OGS merklich spürbar. Eine weitere Kürzung der Mittel macht es nahezu unmöglich gut qualifiziertes Personal zu finden und langfristig zu binden.

Unser Appell an den Kölner Rat: Prüfen Sie die eingangs aufgeführten Sparvorhaben und ihre Auswirkungen auf die unmittelbar Betroffenen, unsere Kinder. Drehen Sie jeden Cent um, aber verlieren Sie dabei nicht die Bildung und die Zukunft der Kölner Kinder aus den Augen. Drehen Sie jeden noch so kostbaren Cent zu Gunsten unseres kostbarsten Guts, unserer Kinder, um! Investieren Sie in „Bildungszukunft. Hier investiertes Geld wird sich auszahlen. Halten Sie als Kölner Stadtväter und –Mütter Ihr Bildungsversprechen gegenüber allen Kölner Kindern, lassen Sie keines der Kindern allein.

Lassen Sie nicht zu, dass die soziale Spaltung ganz Köln spaltet. Zeigen Sie, dass soziale Armut nicht gleichbedeutend ist mit emotionaler Armut und dass dies auch von den Repräsentanten der Kölner Bürgerinnen und Bürger gesehen wird. Stärken Sie die Kölner Familien, um Köln – auch finanzpolitisch – in Zukunft stärken zu können. Ermöglichen Sie Herrn Roters die Konzentration auf die Kernaufgaben der Stadt, zu denen vor allem die Weiterentwicklung des Kölner Bildungskonzepts und die Fortschreibung des Bildungsaufbruchs im Ganztagsbereich gehört. Haben Sie den Mut und das Verantwortungsbewusstsein, Geld an den richtigen, zukunftsweisenden Stellen auszugeben und an nicht derart existenziellen Bereichen einzusparen.

Die Stadtschulpflegschaft Köln ist auf die weitere Diskussion und die anstehenden Entscheidungen gespannt und hofft auf eine sowohl in sozialer als auch ökologischer Hinsicht nachhaltige Regelung der Kölner Finanzen.“

Kölner GEW kritisiert Ausgabenkürzungen für „Bildung und Soziales“ im Haushalt der Stadt Köln

Der Stadtverband Köln der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnt die von der Stadt in den nächsten 5 Jahren geplanten Ausgabenkürzungen im Bereich „Bildung und Soziales“ entschieden ab. Dies sei das Ergebnis eines Vorstandsbeschlusses vom 05. Dezember 2012, teilte die GEW mit. Die GEW fordert die Ratspolitiker der Stadt Köln auf, den geplanten Kürzungen im Bildungs‐ und Sozialbereich ihre Zustimmung zu verweigern und Initiativen zur Verbesserung der Einnahmesituation des städtischen Haushalts zu ergreifen.

Alleine 40% der geplanten Einsparungen sollen laut GEW durch das Dezernat „Bildung und Jugend“ aufgebracht werden. Die Einsparungen von 14,3 Millionen Euro für den Doppelhaushalt 2013/14 sollen sich bis 2016 auf 35,65 Millionen Euro verfünffachen, so die GEW weiter.

Das bedeutete, dass die geplanten Einsparungen von 2013 u.a. in der Kinder‐ und Jugendarbeit, Seniorenarbeit, Reduzierung der Ausgaben für die offene Ganztagsschule und die Übermittagsbetreuung in der Sekundarstufe 1 erst der Anfang sein werden für ein erheblich gesteigertes Einsparpaket bis 2016.

Dieses Sparpaket zur Haushaltskonsolidierung der Stadt Köln sei nicht Ausdruck politischer Vernunft, um Schulden abzubauen, sondern „ein ganz gewaltiges sozial‐ und bildungspolitisches Armutszeugnis für Oberbürgermeister Roters und die ihn unterstützenden Ratsfraktionen.“

Das von Politikern immer wieder vorgetragene Argument ‐ es sei kein Geld da ‐ sei keineswegs wahr, behauptet die GEW. Neben einem verschuldeten Staat (Bund, Länder, Kommunen) gebe es eine kleine Gruppe der Bevölkerung, in deren Händen sich großer privater Reichtum konzentrierte, so die GEW weiter. „Diese 10 Prozent der Bevölkerung besitzen 50 Prozent des Vermögens, während 67 Prozent der Bevölkerung 1,4 Prozent des Vermögens besitzen.“

Die GEW hält es daher für ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, dass diese Gruppe der Bevölkerung, in deren Händen sich der gesellschaftliche Reichtum konzentriert, zur Finanzierung der nötigen Bildungs‐ und Sozialausgaben herangezogen wird. Deshalb müssten zum Beispiel die Vermögens‐ und Erbschaftssteuer sowie die Spitzensteuersätze erhöht werden.

Die GEW werde, gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und den betroffenen Einrichtungen, Gruppen sowie Kolleginnen und Kollegen den Protest gegen die städtischen Kürzungen der nächsten Jahre mitorganisieren.

Autor: cb, dd | Foto: Lightpoet / Fotolia
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