Köln | Mit der Kommunalwahl 2020 zog eine neue politische Kraft in den Rat: Volt. Die Bürger*innen Kölns vertrauten Volt und schenkten der jungen Partei viele Stimmen und den Fraktionsstatus. Die Vertreter*innen von Volt im Rat nutzten die Machtoption, die sich ihnen bot, und sind jetzt Teil des Ratsbündnisses mit Grünen und CDU und damit an der Stadtregierung. Aber wissen die Ratsleute von Volt wirklich was sie tun? Eine Pressemitteilung lässt daran zweifeln.

Volt mit starken Vergleichen

Der von Grünen, CDU und Volt zum Beigeordneten für Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit gewählte Niklas Kienitz zog seine Kandidatur nur wenige Tage vor der Entscheidung der Bezirksregierung zurück. Die prüfte fachliche Voraussetzungen, Erfahrungen in Führung und es gab eine von der „Die Partei“ im Raum stehende Anrufung der Kommunalaufsicht hinsichtlich des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens. Neben der Verstrickung in die Stadtwerkeaffäre 2018 von Niklas Kienitz gab es Zweifel, – gerechtfertigt oder nicht – ob Kienitz die formalen Voraussetzungen für eine Berufung zum Dezernenten erfüllte. Diese Prüfung erfolgt in der Bezirksregierung Köln – auch wenn sie im Auswahlverfahren etwa durch den Personaldienstleister, den die Stadt Köln beauftragte – auch erfolgen hätte müssen.

Kienitz begründete seinen Rückzug mit persönlichen Gründen und Anfeindungen bis hin zu Bedrohungen seiner Person. Kienitz bleibt hier öffentlich in seinem schriftlichen Statement im Vagen: „Ich bin in den vergangenen Wochen im privaten Umfeld massiven persönlichen Anfeindungen, bis hin zu Bedrohungen, ausgesetzt gewesen“. Von wem er wie bedroht wurde, sagt Jurist Kienitz nicht und auch nicht, ob er die Kölner Polizei über die Bedrohung in Kenntnis setzte sowie Personenschutz beantragte. Eine erste Nachfrage bei der Kölner Polizei ergab, dass dieser eine Anzeige von Kienitz auf den ersten Blick und Schnellrecherche nicht vorliege. (Hinweis der Redaktion: Die Polizei Köln will allerdings werktags diese Schnellrecherche noch einmal prüfen. Sollte es andere Erkenntnisse geben, wird die Redaktion dies hier ergänzen)

Die Ratsfraktion Volt kommentiert dies in ihrem schriftlichen Statement: „Wir halten es für ein verheerendes Zeichen in unserer Demokratie, wenn (Kommunal-)Politiker*innen um ihre eigene oder die Sicherheit ihrer Familie fürchten müssen. Als Gesellschaft müssen wir diese Drohungen sehr ernst nehmen. Das hat nicht zuletzt die Messerattacke auf Oberbürgermeisterin Henriette Reker durch einen rechtsextremen Attentäter gezeigt. Gemeinsam mit allen demokratischen Kräften müssen wir uns den Feind*innen der Demokratie entschieden entgegen stellen.“

Wissen die Ratsmitglieder von Volt was sie tun?

Am Ende der Mitteilung schreibt die Ratsfraktion von Volt: „Ohnehin sehen wir es als kritisch an, dass Parteien das Vorschlagsrecht für die Spitze der Verwaltung haben. Denn Aufgabe der Verwaltung sollte es sein, zu verwalten und demokratische Beschlüsse umzusetzen, anstatt selbst politisch tätig zu werden.“

Das lässt aufhorchen. Denn diese vage – ja schon populistische – Aussage von Volt ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Was meint Volt mit „Spitze der Verwaltung“? Ist die Spitze das Amt des/der Oberbürgermeister*in? Sie/er wird von den Bürger*innen direkt gewählt und Volt stellte selbst einen Kandidaten mit Olivier Fuchs auf. Auch die parteilose Kandidat*in Henriette Reker wurde von den Grünen und der CDU unterstützt und agiert politisch im Spektrum dieser beiden Parteien, auch wenn sie selbst parteilos ist. Wer sollte denn nach Auffassung von Volt dann das Vorschlagsrecht haben und dies ausüben? Viele Ober- und Bürgermeister*innen besitzen ein Parteibuch und sind auf dem Ticket einer Partei ins Amt gewählt worden. War also die Verwaltungsspitze jemals unpolitisch?

Gehen wir auf die Ebene der Dezernent*innen. Volt will nicht mehr, dass Parteien die Dezernenten vorschlagen. Das ist interessant. Wer denn sonst? Der oder die Oberbürger*meisterin? Diese haben – die aktuell amtierende OB ist parteilos, aber von Grünen und CDU unterstützt – aber in der Regel die Wahl als Mitglied einer Partei gewonnen. Soll dann der/die OB*in einer Partei das alleinige Vorschlagsrecht bekommen? Formaljuristisch wären die Beigeordneten dann immer noch demokratisch legitimiert, solange der/die OB*in direkt gewählt ist. Aber ihre demokratische Legitimierung würde an Gewicht verlieren. Zudem bringen die Dezernent*innen sich an der Spitze fachlich und inhaltlich ein, bereiten Ratsentscheidungen vor, die dann von der Ratsmehrheit getragen werden. Genau hier findet doch der Bürgerwille Durchlässigkeit in die Verwaltung, indem politische Mehrheitsverhältnisse in der Stadtspitze repräsentiert sind und fachlich und inhaltlich die politisch gefärbten Entschlüsse des Rates umsetzen.

Wissen die Ratsmitglieder von Volt, dass sie mit ihrem Vorschlag überhaupt nicht dafür zuständig sind, sondern die Gemeindeordnung NRW ein Landesgesetz ist? Der Gesetzgeber ist der NRW-Landtag? Selbst wenn dieser im Sinne von Volt die Gemeindeordnung ändern würde, stünde diese Änderung unter dem Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit und der Frage, ob eine solche Änderung dem Demokratieprinzip entspricht.

Neben der Unzuständigkeit des Kölner Rates, die alleine den populistischen Ansatz einer solchen Forderung offen legt, würde dies den Ratsmitgliedern jede Kontrollfunktion nehmen. Die hat der Rat nach der Gemeindeordnung NRW jetzt. Erstens bestimmt der Rat die Zahl der Dezernate und ihrer Zuschnitte – Zitat § 71 GO NRW Abs. 1: „Die Zahl der Beigeordneten wird durch die Hauptsatzung festgelegt“. Das haben die Ratsmitglieder von Volt innerhalb ihres Ratsbündnisses aktuell gerade selbst getan. Und der Rat bestimmt die Geschäftskreise § 73 GO NRW: „Der Rat kann die Geschäftskreise der Beigeordneten im Einvernehmen mit dem Bürgermeister festlegen. Kommt ein Einvernehmen nicht zu Stande, kann der Rat den Geschäftskreis der Beigeordneten mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder festlegen. Bei Entscheidungen des Rates nach Satz 1 und 2 stimmt der Bürgermeister nicht mit.“ Dann wählt der Rat die kommunalen Wahlbeamten und damit einhergeht § 71 GO NRW Abs. 7: Der Rat kann Beigeordnete abberufen. (…).

Das ist die Kontrollfunktion des Rates. Will Volt diese nicht mehr ausüben und sich selbst entmachten? Wissen die Ratsmitglieder von Volt, was sie tun, warum sie in diesem Rat sitzen, was Aufgabe des Rates und damit ihre Aufgabe ist? Diese Pressemitteilung und vor allem die Äußerung zur Besetzung der Dezernate lässt daran zweifeln.

Autor: Andi Goral
Foto: Screenshots aus der Pressemitteilung von Volt am 25. Juli 2021.