Heute wären diese Stiche alle kriminell"
"Heute wären diese Stiche alle kriminell", sagte heute Silke Tofahrn, Kuratorin der neuen Sonderausstellung "Artisten der Linie". Denn die niederländischen Künstler wie Hendrick Goltzius, Jacob van Ruisdael und Rembrandt bedienten sich ungeniert an den Motiven ihrer Vorgänger. Goltzius etwa imitierte mit Geschick die Stile von Meistern wie Albrecht Dürer oder Lucas van Leyden. Er bediente sich ihrer Motive und entwickelte daraus eigene Werke, die er in seinem eigenen Verlag herausgab. Teilweise kombinierte er dabei auch mehrere Vorbilder in einer Arbeit. Auch wenn bereits damals eine Debatte darüber entbrannte, war diese Nachahmungs- und Verfremdungs-Technik im 16. Und 17. Jahrhundert durchaus Usus. Zum ersten Rechtsstreit kam es schließlich zwischen Dürer und dem italienischen Kupferstecher Marcantonio Raimondi. Letzterer hatte Dürers Werke nicht nur imitiert, sondern darunter auch dessen Siegel gesetzt. Nach dem Urteil durfte er zwar nicht mehr als Dürer unterzeichnen, dessen Werke abzumalen bleib jedoch erlaubt.
Diese Debatte um die Übersetzung der Motive zieht sich wie ein roter Faden durch die Sonderausstellung im Museum Wallraf. Dazu ist die Schau in vier verschiedene Motiv-Bereiche unterteilt, die die Epoche prägten. In einem ersten Bereich direkt am Eingang zeigt das Museum frühe Druckgraphiken von Hendrick Goltzius, in denen er sich mit der Technik anderer Künstler auseinandersetzte. In einem weiteren Abschnitt hängen spätere Werke von Goltzius. Nach seiner Italien-Reise imitierte er Darstellungen zum Thema der Verwandlung, entwickelte daraus jedoch eigene Kompositionen. Ein dritter Bereich zeigt Bildnisse und naturgetreue Porträts von adligen und bürgerlichen Auftraggebern. In einem letzten Abschnitt präsentiert das Wallraf abschließend die Landschaft als zentrales Thema der niederländischen Kunst. Dabei bestimmten zwei Strömungen das Genre: Die eine ist die topographische exakte Ansicht "nach dem Leben" gezeichnet, die zweite besteht aus phantastischen Landschaften, die Versatzstücke der Natur frei zusammenfügt.
Gezeigt werden die Druckgraphiken an farbenfrohen Wänden im Untergeschoss des Museum Wallraf
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"Die Ausstellung ist eine Herausforderung"
Möglich wurde die neue Sonderausstellung durch eine spontane Schenkung an das Museum Wallraf. Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Hauses 2011 entschloss sich der Berliner Sammler Christoph Müller recht spontan, dem Museum einige Druckgraphiken zu übergeben. Nach einem ersten Treffen einigten sich das Museum und der Sammler schließlich auf 108 Druckgraphiken. Sie alle sind nun, kaum ein halbes Jahr nach der Schenkung, in einer eigenen Sonderausstellung im Haus zu sehen. Ergänzt werden sie dabei durch über 80 Werke aus der eigenen Sammlung des Museums. Zusammen ermöglichen sie so einen Einblick in die niederländische Druckgraphik im 16. Und 17. Jahrhundert. Neben Werken von Goltzius zeigt die Schau auch Arbeiten von Jacob van Ruisdael, Jan Gillisz van Vliet und Rembrandt.
"Die Ausstellung ist eine Herausforderung an unsere Besucher", betonte heute Andreas Blüm, Direktor des Museum Wallraf. Denn die Fülle an fein gezeichneten Werken ist kaum an einem Nachmittag in Gänze zu erfassen. Besucher sollten daher unbedingt genügend Zeit und gerne auch Lupen mitbringen. Denn nur dann ließen sich die exakt gesetzten Strich und Punkte der Künstler erfassen. Abschrecken lassen sollte sich weniger in die Epoche vertiefte Kunstinteressierte dennoch nicht. Denn auch sie erhalten dank hilfreicher Texte und Erklärungen in der Ausstellungen einen ersten Überblick und Einblick in die Kunst der Graphik um 1600.
Infobox
Artisten der Linie
16. März bis 17. Juni 2012
Wallraf-Richartz-Museum & Foundation Corboud
Obenmarspforten
Öffnungszeiten:
Di bis So: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 10 bis 21 Uhr
Eintritt:
Erwachsene: 8,50 Euro
Ermäßigt: 6 Euro
Gruppenpreise: 7 Euro (pro Person, ab 20 Personen)
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