Köln Kann man sich die Kölner als daoistische Philosophen vorstellen? Die Antwort von hier aus scheint nahezuliegen: „Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet“. Damit brächte man sich allerdings um das Vergnügen, einigen der Lebensmaximen, die inzwischen als Kölsches Grundgesetz Berühmtheit erlangt haben, in einer weit über 2000 Jahre alten fernöstlichen Weisheitslehre wiederzubegegnen.
In seinem Essay erläutert Michael Wittschier, geschätzt als Verfasser fantasievoller Einführungen in die Philosophie ebenso wie als renommierter Philosophiedidaktiker, was das als Wu Wei bekannte „Tun ohne Tun“ des Laotse mit erfolgreich aufgeschobenen Fahrradreparaturen und maroden Rheinbrücken zu tun hat, was chinesische Denker wie Dschuang Dsi oder Menzius mit dem Kalker Schulrektor Heinrich Welsch oder mit Joseph Kardinal Frings verbindet. Klingt schräg? Wer weiß, woför et jot es?
Den Kölner und die kölsche Mentalität hat der gebürtige Südtiroler Konrad Beikircher in den vielen Jahren in seiner Wahlheimat am Rhein bestens kennengelernt. “Seit dem ich im rheinischen Universum lebe, hat sich bei mir der Verdacht verdichtet, es hier nicht mit Europäern zu tun zu haben. Die Verwandtschaft mit der buddhistisch und daoistisch geprägten Welt fiel mir in die Augen, als ich erkannte, wie sehr die Kölschen in der Gegenwart leben”, schreibt er in seinem Vorwort zum im Greven Verlag erschienenen Buch.
Dort stellt Michael Wittschier die wichtigsten Grundsätze der Kölner, den Erkenntnissen der großen fernöstlichen Lehrmeister und Philosophen wie Laotse, Dschuang Dsi, Menzius oder Konfuzius gegenüber. Dazu gehören “Et es, wie et es. Watt wellste mache?” genauso wie “Et kütt, wie et kütt. Nix bliev wie et wor” oder “Et hätt noch immer joot jejange. Watt fott ist, is fott”.
Die Parallelen zwischen dem asiatischen und dem kölschen Kosmos sind dabei frappierend. Die Menschen am Rhein leben genauso im Einklang mit dem Kosmos, wie die großen Gelehrten in fernöstlichen Ländern. Sie meistern ihr Leben hier wie dort mit reichlich Ruhe und Gelassenheit – das gilt auch beim Umgang mit überflüssigen Verbesserungsvorschlägen.
Und man zeigt viel Toleranz gegenüber anderen und lebt gerne im Einklang mit allen (”Jede Jeck is anders. Jet jeck simmer doch all”). Auch das Teilen mit anderen und der Respekt von anderen Menschen findet sich in beiden Welten wieder (”Drink doch eine met! Mer muss och jünne künne”). Und am Ende gilt für alle Lebenslagen “Hauptsach, et Hätz es joot”.
Michael Wittschier: Dao De Colonia – Das kölsche Grundgesetz und sein daoistisches Geheimnis, Greven-Verlag, 104 Seiten, 15 Euro