Das Archivfoto zeigt eine NPD-Fahne. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Karlsruhe | Die rechtsextreme NPD, die sich mittlerweile „Die Heimat“ nennt, ist für sechs Jahre von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen worden. Das teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag mit. Die politischen Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Den Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung für die Kleinpartei hatten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung 2019 gemeinsam gestellt. Sie bezogen sich dabei auf Artikel 21 des Grundgesetzes.

Das Gericht sah die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllt. Die Partei missachte die freiheitliche demokratische Grundordnung und sei nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet, hieß es zur Begründung. Sie ziele auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Staat. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde aller, die dieser ethnischen „Volksgemeinschaft“ nicht angehörten, und sei zudem mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.

„Dass die Partei auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgerichtet ist, wird insbesondere durch ihre Organisationsstruktur, ihre regelmäßige Teilnahme an Wahlen und sonstigen Aktivitäten sowie durch ihre Vernetzung mit nationalen und internationalen Akteuren des Rechtsradikalismus belegt“, so die Karlsruher Richter.

„Die Heimat“ hatte seit 2020 keine staatlichen Zuschüsse mehr bekommen, wegen zu wenigen Wählerstimmen bei Wahlen. Allerdings profitierte sie noch von Steuervorteilen.

Das Urteil war mit großer Spannung erwartet worden, weil sich davon Hinweise auf den Umgang mit der AfD versprochen wurden. Diese wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt in Teilen als gesichert rechtsextrem.

Faeser begrüßt Urteil zu Parteienfinanzierung 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausschluss des NPD-Nachfolgers „Die Heimat“ von der staatlichen Parteienfinanzierung. Von der Entscheidung gehe ein „klares Signal“ aus: „Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde“, sagte sie am Dienstag.

„Die Kräfte, die unsere Demokratie zersetzen und zerstören wollen, dürfen dafür keinen Cent an staatlichen Mitteln erhalten – weder direkt, noch indirekt durch steuerliche Begünstigungen“, ergänzte sie. Auch wenn die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren hoch blieben, habe man jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz der Demokratie.

„Diese Entscheidung fällt in eine Zeit, die eines erneut zeigt: Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie – und für Menschen in unserem Land“, so die Ministerin weiter. „Mehr als 900.000 Menschen sind am letzten Wochenende auf die Straßen gegangen, um unsere Demokratie zu verteidigen. Dass rechtsextreme Netzwerke Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft massenhaft aus Deutschland vertreiben wollen, das ist ein Angriff auf die Grundfesten unserer Gesellschaft, der viele Menschen in unserem Land aufgerüttelt hat.“

Man mache von den „Instrumenten unserer wehrhaften Demokratie“ Gebrauch, so Faeser. „Wir gehen entschieden gegen alle vor, die rechtsextremistischer Gewalt den Boden bereiten.“ Dafür brauche es „gut ausgestattete und äußerst wachsame Sicherheitsbehörden“ auf der einen Seite und eine „lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft“ auf der anderen Seite.

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich erfreut über das Urteil. Es unterstreiche, „dass unsere Demokratie wehrhaft ist. Verfassungsfeinde dürfen keine staatliche Finanzierung erhalten, das ist ganz klar“, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online.

„In dem Sinne könnte das Urteil auch eine Blaupause für andere verfassungsfeindliche Parteien in diesem Land sein. Das würde ich begrüßen“, fügte er hinzu.

Debatte über Folgen von Urteil zu NPD-Finanzierung   

SPD-Chefin Saskia Esken begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Streichung der staatlichen Parteienfinanzierung für die frühere NPD als „Signal“ in der Auseinandersetzung mit der AfD. „Dieses richtungsweisende Urteil wird uns in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Gefahr von heute hilfreich sein“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben).

„Das Urteil macht deutlich, dass und unter welchen klar definierten Voraussetzungen unsere Demokratie sich derer erwehren darf, die ihre Mittel missbrauchen wollen, um sie zu zerstören.“ Genau diese Wehrhaftigkeit hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Sinn gehabt. „Sie wollten sicherstellen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.“

Esken fügte hinzu: „Dieses Urteil ist ein wichtiges Signal für die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie und kommt genau zur richtigen Zeit.“ Wie dringend der Handlungsbedarf sei, zeigten die letzten Enthüllungen „über Deportationspläne der AfD, die unsere Familien, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Sportkameraden bedrohen“.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) reagierte zurückhaltend auf Vorschläge, perspektivisch auch Finanzmittel der AfD aus der staatlichen Parteifinanzierung zu streichen. „Man sollte beim Umgang mit der AfD ganz exakt auf das verfassungsrechtlich Notwendige und Mögliche schauen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien des demokratischen Zentrums sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren wollen, indem sie auf Mittel des Parteienrechts zurückgreifen“, sagte er dem TV-Sender „Welt“

Das müsse alles „rechtlich sauber“ erfolgen. „Denn die Auseinandersetzung mit der AfD muss eine politische sein“, so Lindner weiter. Da dürfe man keine Angst haben, sondern müsse Antworten geben auf die Fragen, „die die Menschen stellen, die sich der AfD zugewandt haben, insbesondere im Bereich der Migration, bei Bürokratie, bei der Frage, wie wir mit dem ländlichen Raum umgehen und auch bei der Freiheit der privaten Lebensführung“.

Er sei sich sicher, dass die Probleme gelöst werden müssten, die die AfD groß gemacht hätten. Viele Menschen warteten seit der Ära Merkel auf eine andere Migrationspolitik. Die komme jetzt, so Lindner. Jetzt gebe es in Europa den „Schutz der Außengrenze, Asylverfahren von außerhalb Europas, Abschiebegewahrsam in Deutschland“. „Wir schränken das Asylbewerberleistungsgesetz ein.“

All das solle dazu beitragen, „illegale Migration nach Deutschland zu unterbinden, Einwanderung in den Sozialstaat zu unterbinden und zugleich den weltoffenen Charakter unseres Landes zu bewahren“. Denn qualifizierte Einwanderer oder solche, die Schutz suchen, seien weiter „sehr willkommen“, sagte der FDP-Chef.

Die Chefin des CDU-Wirtschaftsflügels (MIT), Gitta Connemann, sieht keine Signalwirkung für ein AfD-Verbotsverfahren. „Das ist ein guter Tag für die Demokratie, Karlsruhe hat für Klarheit gesorgt, das Urteil ist allerdings keine juristische Handreichung für ein AfD-Verbotsverfahren“, sagte sie dem Nachrichtenportal T-Online.

Von der AfD kam unterdessen eine verhaltene Reaktion. „Das Urteil mag überzeugen“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende, Stephan Brandner. Er kenne die Programmatik der NPD „nicht im Detail“, aber sie lege es wohl „darauf an, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen“, fügte er hinzu. „Dann ist das Urteil, wie es ist.“

Als Blaupause für ein ähnliches Verfahren gegen die AfD sieht Brandner das Urteil nicht. Statt der AfD müssten die anderen Parteien ins Visier genommen werden, findet er. „Die AfD ist die Grundgesetzpartei, wir haben auch in der Coronazeit die Grundrechte hochgehalten. Die anderen nicht“, so Brandner. „Die haben das Grundgesetz mit Füßen getreten, jahrelang.“

Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich zeigte sich derweil zurückhaltend in dieser Frage. „Wir müssen uns das Urteil und die Begründung intensiv anschauen, um Schlussfolgerungen für andere verfassungsfeindliche Parteien zu ziehen“, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online. „Die Hürden für den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung sind jedoch ähnlich hoch wie bei einem Verbotsverfahren. Wir dürfen nicht dem Irrtum aufsitzen, dass es juristisch einfacher oder schneller wäre, Gelder zu entziehen.“

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen die NPD begrüßte Emmerich. „Die NPD ist eine neonazistische Partei“, sagte er. „Ihr Verbotsantrag ist nur gescheitert, weil es ihr an Einfluss und Relevanz fehlt. Es ist daher konsequent, dass die NPD von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen wird.“

Linken-Chefin Janine Wissler begrüßte das Urteil zur Finanzierung der NPD ebenfalls. „Es handelt sich um eine Partei, die offen rassistisch und antisemitisch agiert, die aus ihrer Nähe zur NS-Ideologie keinen Hehl macht und deren Mitglieder mitverantwortlich für Straßengewalt, rechten Terror und Übergriffe sind“, sagte sie dem Nachrichtenportal T-Online. Auch wenn der Einfluss der NPD zurückgegangen sei, sei es richtig, dass der Staat sie „nicht weiter mit Steuergeldern unterstützt“.

Ein ähnliches Vorgehen gegen die AfD hält Wissler für denkbar. „Ob dieses Instrument auch gegenüber der AfD angewendet werden kann, bedarf einer gründlichen Prüfung“, so die Linken-Chefin. „Die jüngsten Recherchen über die AfD und Deportationspläne sowie die Nähe zu den Reichsbürgern und die Verbindungen in die militante Nazi-Szene zeigen die Gefährlichkeit der AfD.“

Der Generalsekretär des neuen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), Christian Leye, sagte: „Ich finde es grundsätzlich richtig, dass eine rechtsextreme Partei von der Finanzierung durch eine Demokratie ausgeschlossen werden kann. Ich möchte gleichzeitig aber davor warnen, dieses Urteil als Blaupause in politischen Krisen zu nehmen.“

Um die ernsthafte demokratische Auseinandersetzung führe kein Weg drumherum, so Leye. Es sei das „Versagen der Ampel“, das zu den hohen Umfragewerten der AfD geführt habe. „Ein bisschen mehr Demut angesichts der eigenen Bilanz täte so einigen im politischen Berlin gut.“