Der exakte Aufbau der Verantwortlichkeiten
Sowohl der KVB Vorstand Fenske, als auch der von der KVB beauftragte Rechtsanwalt Dr. Gero Walter sprachen von belastbaren Zwischenergebnissen, die aber nicht die Unglücksursache erklären. Dennoch wurden Strukturen von Verantwortlichkeit deutlicher und klarer.


Der Fachanwalt für Baurecht untersuchte im Auftrag der Kölner Verkehrsbetriebe Verantwortlichkeiten, Verträge und Genehmigungen

Nach der Entwurfsplanung war ausschließlich die ARGE Los Süd, also die Unternehmen, die später gebaut haben, für die Ausführungsplanung zuständig. Das Vertragswerk zwischen KVB und ARGE regelt deutlich die Verantwortlichkeiten zur Ausführungsplanung und Bau. Verantwortlich war demnach ausschließlich die ARGE Los Süd für Sicherheit, Ausführung und auch gegenüber Dritten, wenn diese zu Schaden kommen. Damit lag während und nach der Ausführung die Kontrolle und Einhaltung von Normen und Bauweise alleine bei der ARGE. Dies ist die erste Stufe der Kontrolle. Die nächste Kontrollstufe ist die Bauüberwachung. Die nahm am Waidmarkt die KVB wahr, mit den Mitarbeitern des Amtes 69 der Stadt Köln, die man übernommen hatte. Die eigentliche Überwachung und Kontrolle aller Baustellen des Loses Süd lagbei der INGE PNS Köln, auch der Waidmarkt. Als Projektleitung fungierte die KVB, als Bauherr. Die KVB hatte vor allem zur Aufgabe Zielvorgaben zu definieren, Entscheidungen zu treffen und auch Kontrollfunktionen im eigenen Interesse wahrzunehmen. Damit ist vor allem eine Kontrolle ob das was man bestellt hat, auch von den Bau ausführenden Unternehmen geliefert wurde, gemeint. Die hoheitliche Aufgabe hat die Technische Aufsichtsbehörde Düsseldorf, die vor allem kontrolliert ob das Kontrollsystem der Baustelle richtig organisiert ist und dann auch funktionieren kann. Da alle Ebenen richtig aufgesetzt und funktionsfähig waren, geht man derzeit nicht von einem Organisationsverschulden aus, sondern von einem Verschulden einzelner Mitarbeiter.

Frage ob der Aushub ordnungsgemäß durchgeführt wurde
Dr. Gero Walter bestätigt die falschen Schlitzwandprotokolle und stellt die Frage, ob der Aushub ordnungsgemäß erfolgen konnte. Diesen Fehler, so Walter konnte keine Bauüberwachung finden, da man bei einem so renommierten Unternehmen wie Bilfinger und Berger derartige Manipulationen ausschließt. Um solche Fehler zu finden, hätte die Bauüberwachung auf allen Ebenen kriminalistische Spürsinn entwickeln müssen.

Bei der Bewehrung geht Dr. Walter davon aus, dass die KVB Bauleitung prüfen musste und die fehlenden Bügel hätte erkennen müssen. Dabei hat Walter festgestellt, dass die Bewehrungsprotokolle nicht gegengezeichnet waren. Auch bei der Kontrolle des Betons sieht die Bauüberwachung der KVB nicht gut aus. Auch bei den Betonage-Protokollen gäbe es Unstimmigkeiten. Die Betonprotokolle seien weder von der ARGE Bauleitung, aber auch nicht von der KVB Bauüberwachung unterschrieben worden, konstatiert Walter. Das bedeutet die KVB-Bauüberwachung hätte hier ordentlicher kontrollieren müssen.

Besonders spannend waren die Erläuterungen zum Thema Wasserhaltung in der Baustelle am Waidmarkt. Statt der vier genehmigten Brunnen gab es am Ende 23 Brunnen. Das ist nicht neu. Auf der einen Seite relativierte Walter diesen Fakt. Die Baustelle Waidmarkt umfasst 900 Quadratmeter. Da kann es sein, dass vier Brunnen auf der Fläche nicht ausreichend sind. Dennoch sagt der Baurechtler klipp und klar die ARGE hätte die nicht genehmigten Brunnen der Unteren Wasserbehörde anzeigen müssen. Viel wichtiger aber sei die geförderte Wassermenge und da las Dr. Walter spannende Zahlen vor. (Siehe Grafik). Bis November 2008 überschritt die Arge nicht die genehmigten Wasserzahlen. Ab Dezember 2008 allerdings schossen die Zahlen in die Höhe. Die INGE PNS hatte im Oktober 2008 angemahnt, dass die wasserrechtliche Genehmigung am Waidmarkt anzupassen sei. Aber nichts passierte. Die nächste turnusgemäße Meldung an die Bezirksregierung Köln zur Wasserhaltung hätte im Februar 2009 erfolgen müssen. Aber auch die erfolgte nicht. Nun mutmaßt man, dass die Bauüberwachung der KVB diesen Fakt nicht weiter verfolgte, weil ja schon die nächst höhere Instanz an diesem Thema dran war.

Baurechtler Walter stellt aber auch die Frage warum die Untere Wasserbehörde das was sie genehmigt hat nicht überprüfte? KVB-Vorstand Fenske betonte mehrfach, dass sowohl er als auch der Technik-Vorstand Walter Reinarz von diesem Fakt erst am 12.3.2009 erfuhren. Das bedeutet neun Tage nach dem Einsturz des städtischen Archivs. Auch die Überwachungsprotokolle Feinstoff im Wasser seien unbefriedigend, so Walter, die von der Brunnenbaufirma Konrad vorgelegt wurden. Auch hier hätte die KVB-Bauüberwachung überprüfen müssen, was aber anscheinend nicht geschah.

Am schwerwiegendsten wiegen aber die Aussagen zum Stadtarchiv. Im Oktober 2008 gab es an der Vorderseite 9 mm Setzungen. Auf der Rückseite des Archivs lagen die Setzungen bei 7 mm. Im Februar 2009 kam es dann auf der Rückseite des Archivs zu dramatischen Veränderungen, in sehr kurzer Zeit wurden die Setzungen schlimmer. Dagegen gab es auf der anderen Seite der Baustelle Waidmarkt gar keine Setzungen, weder am preußischen Tor, noch am Friedrich-Wilhelm Gymnasium. Das hätte auffallen müssen und analysiert werden müssen. Hier sieht Dr. Gero Walter eindeutig die ARGE in der Pflicht die laut Vertrag mit der Standsicherheit der Gebäude betraut war.


KVB Vorstand Fenske versprach die Aufklärung des Unglücks vom Waidmarkt "zügig, gründlich und umsichtig" voranzutreiben.

Vieles war bekannt, aber jetzt bestätigt der von der KVB beauftragte Baurechtler viele Fakten und stellt sie in die vertraglichen Zusammenhänge, so dass einige Fragen zu Verantwortlichkeiten neu zu prüfen sind. Bei allen Fakten muss deutlich gesagt werden, dass die Ursache des Einsturzes immer noch völlig unklar ist. Welche und ob überhaupt eine der jetzt vorgestellten Fakten für den Einsturz des Stadtarchivs verantwortlich ist, kann erst nach Klärung der Ursache letztendlich festgestellt werden.

[ag]