Frauen erobern sich ihr Leben
„Mädchen gehören zu den Bildungs-Gewinnern“, stellte Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters in seiner Begrüßungsrede fest. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sie im Vergleich zu ihren männlichen Artgenossen nicht nur aufgeholt, sondern sie in vielen Lebensbereichen bereits überholt. Nun sei es an de Zeit, auch die Lebenserfolge der Männer zu fördern, erklärte Roters. Mögliche Antworten auf die Frage, wie Männer künftig unterstützt werden sollten, gab heute Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance in Berlin. Er war als Redner zum Forum Familie 2011 in Köln eingeladen worden.

Hurrelmann ist ein deutscher Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler, der bereits selbst mehrere Studien zu diesem Thema durchgeführt hat. Dabei konnte er feststellen, dass die Leistungsschwäche der heutigen jungen Männer durchaus kein deutsches Phänomen ist. Weltweit würden sie den Frauen inzwischen in ihrem Lebenserfolg hinterherhinken. In Deutschland würden inzwischen fast doppelt so viele Männer die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen wie junge Frauen. Die eroberten heute auch immer mehr so genannte typische Männerberufe – auch dank der gesellschaftlichen Förderung in den vergangenen Jahrzehnten.

“Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
Hurrelmann macht gleich mehrere Ursachen für diese Wende innerhalb der Gesellschaft aus. So hätten sich Mädchen dank der Frauenbewegung inzwischen deutlich stärker von traditionellen Rollenbildern gelöst als Männer. Sie wollten heute das Rollenbild als Mutter und Familien-Mensch mit ihrer Karriere verbinden. Männer würden sich dagegen noch deutlich stärker an dem Rollenbild des starken Mannes orientieren. Dadurch würden sie sich selbst auch auf bestimmte, als typisch männlich geltende Berufe beschränken. Zudem gingen sie davon aus, dass ihnen der Erfolg ohne Anstrengung zufliege.

Darüber hinaus, so Hurrelmann, hätten junge Männer und junge Frauen sehr unterschiedliche Verhältnisse zu ihren Körpern, die sich ebenfalls auf die Leistungsfähigkeit auswirkten. Frauen würden durch ihre Pubertät und den Beginn der Menstruation ein sensibleres und bewusstes Verständnis für den Körper aufbauen. Zugleich würden sie sich bei Belastungen stärker auch anderen öffnen. Männer hingen dagegen noch an dem traditionellen Ideal an, Belastungen und Schmerzen heroisch zu ertragen – getreu nach dem Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Auf Überforderung reagierten sie öfter mit Aggression und Selbsttötung. So sei die Zahl der Selbsttötungsversuche bei Frauen zwar größer, die Zahl der tatsächlichen Selbsttötungen wäre jedoch bei jungen Männern höher.

Männliche Eigenheiten müssen erlaubt sein
Damit die Männer künftig nicht zurückfielen, sein hier nun eine ähnliche Förderung wie bei Mädchen gefordert, betonte Hurrelmann. Die vergangenen Jahrzehnte hätten gerade gezeigt, dass eine Förderung der Frauen erfolgreich verlaufen wäre. Langfristiges Ziel müsste es dabei sein, ein flexibleres Verständnis von Mann-Sein zu entwickeln, wie es heute auch für Frauen gelte. Dazu müssten nun zunächst die „männlichen“ Eigenarten etwa auch im Unterricht zugelassen werden. Junge Männer, forderte Hurrelmann, müssten auch im Unterricht „Mann“ sein dürfen – sprich sie müssten die Gelegenheit erhalten als machtvoll und überlegen aufzutreten.

Auch die typisch männliche Form der Aggression sollten zugelassen werden. Darüber hinaus sollten sie in ihrer Körpersensibilität gefördert werden und klare Regeln des Umgangs erlernen. Dies dürfe nicht nur im Unterricht geschehen. Vielmehr müsse ein spezifisch für Männer geeignetes Informations- und Beratungssystem aufgebaut werden. Dazu gehörten Notruftelefone, ein Netzwerk für Selbsthilfegruppen, psychologische Lebensberatung und Hilfe bei dem Umgang mit Stresssituationen.

Kölner Wege für Jungs
Das Forum Familie fand in diesem Jahr bereits zum fünften Mal statt. Die Veranstaltung ist die zentrale Plattform des Kölner Bündnisses für Familien, die in jedem Jahr Themen und Projekte aus dem Bereich Kinder, Jugend und Familie vorstellt. Relevante Fragestellungen werden mit Politikern, Fachleuten und Familien diskutiert. Das Forum sollte in diesem Jahr zudem Auftakt für ein längerfristiges Projekt unter dem Namen „Kölner Wege für Jungs“ werden.

[cs]