Aape und Schlangenmenschen
Denn, der erste Veedelszug zog erstmalig im Jahr 1933 durch Köln. Und gleich im ersten Jahr gewann der "Stammtisch Nie gehässig" den 1. Preis der Jury. Drei Jahre hintereinander waren, der aus Köln-Mülheim stammende Stammtisch, von diesem Platz nicht zu verdrängen und erhielt 1936 sogar einen Ehrenpokal der Stadt Köln, den man heute noch liebevoll hegt und pflegt. Insgesamt sechs Mal belegte man in der Vereinsgeschichte den ersten Platz und war ansonsten immer unter den ersten Zehn platziert, so Georg Johannsen. 1933 widmete man sich dem Thema "Kummedemächer", also der Kommödie, dem Theater und trug einen Schlangenmenschen im Koffer um den Wagen, öffnete immer wieder den Koffer, der Schlangenmensch entstieg und bestieg sehr zur Freude des Publikums den Koffer. Im darauffolgenden Jahr hatte man ein tierisches Thema auf Lager: "Wir machen Euch den Aap". Also den Affen, baute auf dem Wagen einen riesigen Käfig und gab sich vor dem versammelten jecken Publikum des Jahres 1934 dem Rollenspiel Affenkäfig hin, mit hüpfen und wildem Geschrei.

Wagenbaumodelle aus Legosteinen
Georg Johannsen erklärt, dass sich daraus schon ein Grundprinzip entwickelte. Es gibt kein Jahr in dem man den gleichen Wagen oder Versatzstücke des Wagens aus dem Vorjahr nutzt. Jedes Jahr wird der gesamte Wagen komplett neu aufgebaut. Welches Thema man bespielt und wie der Wagen aussehen wird, bestimmt die Gruppe basisdemokratisch. Am Anfang steht das Brainstorming, Ideen werden gesammelt, die beste herausgefiltert. Dann kommt die Stunde von Wagenbauer Helmut Schmetz. Der zaubert aus den Ideen eine Visualisierung am Computer und bastelt ein Modell. Da kommen alle Materialien bis hin zu Legosteinen zum Einsatz. Auch das hat Tradition, baute der alte Wagenbaumeister seine Modelle aus Streichhölzern und Holz. Dieses Modell besprechen die Freunde des Stammtisches "Nie gehässig", diskutieren, verbessern und optimieren. Dann bauen alle Mitglieder das große Objekt, mit dem es dann auch in den Zug geht. Auch das ist nicht immer ganz einfach, so berichtet Georg Johannsen, dass man in einem Jahr durch einen Sturm fast den ganzen Wagendekor verloren hatte und diesen in letzter Sekunde mit Silikon aus dem Baumarkt wieder befestigt bekommen hat. Allerdings war der Abbau dann entsprechend mühselig.

Ideen muss man haben
1992 etwa machte man die "Welle" mit einem 38 Meter langen Tuch. Die Idee von Georg Johannsen entsprang bei einem Stammtisch und der Prototyp war die Tischdecke des Tisches an dem man gerade tagte. Faszination Fastelovend nennt Johannsen diese überbordende Jeckness. Und bei soviel Mühe ist man natürlich auch traditionell beim Mülheimer Dienstagszug vertreten. Aber auch im Sommer ist man aktiv, etwa am 2. August beim traditionellen Patenschaftsfest Mülheimer Schiffahrtsbrunnen und am 25.10 feiert man eine große Jubiläumssitzung zum 80sten Geburtstag des Vereins.

Zwar werden die Dekorationen, Wagen und Kostümierungen der einzelnen Gruppen immer aufwendiger und phantasievoller, so Dr. Werner Schäffke vom Kölnischen Stadtmuseum, aber der Veedelszug bleibt der Zug des Volkes aus dem Volk. Und das macht seinen ganz Besonderen Reiz aus.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung