Report-k.de: Seit wann und wo gibt es das Internetportal "abgeordnetenwatch.de" bereits?
Thomas Hegenbarth: Das Projekt entstand 2004 im Rahmen der Wahl in Hamburg als Befragungsplattform der Wahlkandidaten und Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft. Vorausgegangen waren, nach einer Volksabstimmung über das neue Hamburger Wahlrecht, immer wieder der Wunsch nach offenen Fragen und Antworten für alle einsichtig im Internet.
Mittlerweile gibt es AW für den Bundestag seit Ende 2006, für den Bayerischen Landtag seit Oktober 2009, für den Landtag BW seit April 2010 und für den Landtag Nordrhein-Westfalen seit Mai 2010 sowie für das EU-Parlament seit September 2007. Daneben können seit kurzem aber auch in Kommunen die Stadt- und Gemeinderäte befragt werden z.b in Dresden, Leipzig, Stuttgart, Mainz etc. aber auch in unseren Nachbarstädten Bonn und Leverkusen gibt es das Projekt seit diesem Jahr.

Wann soll das Portal in Köln starten?
Laut unseren Informationen ist die Datenerfassung abgeschlossen und das Portal wird in den nächsten Wochen eingestellt. Die Daten stammen alle aus öffentlich zugänglichen Informationen wie dem Ratsinformationssytem der Stadt Köln das für jeden frei zugängliche Informationen im Internet zur Verfügung stellt. Vor dem Start wird abgeordnetenwatch als erstes alle Mitglieder des Rates per e-Mail oder telefonisch informieren, begrüßen und in in die Nutzung einführen. Im weiteren wird darum gebeten die Profile auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Bemerkt sei übrigens, dass sich die Ratsmitglieder bei AW nicht „abmelden“ können, ob und wie sie die Fragen beantworten steht ihnen jedoch frei!

Sie sind stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Köln. Inwiefern wirken Sie an dem Portal mit? Wie lässt sich die von Ihnen ausgerufene Überparteilichkeit und politische Neutralität von "abgeordnetenwatch.de gewährleisten? Wer betriebt das Portal?
Klar und eindeutig: abgeordnetenwatch.de und Parlamentwatch e.V. sind überparteilich. Betrieben wird das Portal von dem gemeinnützigen Parlamentwatch e.V., der sich vor allem durch einmalige und regelmäßige Spenden finanziert. Die Überparteilichkeit wird von einem Kuratorium überwacht. AW achtet streng darauf, dass keine parteipolitische Färbung, in welcher Richtung auch immer, angenommen wird! Es besteht zwischen der Piratenpartei Köln und AW nur das gemeinsame Interesse für mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz in der Politik. Es ist jedoch  einer Initiative und Anfrage der PIRATENPARTEI Köln bei AW zu verdanken, dass Köln kein weißer Fleck auf der Landkarte der Onlinedemokratie bleiben wird.

Welche Idee verfolgen Sie mit dem Projekt?
Wir stehen gemeinsam in einer Reihe auch prominenter Unterstützer und erspare mir deren Aufzählung und Engagement, aber viel besser als wie die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Schirmherrin des Projekts, Prof. Dr. Jutta Limbach könnten auch wir das Ziel und die Idee hinter AW, und anderer Initiativen, nicht formulieren.
Zitat: „Initiativen wie abgeordnetenwatch.de machen Politiker empfänglicher für gesellschaftliche Probleme und Bedürfnisse und sorgen damit auch für einen Legitimitätsgewinn der Entscheidungen selbst" "Bei allem Respekt gegenüber der parlamentarischen Entscheidungshoheit gilt schließlich: alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."

Richten Sie für alle Abgeordneten ein Portal ein? Wie gehen Sie mit Fraktionen um, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden – etwa die Linken oder die als rechtextrem geltende Bürgerbewegung "Pro Köln"?
AW macht aufgrund seiner Überparteilichkeit keine Ausnahme bei gewählten Ratsmitgliedern. Unabhängig davon gibt es einen Codex in dem Fragen die Gewaltherrschaft, Rassismus, Sexismus sowie politische und religiöse Verfolgung vertreten oder deren Opfer missachten und verhöhnen, Beiträge mit Beleidigungen, Beschimpfungen und menschenverachtenden Formulierungen, Fragen zum Privatleben, Fragen die unter eine berufliche Schweigepflicht fallen usw. geprüft und nicht veröffentlicht werden. Bei Verstößen gegen diesen Codex können einzelne aber auch eine gesamte Partei ausgeschlossen werden.

Welche Erfahrungen haben Sie bereits in anderen deutschen Städten gesammelt? Wie wird das Portal dort von Bürgern angenommen?
AW für Kommunen gibt es erst seit diesem Jahr. Meines Wissens nach gibt es in über 12  Kommunen in Deutschland die Möglichkeit Stadt- und Gemeinderäte zu befragen. Hier kann ich natürlich nur das weitergeben was an öffentlichen Infos abrufbar ist, so wurden z.B. in Stuttgart in den ersten 100 Tagen die Ratsvertreter 22 mal öffentlich befragt.

Welche Themen interessieren die Bürger am meisten? Wie lange müssen sie durchschnittlich auf eine Antwort warten?
Klar, aktuelle Themen und deren Protagonisten stehen immer im Fokus. Allerdings gibt diese Plattform die Möglichkeit immer und jederzeit unsere Ratsvertreter auch zu nicht ganz so aktuellen oder nur sehr lokalen Problemen zu befragen. Sei es wegen geplanter Schließungen von Hallenbädern oder auch nur den geplanten Änderungen eines Bebauungsplanes in Worringen. Die Beantwortung der Fragen liegt natürlich ausnahmslos am Ratsvertreter selbst! Erfahrungsgemäß liegt die „Wartezeit“ zwischen einigen Stunden und einigen Tagen.

Wie reagieren die Politiker auf das Portal? Wie hoch ist die Beteiligung?
Das Angebot von AW wird überwiegend positiv aufgenommen. Diese Plattform ist aus unserer Sicht eine ideale Ergänzung für Ratsvertreter und Abgeordnete mit dem Bürger, über die traditionellen Kommunikationswege hinaus, in Kontakt treten zu können um parteiliche Inhalte noch besser vortragen zu können. Mit monatlich fast 400.000 Besucherinnen und Besuchern sowie gut 4 Mio. Seitenabrufen ist abgeordnetenwatch.de  deutschlandweit das größte politische Dialogportal. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen die aus diversen Gründen die Zusammenarbeit mit AW verweigern oder einfach nur ignorieren. So gibt es bei einer Minderheit Bedenken hinsichtlich der Finanzierung, des Datenschutzes oder schlichtweg des benötigten Zeitaufwandes. Aus unserer Sicht alles Argumente die bei näherer Betrachtung nicht wirklich einer Zusammenarbeit im Wege stehen.

Wie finanziert sich "abgeordnetenwatch.de?
An der Stelle zitiere ich mal aus deren Webseite, da es zu diesem Punkt schon diverse Missverständnisse und Unterstellungen gab: „Finanziert wird abgeordnetenwatch.de mit Unterstützung der gemeinnützigen BonVenture GmbH aus München. Mittelfristiges Ziel ist es, die laufenden Projektkosten durch den Aufbau eines Förderkreises und das Angebot von Werbung, die unsere Nutzer aber auf Wunsch ausblenden können, zu finanzieren. Dazu haben wir die Parlamentwatch GmbH gegründet, die sich verpflichtet sämtliche Gewinne gemeinnützig zu spenden.“

Herr Hegenbarth, wir danken Ihnen für das gespräch. Das Interview führte Cornelia Schlößer für report-k.de | Kölns Internetzeitung

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