Judith Joy Ross spricht am 26.9.2011, 19 Uhr im Saal 1 OG im Mediapark 7 in Zusammenarbeit mit dem Amerika Haus NRW über Ihre Arbeiten

Die große Holz-Kamera als Lockmittel
„Meine große und schöne Kamera aus Holz ist eigentlich eine Falle. Ich spreche die Menschen mit ihr im Schlepptau an. Und wir Amerikaner, anders als die Europäer, die eher das Private suchen, sind von uns und unserer Schönheit überzeugt und lieben daher Fotos von uns. Dazu bin ich sehr enthusiastisch wenn ich meine Porträtkandidaten anspreche, sage Ihnen wie schön sie sind.“, beschreibt Judith Joy Ross ihre Arbeitsweise und wie sie ihre Protagonisten aufspürt und zur Fotoaudienz bittet. Die Amerikanerin fotografiert Menschen, aber nie einfach nur so, sondern immer in einem Zusammenhang. Der kann politisch sein, wie ihre Serie am Vietnam War Memorial in Washington, ihre Arbeit mit Kongressabgeordneten, Kriegsgegnern oder aus dem Alltag genommen, wie die Serie „Jobs“. 20 Serien zeigt die SK Stiftung Kultur. Heute Morgen führte die Künstlerin kurz durch die Retrospektive, die heute Abend eröffnet wird.

Judith Joy Ross bleibt zunächst auch bei der heutigen Preview im Hintergrund hört aufmerksam zu, als von Ihrer Arbeit gesprochen wird. Als sie anfängt über ihre Arbeit zu sprechen versprüht sie eine unglaubliche Energie im Raum und regt zum Nachdenken an. Im Rahmen der Ausstellung wird es auch eine Lecture mit der Künstlerin geben. Die Fotos von Judith Joy Ross sind Schwarz-Weiss Aufnahmen und entrücken im digitalen Zeitalter ein wenig die Fotos. Sie entstehen mit der Großbildkamera. Mit der Großbildkamera, weil eines ihrer Vorbilder August Sander ist und sie fotografieren möchte wie er. Hier schließt sich der Kreis zwischen Pennsylvania in der amerikanischen Provinz und Köln und der Stiftung.

Die Porträts von Judith Joy Ross, ganz besonders die der amerikanischen Kongressabgeordneten faszinieren. Wer sich zurückhalten kann und nicht erst die Schildchen unter den Fotos liest und sich selbst fragt, Demokrat oder Republikaner erlebt spannende Momente vor den Fotos. Die Fotografin sagt ich bin Demokratin. 15 Minuten Zeit hatte die Künstlerin für Ihre Porträts im Kongress. Wenig Zeit für Aufnahmen mit der großen Kamera. Gezeigt werden auch die Schreiben, die die Fotografin zuvor an die Mitglieder des Abgeordnetenhauses geschickt hat, die Presseausweise. „Ich mache immer nur drei Fotos, ich will die Menschen ja nicht quälen und sage, so das ist das Erste, machen wir noch ein Zweites und lassen sie mich noch ein drittes ausprobieren“, so die Künstlerin. Begonnen hat Ross im Jahre 1982, nach einem persönlichen Schicksalsschlag, als ihr Vater starb. Sie kehrte zurück an die Orte ihrer Kindheit, in den Eurana Park, fotografierte dort Kinder und Jugendliche. Später folgten Reihen wie „Portraits at the Vietnam Veterans Memorial“ aus den Jahren 1983/1984, „US Army Reserve“ oder „Pathmark“ um nur einige zu nennen. Da Ross nie aus dem Zusammenhang arbeitet lohnt es sich die Begleittexte zu lesen. Ross ist eine politische Künstlerin und eine einfühlsame zugleich, die sich auch mit psychologischen Themen wie Schmerz fotografisch auf sehr intensive Weise auseinandersetzt. Die jetzt gezeigte Retrospective von Judith Joy Ross ist in Zusammenarbeit mit der Künstlerin, die seit ungefähr 10 Jahren in der Sammlung der SK Stiftung Kultur auch mit Arbeiten vertreten ist, entstanden. Dabei ist es gelungen eine atmosphärisch dichte Welt des Amerikas der letzten 30 Jahre zusammenzutragen und zu zeigen. Die Ausstellung lässt einen über Geschichte, die man selbst erlebt hat, etwa die Zeit des Amerikas von Ronald Reagan intensiv reflektieren, erweitert dabei den Horizont und lässt uns einen Moment innehalten im ständigen Mit dabei sein und Vergessen.


Jean-Paul Deridder erklärt Judith Joy Ross dass er nur mit einer kleinen und nicht so schönen großen Holzkamera seine Aufnahmen in Berlin gemacht hat.

Stadt der Kinder
Das verbindende Element mit der Ausstellung die in Raum 2 gezeigt wird ist, die fotografische Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen. Bei Judith Joy Ross sehen wir Kinder und Jugendliche im Porträt, bei Jean-Paul Deridder nur ihre Kreationen auf Zeit. Einmal Amerika, einmal Berlin. In Stadt der Kinder hat Jean-Paul Deridder einen Abenteuerspielplatz mitten in Berlin an der Alte Schönhauser Straße über Jahre besucht und sein Wachsen, aber auch seine Zerstörung, fotografisch dokumentiert. Kinder und Jugendliche konnten auf der Brachfläche Hütten, Spielgeräte oder Brücken nach eigenen Vorstellungen realisieren. Die Baumaterialien dazu hatten sie sich auf umliegenden Baustellen schenken lassen. In den Bilderserien von Jean-Paul Deridder sind die Kinder nicht zu sehen, sondern nur ihre Werke.

12 Jahre lang hat der Fotokünstler das Gelände immer wieder aufgesucht und mit seiner Kamera diesen Mikrokosmos dokumentiert. Auch er arbeitete Schwarz-Weiß. Mittlerweile gibt es das Gelände nicht mehr in dieser Form, sondern es ist wieder eine Brachfläche, die darauf wartet bebaut zu werden. Jean-Paul Deridder erzählt, dass es als er anfing in Berlin zu fotografieren, viele dieser Brachflächen gab, die auch offen zugänglich waren. Heute gäbe es immer noch viele frei Flächen, aber diese seien mit hohen Bretterzäunen verschlossen, so der Künstler bei der Preview. Rund 75 Arbeiten werden aus dem Fundus vorgestellt.

In Raum 3 der SK Stiftung Kultur im Mediapark sind Arbeiten von Cuny Janssen zu finden. Sie bringt Landschaften und Kinder zusammen und ergänzt somit den roten Faden, den ihre beiden Kollegen begonnen haben. Es sind etwa Aufnahmen von Kindern in der Landschaft, etwa von Kindern in Mazedonien, die an ihren Kriegstraumata litten. Ihre Serien, die auch von der Photographischen Sammlung gesammelt werden, entstanden an den unterschiedlichsten Orten, wie im Iran, Amami Japan oder Oklahoma in den USA. Dabei sucht sie auch die intensive Nähe zu den Porträtierten, wohnt teilweise sogar für eine Zeit mit ihnen zusammen.

Alle drei Ausstellungen zusammgenommen ein Muss-Termin für Fotofans. Spannend dürften auch die angebotenen Möglichkeiten mit den Künstlern persönlich ins Gespräch zu kommen sein.

Die Ausstellungen der Stiftung SK Kultur
Raum 1
Judith Joy Ross
Photographien seit 1982
24.9.2011-5.2.2012
Vortrag von Judith Joy Ross: 26.9.2011, 19 Uhr
Saal 1 OG im Mediapark 7 in Zusammenarbeit mit dem Amerika Haus NRW

Raum 2
Jean-Paul Deridder: „Stadt der Kinder“
24.9.2011-27.11.2011
Künstlerführung mit Jean-Paul Deridder am 13.102.2011 um 19 Uhr

Ausstellungswechsel

William Guerrieri
Il Viaggio/The Village
2.12.2012-5.2.2012
Künstlerführung mit William Guerrieri am 3.12.2011 um 15 Uhr

Raum 3
Cunny Jannsen: Portraits und Landschaften
24.9.2011-5.2.2012

Alle Ausstellungen in der
SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7
50670 Köln
Tägl. Außer Mittwoch
14-19 Uhr, Eintritt: 4,50 Euro | ermäßigt:  2 Euro
Montag freier Eintritt
24., 25., 26., 31.12. und 1.1.2012 geschlossen

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