Köln | „Vorsicht das Fahrzeug biegt rechts ab – bitte Abstand halten“, dazu ein penetranter Ton aus einem Lautsprecher angebracht auf einem Müllaster aus Siegen. Diesen und den toten Winkel zeigte heute die Kölner Polizei auf dem Chlodwigplatz. Die Beamten wollen in den nächsten Wochen verstärkt alle Verkehrsteilnehmer auf die Gefahren bei Abbiegevorgängen sensibilisieren. Zum einen weil die dunkle Jahreszeit beginnt, zum anderen weil es zwei sehr schwere Unfälle zwischen LKW und Radfahrern gab. Der Fahrradverband ADFC hat dazu bereits Stellung bezogen. Sie finden die Stellungnahme im Wortlaut am Ende des Artikels. Der Fahrradverband spricht von einem „Mythos toter Winkel“.

— — —

Auf der Facebookseite von report-K finden Sie ein Video des sprechenden LKW >

— — —

LKW spricht mit Fußgängern und Radfahrern

Der Fahrer des Siegener LKW berichtete gegenüber report-K, dass vor allem Fußgänger auf den Ton reagierten. Der LKW ist im Testbetrieb in Siegen eingesetzt. Setzt der Fahrer den Blinker rechts, dann warnt die Stimme und der Piepston. Man teste gerade noch die Lautstärke, so der Fahrer, der sich nicht negativ über den Warnhinweis äußerte, aber auch einräumte, dass es natürlich in Siegen wesentlich weniger Verkehr gebe, als in Köln. Der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers merkte an, dass es einen leichten Rückgang der Fahrradunfälle insgesamt um 1,6 Prozent gegeben habe. Gerade die Unfälle zwischen LKW und Radfahrern führten aber häufig zu schwersten Folgen und menschlichem Leid. Der Leiter der Verkehrsdirektion Lotz erläuterte dazu, dass es weniger Unfälle zwischen LKW und Radfahrern gebe als zwischen PKW-Radfahrern. In der Schuldfrage sei es so, dass diese annähernd zu 50 Prozent gleich verteilt sei. Bei Radfahrern läge dies an der Nichtnutzung von Radwegen, fahren in die falsche Richtung auf Radwegen und Einbahnstraßen und Probleme bei der Vorfahrt. Bei den Führern von Kraftfahrzeugen sei der Abbiegevorgang, einfahren in den fließenden Verkehr oder das Öffnen der Tür beim ruhenden Verkehr die häufigsten Ursachen für das Verschulden eines Unfalles.

31 Radfahrer in fünf Jahren getötet

Von 2010 bis 2015 seien 31 Radfahrer bei Unfällen in Köln getötet worden. In 20 Fällen sei festgestellt worden, dass der Radfahrer Schuld getragen habe, in 10 Fällen Kraftfahrzeugführer. In fünf Fällen war ein LKW-Fahrer schuld, in fünf ein PKW-Fahrer. Alle LKW-Unfälle waren Folgen des Toten Winkels, also des Teils, den der Lenkende nicht einsehen könne. In einem Fall gab es einen Unfall zwischen zwei Radfahrern, der tödlich endete. Bei 12.000 Unfällen insgesamt an denen Radfahrer beteiligt waren, seien 98 dem toten Winkel zuzuschreiben, so Lotz. Albers machte eindringlich deutlich, dass es wichtig sei, dass alle Verkehrsteilnehmer hoch konzentriert seien im Verkehr. Dies gelte für Führer von Fahrzeugen genauso, wie für Fußgänger. Gerade beim Abbiegevorgang oder wenn man eine Kreuzung quere. Albers bat alle Verkehrsteilnehmer mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen.

Man müsse sicher sein, dass man immer den Rundumblick für die Verkehrssituation habe, so Albers und vorausschauend agieren, aber auch den Blinker setzen, um andere Verkehrsteilnehmer frühzeitig über seine Absichten zu informieren. Bei PKW-Fahrern gelte es auch immer den Schulterblick beim Abbiegen zu machen und sich nicht auf seine Spiegel zu verlassen. Albers mahnte auch ein wenig mehr Verständnis für LKW-Fahrer an. Diese müssten mittlerweile so viele Spiegel im Blick halten, dass wenn sie beim letzten fertig seien, sie beim ersten wieder anfangen könnten. Albers Appell: „Rechnen Sie mit den Fehlern der anderen und verzichten Sie im Zweifel auf ihr Vorrecht.“

Mehr Kontrollen zur dunklen Jahreszeit

Die Kölner Polizei wird jetzt zum Beginn der dunklen Jahreszeit ihre Kontrollen und Aktivitäten verstärken. LKW-Fahrer, PKW-Fahrer und Radfahrer werden kontrolliert. Da es keine echten Unfallschwerpunkte gebe, könne man keine Schwerpunktkontrollen durchführen, sondern werde über das gesamte Stadtgebiet verteilt kontrollieren, so Lotz. Man werde sich intensiv um Stellen bemühen, die baulich zu unübersichtlichen Verkehrssituationen führten. Die Polizei ist hier offen für Hinweise aus der Bevölkerung. Auch in der Kooperation mit den Fahrradverbänden gehe die Arbeit an Velo 2010 voran und man mache gute Fortschritte, diese wieder zu beleben. Reinhold Goss hat privat eine Petition ans Laufen gebracht: „Ringe frei“ heißt seine Initiative. Es geht um die sofortige Aufhebung der Benutzungspflicht der Radwege auf den Kölner Ringen. Schon 1.300 Radfahrer haben sich beteiligt. (http://bit.ly/1Q4fmfo). Die Bezirksvertretung Innenstadt habe versprochen sich des Themas anzunehmen und es sei auch Thema im AVR, dem Beschwerdeausschuss des Kölner Rates, so Goss.

[infobox]

Stellungnahme des ADFC Köln

(im Wortlaut, kursiv gesetzt)

„Seit vielen Jahren sind EU-weit Spiegelsysteme vorgeschrieben, die den sogenannten Toten Winkel eliminieren. Es werden von Logistikern und der Polizei immer wieder Veranstaltungen mit einer großen Plane durchgeführt, die anzeigen soll, welche Bereiche vom LKW-Fahrer nicht gesehen werden. So auch heute.

Der Radverkehrssprecher des ADFC Köln Christoph Schmidt sagt dazu: „Sind alle seit vielen Jahren vorgeschriebenen Spiegel vorhanden und richtig eingestellt, ist der ‚Tote Winkel‘ vollständig ausgeleuchtet. Die Konzeption solcher Veranstaltungen beruht daher auf den Spiegelvorschriften aus den 70er Jahren.“

Aus Sicht des ADFC muss hier dringend ein Umdenken in den Behörden stattfinden. Schmidt: „Wir würden uns wünschen, dass die Spiegel der Nutzfahrzeuge von der Kölner Polizei regelmäßig an Aktionstagen und im polizeilichen Alltag kontrolliert werden, statt weiterhin Unfallopfer indirekt die Verantwortung für die schrecklichen Unfälle zu geben.“

Rechtsabbiegeunfälle passieren allerdings nicht nur mit Nutzfahrzeugen. Radfahrern wird auch von abbiegenden PKW regelmäßig die Vorfahrt genommen. „Hier würde es helfen, wenn die Polizei gezielt den Schulterblick überprüfen würde.“ so Schmidt. „Und die Stadt Köln muss endlich die Benutzungspflicht für die Radwege aufheben, wie es das Gesetz schon seit 2008 vorschreibt.“ Viele Unfälle entstehen erst, weil die Radfahrer in Köln auf Radwegen und hinter parkenden Autos versteckt werden. Der ADFC Köln unterstützt hierzu die Online-Petition „#RingFrei“, die sich für eine Erhöhung der Radverkehrssicherheit an den Kölner Ringen einsetzt. Bereits über 1.300 Radfahrer fordern hier Tempo 30 und endlich auf der Fahrbahn statt auf dem gefährlichen Radweg fahren zu dürfen. Nur Radfahrer, die gesehen werden, sind sicher unterwegs.

— — —
Orientierungshilfe zur Spiegeleinstellung der DEKRA >

— — —

Online-Petition „#RingFrei“ >

[/infobox]

Autor: Andi Goral
Foto: Der tote Winkel bei LKW auf der Beifahrerseite