Köln | aktualisiert | Beim Kölner Polizeipräsidium wird binnen weniger Tage ein zweiter Skandal bekannt: Nach Recherchen der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe) hat das Polizeipräsidium die Kölner Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) einen Kollegen massiv misshandelt haben sollen. Mittlerweile hat Polizeipräsident Wolfgang Albers Stellung bezogen, NRW-Innenminister Jäger hat landesweite Inspektionen bei SEK-Teams angekündigt. 

Den Vorwürfen zufolge fesselten die Elite-Polizisten ihren Kollegen im Rahmen eines Aufnahmerituals über Tage hinweg – überwiegend an einen Kollegen. Ein Polizeisprecher sagte der „Rheinischen Post“: „Nach Bekanntwerden der Vorwürfe ist der Vorgang über das zuständige Kriminalkommissariat 32 an die Staatsanwaltschaft Köln zur Prüfung abgegeben worden.“

Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums erklärte: „Wir gehen gegen solche inakzeptablen Aufnahmerituale beim SEK konsequent vor. Es war deshalb notwendig, dass die Polizeiführung Köln eine Einheit von ihren Aufgaben entbunden hat.“ In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass eine angebliche „Höhenübung“ des Kölner SEK offenbar nur den Zweck hatte, aus einem Polizeihubschrauber heraus führende Kräfte Kölner Spezialeinheiten auf einem Brückenpfeiler der Kölner Severinsbrücke zu fotografieren. Auch in diesem Fall prüft die Kölner Staatsanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen, wie ein Sprecher der Zeitung sagte.

Aktualisierung 23.6.2015, 16:40 Uhr

Polizeipräsident Albers nimmt Stellung

Der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers hat heute zu den Vorwürfen Stellung genommen, die gegen Beamte und Führungskräfte der Spezialeinheiten der Kölner Polizei erhoben werden. Inhaltlich äußerte sich Albers nicht und stellt klar, dass es sich gegenwärtig im zweiten Fall um Beschuldigungen eines mutmaßlichen Opfers handele und dass diese Beschuldigungen aufgeklärt werden müssten. Auch im ersten Fall seien die Ermittlungen noch im Gang. Mit diesen Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft Köln betraut. Die polizeilichen Maßnahmen bei diesen Ermittlungen liegen aber nicht mehr in Köln sondern wurden dem Polizeipräsidium in Düsseldorf übertragen.

Im ersten Fall, bei dem sich Führungskräfte der Kölner Spezialeinheiten auf dem Pylon der Severinsbrücke aus einem Polizeihubschrauber aus ablichten ließen, wird wegen Untreue ermittelt. Im zweiten Fall in dem es um bizarre Aufnahmerituale im Kölner SEK Kommando 3 geht, wird wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung ermittelt. Auch auf dem Pylon soll sich zumindest eine Führungskraft des SEK Kommandos 3 befunden haben. Bei der Kölner Polizei legt man Wert darauf, dass dieses SEK Kommando 3 und ihre Mitglieder derzeit nicht suspendiert ist, sondern lediglich nicht in das Einsatzgeschehen eingebunden ist. Die Beamten würden üben und fortgebildet. Es gebe aber landesweit genügend Spezialeinheiten.

Grundgesetz als Richtschnur

Einen besonderen Kodex oder Compliance-Regeln gebe es nicht für die SEK-Einheiten, so das NRW-Innenministerium, denn die Beamten dort hätten auf das Grundgesetz geschworen und dort seien auch die Menschenrechte verankert. Auch das Beamtenrecht, die Ausbildung und die Führungsregeln wären entsprechend ausformuliert, so dass es keiner besonderer Regeln bedürfe. Albers betonte heute in seiner Stellungnahme, dass er derzeit keine Vorverurteilung der Beamten des Kölner SEK-Kommandos 3 vornehme, sondern lediglich seine Position klar darstellen möchte. Er dankte dem Beamten, der ausgesagt habe. Sollten sich dessen Vorhaltungen bewahrheiten, so seien diese menschenverachtenden Rituale nicht zu akzeptieren, so Albers. Sollten die Vorwürfe wahr sein, werde er Disziplinarmaßnahmen einleiten.


Soll jetzt interne Rituale beim SEK untersuchen: Wolfgang Gatzke, der selbst einmal SEK Einheiten koordinierte

Rituale beim Kölner SEK sollen jetzt untersucht werden

Zudem hat Albers den ehemaligen Direktor des Landeskriminalamtes Wolfgang Gatzke gebeten den Vorfall zu untersuchen. Allerdings nicht im Hinblick auf strafrechtliche oder disziplinarische Auswirkungen, sondern um mehr über Rituale, Wertvorstellungen und interne Strukturen der Kölner SEK Kommandos zu erfahren. Gatzke koordinierte jahrelang beim LKA die SEK-Einheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, kommt also aus dem inneren Führungszirkel. Gatzke spricht dann auch gleich von elitärem Bewusstsein und Ritualen die allgegenwärtig seien in der Gesellschaft, insbesondere in Gruppen und von Gruppendynamik und eben auch bei Eliteeinheiten wie dem SEK. Auch Albers spricht von besonderen Einheiten, sogar davon, dass dort Rituale Sinn machten. Schriftlich äußerte sich Albers so: „Das betroffene SEK hat offenbar ein falsches Verständnis von den Grundwerten unserer Gesellschaft. Jeder Polizist verpflichtet sich sich mit seinem Diensteid auf Recht und Gesetz. Dazu gehört auch, dass Polizisten die Menschenwürde ihrer Kollegen achten und schützen. Ich werde es nicht dulden, wenn Menschen gedemütigt und in ihrer Würde verletzt werden. Ich bin davon überzeugt: Die Menschen in Köln haben ein Anrecht darauf, dass die Mitarbeiter der Polizei Köln jederzeit die Menschenrechte achten“.

Was hat die Kölner Polizeiführung im Vorfeld gegen Kadergeist und Elitedenken getan?

Neben den strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Prüfungen und Ermittlungen stellt sich nicht nur die Frage nach den aktuellen inneren Prüfungen bei den Kölner SEK-Einheiten. Sondern auch, kann ein Altgedienter aus dem eigenen inneren Kreis, wie Gatzke, überhaupt neutral werten? Und es drängen sich Fragen auf, wie konnte es überhaupt so weit kommen und welche Kontrollmechanismen gegen menschenverachtenden Korpsgeist und Elitedenken hat der Führungsstab der Kölner Polizei im Vorfeld zur Verhinderung solcher, wie gesagt noch mutmaßlicher Taten, eingesetzt? Welche Führungsregeln in der obersten Spitze, aber auch darunter in den Einheiten, gelten bei der Kölner Polizei? Werden diese auf ihre Einhaltung kontrolliert? Und vor allem von wem? Ist ein Elitedenken eigentlich heutzutage noch auf der Höhe der Zeit? Dazu sagte Polizeipräsident Wolfgang Albers heute nichts. Klar ist aber auch, dass man zunächst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln abwarten muss. Diese ist in besonderem Maße gefordert gegenüber der Öffentlichkeit Transparenz über die Vorgänge beim Kölner SEK herzustellen. Auch darauf darf man gespannt sein. Von ihrem eigenen Anspruch, der auf den Bannern hinter den Vortragenden der Pressekonferenz mit den Worten „rechtsstaatlich, bürgerorientiert, professionell“ dokumentiert ist, scheint die Kölner Polizei derzeit weit entfernt zu sein.

NRW-Innenminister ordnet landesweite Sonderinspektion an

Obwohl es keine Hinweise auf weitere, demütigende Aufnahmerituale bei Spezialeinsatzkräften der Polizei außerhalb des Polizeipräsidiums Köln gebe, so das NRW-Innenministerium habe Innenminister Ralf Jäger vorsorglich eine Sonderinspektion aller Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Nordrhein Westfalen angeordnet. „Mobbing und inakzeptable Aufnahmerituale darf es bei der NRW-Polizei nicht geben. Um jeglichen Verdacht auszuräumen, habe ich daher den Direktor des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD), Jürgen Mathies, und den Direktor des Landesamtes für Ausbildung, Fort-bildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP), Michael Frücht, beauftragt, gemeinsam eine gründliche Inspektion aller weiteren fünf SEK-Standorte in NRW durchzuführen“, lässt sich der Innenminister zitieren.

„Nach dem konsequenten Vorgehen der Kölner Polizeiführung zur Aufklärung der Vorfälle hält das Innenministerium vorsorglich eine landesweite Sonderinspektion für notwendig.“, heißt es weiter in der Nachricht des Innenministeriums.  Damit würden diejenigen Beamten vor ungerechtfertigten Verdächtigungen geschützt, „die zuverlässig und engagiert bei den Spezialeinsatzkräften der Polizei im Einsatz sind“. „Ich möchte sicher gehen, dass es keine weiteren Vorfälle bei den SEK in NRW in die-ser Form gegeben hat“, so Jäger. Deswegen sei mit dem LZPD in Duisburg und dem LAFP in Selm-Bork fachkundige Aufsichtsbehörden mit der Überprüfung betraut worden.

Autor: dts
Foto: Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers, die Pressesprecherin der Kölner Polizei Martina Kayser und der ehemalige Direktor des Landeskriminalamtes Wolfgang Gatzke