Köln | Ihre erste große Einzelausstellung in den USA hat die Kölner Künstlerin Rosemarie Trockel (59) in New York. Auf drei Etagen zeigt das New Museum in einer umfangreichen Werkschau Arbeiten aus drei Jahrzehnten.

Die Ausstellung verdankt ihre Entstehung einer engen Zusammenarbeit der Künstlerin mit Lyne Cooke, bis vor kurzem Chefkuratorin am Museo Centro de Arte Reina Sofia in Madrid und geht im Frühjahr 2013 an die Serpentine Gallery in London. Besonderheit: Die Ausstellung vereint Arbeiten Trockels mit denen anderer Künstler, mit denen sie sich seelenverwandt fühlt.

Darunter befinden sich etwa James Castle, ein künstlerischer Autodidakt, der nicht lesen und sprechen konnte, und 1977 in Vereinsamung starb, Morton Bartlett, ein Werbephotograph, dessen nach seinem Tod 1992 entdeckte Kinderpuppen eine Sensation waren oder Judith Scott, eine taube Kalifornierin mit Down-Syndrom.

Und dann ist da noch Tilda, ein Orang-Utan-Weibchen im Kölner Zoo. Auch sie ist eine Bildproduzentin, die Trockel sehr schätzt; auch einige ihrer Arbeiten sind in der New Yorker Ausstellung zu sehen.

Das 1977 gegründete New Museum (of Contemporary Art),  nicht zu verwechseln mit dem Museum of Modern Art (MoMa) versteht sich als einziges Museum für zeitgenössische Kunst in New York City. Auch architektonisch ist das New Museum ein Hingucker: Das von dem japanischen Architekturbüro SANAA entworfende siebenstöckige Gebäude an der Bowery am Südende von Manhattan (Lower East Side) sieht aus wie aufgetürmte Schuhkartons (In Deutschland entwarf SANAA den „Zollverein Kubus“ auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen.) Auch ein Hingucker: Gegenwärtig ist an der Frontseite des Museums die Arbeit einer anderen deutschen Künstlerin zu sehen – Isa Genzkens fast zehn Meter hohe, überdimensionale rote Rose:

Neben Isa Genzken darf Rosemarie Trockel, die seit 1998 auch eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf inne hat, als die international erfolgreichste deutsche Künstlerin gelten. Sie war auf der documenta (1997) genauso vertreten wie auf der Biennale von Sao Paolo (1994) und der Biennale von Venedig (1999)

Ihre Arbeiten finden sich in einigen der einflussreichsten Museen weltweit, darunter  die Tate Gallery in London und das Museum of Modern Art (Moma) in New York. Rückblickend ist es auch fast atemberaubend, dass es das Museum of ModernArt war, das bereits 1988, nur fünf Jahre nach ihrer ersten Galerienausstellung überhaupt, “Projects – Rosemarie Trockel” zeigte.

Auf der jüngst erschienen TheArtReview Power100, der Liste der angeblich einhundert einflussreichsten Personen der weltweiten Kunstszene steht Trockel auf Platz 42.

Trockels künstlerisches Schaffen lässt sich schwer in Schubladen packen und mit Etiketten versehen. Zwar wurde sie durch ihre „Strickbilder“ international bekannt (und auf dem Kunstmarkt begehrt), aber die Konzeptkünstlerin arbeitet in einer großen Bandbreite von künstlerischen Ausdrucksformen: Zeichnungen, Bilder, (gestrickte) Objekte, Installationen, Videos etc. Beschreibungen der Arbeiten begnügen sich meistens mit Floskeln, wie sie habe das Frausein thematisiert und den Kunstbetrieb hinterfragt. Und das alles nicht bierernst, sondern mit Ironie.

Die Künstlerin selbst gilt als extrem öffentlichkeitsscheu. Der „New York Times“ gelang  aus Anlass der Eröffnung der New Yorker Ausstellung dennoch ein sensibler Artikel auf der Basis eines ihrer sehr seltenen Interviews. „Ich sehe Kunst oft als (einen Weg), das Unsichtbare sichtbar zu machen“, sagt Trockel hier über die ungewöhnliche Integration anderer Künstler in ihre New Yorker Ausstellung, „und es hat für mich keine große Bedeutung, ob ich sie gemacht habe oder nicht.“
In New York hat Trockel auch bereits mehrfach ausgestellt; nach der MoMa-Ausstellung 1988 mehrmals in der Barbara Gladstone Gallery (1994, 1997, 2001 und 2006) und 2002 im Dia Center for the Arts.

Die Anfänge der Künsterlin aber liegen in Köln, wo sie nach einem Lehramtsstudium an der damaligen Pädagogischen Schule an den Kölner Werkschulen Malerei studierte. Von größter Bedeutung war dann ihre Freundschaft mit der damaligen Kölner Stadtplanerin Monika Sprüth, die sich 1983 mit einer eigenen Galerie in Köln selbstständig machte und jungen, unbekannten Künstlerinnen wie Cindy Sherman, Jenny Holzer und Rosemarie Trockel eine Plattform gab. Monika Sprüth selbst sollte dann später eine fulminante Karriere als Galeristin machen. Noch heute wird Rosemarie Trockel von der nicht mehr in Köln, sondern in Berlin und London ansässigen Galerie Sprüth Magers vertreten. (Auf der Website der Galerie findet sich auch ein umfangreicher Überblick über sämtliche vergangenen Ausstellungen der Künstlerin.)

Auch die Verbindung zum Museum Ludwig ist eng, was kürzlich auch noch einmal zum Ausdruck kam, als der soeben ausgeschiedene Museum Ludwig-Chef Kasper König einige Künstler, die er groß gemacht hat, um ein Kunstwerk für seine Benefizauktion zugunsten des Museum bat.

Trockel steuerte eine „False Alarm“ betitelte Arbeit bei, die auf der Auktion bei Sotheby’s in London knapp 145.000 Euro einbrachte und damit eine der teuersten Arbeiten dieser Auktion überhaupt war. Das Museum Ludwig widmete der Wahlkölnerin bereits 1991 eine der ersten Museumsausstellungen überhaupt, von Oktober 2005 bis Februar 2006 eine große, Aufsehen erregend “Post-Menopause” betitelte Überblicksausstellung. Heute besitzt das Museum, wie auf Anfrage mitgeteilt, zwanzig Trockel-Arbeiten in seinen Beständen.

In Köln ist auch permanent eine weitere Trockel-Arbeit zu sehen:

Im Skulpturenpark steht eine ironisch-doppeldeutig „L’arc de triomphe/Der armselige Baum“ benannte Baumskulptur, die sich im Laufe der Jahreszeiten ständig verändert; der WDR widmete der Arbeit ein eigenes Feature.

Autor: Christoph Mohr