Köln | Wer erinnert sich nicht mehr an dieses blaue DIN-A4-Blatt, das die Ministerpräsidenten, allen voran Armin Laschet aus NRW, in die Kameras hielt und versprach jetzt gibt es einen einfachen klaren Fahrplan gegen die Corona-Pandemie? An die No-Covid-Strategie-Debatte medial angefeuert von Oberbürgermeisterin Henriette Reker? Ganz zu schweigen von der Osterruhe-Diskussion. Und jetzt? Fahrplan gilt nicht, ein Kölner Krisenstab, der kommuniziert, bevor er Fakten kennt und eine Notbremse, die ihrem Namen nicht gerecht wird. Und die Menschen: Die wollen die Pandemie bekämpfen und vor allem geimpft werden. Ein Kommentar von Andi Goral.

1+1=2 bis 31. März, dann ein paar Tage 1+1=max 5 und danach ab Dienstag nach Ostermontag wieder 1+1=2. Logisch und verständlich? So sieht die Kontaktregel in Köln für die kommenden zwei Wochen aus, gültig ab 1. April und kein Aprilscherz. Kinder unter 14 immer ausgenommen, obwohl auch das Infektionsgeschehen an Schulen und Kitas an Dynamik gewinnt. Konstant ist das nicht.

Gestern lag die 7-Tage-Inzidenz den 12. Tag in Folge über 100 in Köln, erreichte mit 128 sogar einen neuen Höchststand. Wie gesagt 12 Tage! Der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach gestern davon, dass nach 3 Tagen in Folge einer Inzidenz über 100 die Notbremse für Kreise und Kommunen gelte. Am Abend dann die Liste der 31 Kommunen und Kreise, aber keine Notbremse, sondern erst noch einen Shopping-Samstag und ein nettes Wochenende und dann am Montag gelten neue Regeln und die Notbremse. Die Stadt titelt in ihrer Pressemitteilung am Freitag Abend sogar: „Land NRW zieht die Corona-Notbremse“. Am Montag bricht in Köln dann der 15. Tag über einer Inzidenz über 100 an. Von den Öffnungsphantasien des Kölner Krisenstabes ganz zu schweigen. Die Leiterin des Kölner Krisenstabes Andrea Blome appelliert an Abiturient*innen in der Abimottowoche Abstand zu halten. Ernsthaft. Sind das klare Regeln, konsequente Umsetzung und Konstanz? Ein deutliches Nein!

Der Kölner Feuerwehrchef Dr. Christian Miller, verantwortlich für das Operative im Kölner Krisenstab, erklärte gestern der Öffentlichkeit, dass Köln keine einzige Impfdose von Astrazeneca den gesamten April bekommen werde und die Stadt 13.000 Impftermine absagen muss. Das Gesundheitsministerium des Landes NRW dementiert und sagt, dass auch das Kölner Impfzentrum Astrazeneca-Impfdosen im April erhalte und aus der gestern freigegebenen NRW-Reserve mehrere Tausend Biontech Impfdosen. Stimmt sich der operative Leiter der Stadt Köln nicht mit dem Land NRW ab? Warum verunsichert die Stadt Köln?

Auch die Kommunikation in der Fortsetzung der Impfkampagne ist alles andere als eindeutig, zumindest wer Aussagen der Stadt Köln und des Landes NRW vergleicht. Dabei ist Gesundheitsminister Laumann hier sehr klar und hat etwas gelernt: Ab kommender Woche wird er und die Bürgermeister den Jahrgang 1941 anschreiben, dass diese Gruppe der Menschen über 79 Jahre ab Dienstag nach Ostern ihre Termine für das Impfen in den Impfzentren vereinbaren können. Und zudem ihre Partner mitimpfen lassen können, auch wenn diese jünger sind. So klar formuliert die Stadt das nicht, sondern dort heißt es ab kommender Woche werden die über 70-Jährigen geimpft. Also was jetzt? Fängt die Stadt mit dem Impfen früher an? Gerade in der Kommunikation mit älteren Mitbürger*innen muss den Bürokraten zugerufen werden: Kommuniziert in einfacher Sprache und einheitlich. Schafft damit Sicherheit und Vertrauen!

Verunsicherung gibt es auch an anderer Stelle: Da meldet die Stadt Köln einen Anstieg der brasilianischen Virusmutation. Die lag bei 4 Nachweisen, dann die Meldung 10 positive Testungen. Und am Freitag erklärt der Chef des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Nießen: och nö, das war falsch kommuniziert. Es gebe jetzt 5 Fälle der brasilianischen Variante, aber 10 Fälle einer Mutation der britischen Variante. Klare Kommunikation Fehlanzeige – haben wir nicht in dieser Woche gelernt, sich zu Fehlern zu bekennen kann Größe zeigen. Da bleibt beim städtischen Amtsschimmel noch Luft nach oben für das Erlenen von Fehlerkultur.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Die Stadt Köln und das Land NRW sind aufgefordert, Fakten korrekt zu kommunizieren, klare Regeln zu definieren und diese auch selbst einzuhalten. Dazu kommt die Forderung, dass diese Regeln auch vom Ordnungsamt der Stadt Köln und der Polizei Köln kontrolliert werden. Denn Papier ist geduldig, aber auf der Straße tragen die Menschen immer noch keine Masken, halten sich Büdchenbesitzer und Händler nicht an klare und eindeutige Regeln. Auch an vielen Supermärkten wird doch schon lange nicht mehr kontrolliert, ob die Quadratmeterbeschränkungen eingehalten werden, Hochzeiten toben vor dem städtischen Rathaus und und und.

Ein Wort zur Teststrategie: In Köln können pro Woche 150.000 Tests in den rund 400 Testzentren durchgeführt werden. Das sind rechnerisch auf eine 7-Tage Woche pro Tag 21.428 Tests. Bei 1,061 Millionen Einwohner*innen sind das 2,02 Prozent pro Tag. In der Woche 14,14 Prozent. Auch hier Luft nach oben.

Politik spricht gerne davon, dass Bürger*innen müde von der Pandemie sein sollen und die Maßnahmen nicht mehr mittragen würden. Aber stimmt das so? In einem Interview in „Zeit Online“ sagte der Physiker Dirk Brockmann zur Phrase der Politik „Die Leute tragen die Maßnahmen nicht mehr mit“ veröffentlicht vor zwei Tagen: Für diese Behauptung gibt es überhaupt keine Evidenz. Die politische Entscheidung zu lockern, basierte auf einer verzerrten Wahrnehmung der Realität. (https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2021-03/dirk-brockmann-lockdown-ostern-rki-physiker-corona-wellenbrecher) In vielen Gesprächen mit Kölner*innen sind diese gewillt, weiter die Pandemie mit ihrem persönlichen Einsatz zu bekämpfen, aber zunehmend genervt von einer Politik und Verwaltung, die jeden Tag nicht nur neue Regeln erfindet, sondern die eigenen und von der Bevölkerung akzeptierten Regeln jeden Tag auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen neu definiert, selbst nicht einhält oder einfach gar nicht weiß was die Landesregierung oder die Kommune tut. Und die Menschen wollen geimpft werden, also her mit den Impfstoffen und weg mit dem Bürokratismus.

Autor: Andi Goral