Die Theatergruppe hat sich als Ziel gesetzt, eine kritische Bildsprache und Dialektik zu entwickeln. Theaterstücke sollen aktuell beleuchtet und ihre Kernaussagen auf die heutige Zeit geprüft werden. Dabei wollen sie mit hohem Spaßfaktor und im aktionistischen Stil arbeiten, um sich gegen den bierernsten, eingefahrenen Kulturpessimismus zu wehren. Man sieht sich auch in Wedekinds Tradition und präsentiert daher eine radikal bearbeitete und modernisierte Textfassung, die neue Interpretationen des Klassikers bringen.

 

 

Die Buchausgabe des Stücks "Die Büchse der Pandora", der zweite Teil von "Der Erdgeist", wird 1904 wegen Unzüchtigkeit beschlagnahmt. Beide Dramen wurden später als "Lulu" aufgeführt und gehören neben "Frühlings Erwachen" zu den bekanntesten Werken Frank Wedekinds. Lulu ist längst Bestand der Weltliteratur und ist heute nicht von den Spielplänen der Theater wegzudenken.

Regisseur Daniel Schüßler reduziert, in Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Dramaturgin Sandra Röseler, Wedekinds 18-Personen-Stück auf drei Personen, die sich als eine Menage a trois, in der es keine Gewinner gibt, an der Protagonistin Lulu abarbeiten. Das Ziel dieser Fassung ist die Entlarvung der Verlogenheit der Gesellschaft schon im Privatraum und das Aufzeigen vom Scheitern von Utopien. Dabei herrscht die Lüge, der Glaube an den schönen Schein, Vulgarität statt Schönheit, Betrug statt Wahrheit, Arroganz statt Klugheit.

Lulu zeigt uns ein Spiegelbild, das bisweilen verzerrt ist, und den unermüdlichen Kampf des Individuums in dem festen Glauben, dass eine bessere Welt möglich ist. Die Möglichkeit des Scheiterns an diesem übergroßen Stoff ist ein Thema der Inszenierung. In Form eines Moderatoren setzt sich der Regisseur selbst mit der Unspielbarkeit des Stückes, der Unerklärbarkeit Lulus, der Suche nach neuen Lösungen in der Welt, der Kunst und im Theater sowie den katastrophalen Produktionsmöglichkeiten, die man als freie Theatergruppe in Köln vorfindet, auseinander. Auch dies eine Utopie, die zum Scheitern verurteilt scheint.

Sandra Kouba in der Titelrolle verführt ihr Publikum mit einem Minenspiel, das sich zwischen abschätzig-dominant und kindlich-zerbrechlich bewegt. Mit ihr hat der Regisseur Daniel Schüßler eine Lulu von außerordentlicher Präsenz und Überzeugungskraft gefunden.

Lulu ist das Objekt sexueller Begierden:
Jeder ist Lulu verfallen. Als Sinnbild der Verführerin reißt sie alle um sich herum in den Abgrund: Der ältliche Dr. Goll, der mittelmäßige Kunstmaler Schwarz, ihr "Ziehvater" Dr. Schön und die lesbische Gräfin Geschwitz – alle erliegen ihrer Schönheit und bezahlen mit ihrem Leben. Es gibt es reichlich tragikomische Situationen, in denen sich arg triebgesteuerte Wesen männlichen Geschlechts produzieren und vor ihrem Absturz ins Jenseits zum Kasper machen; wegen der Klasse der Darsteller verkommt das Stück aber nie zur Klamotte.


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och die Macht der Verführungskunst hat einen hohen Preis: Männer benutzen Lulu als Projektionsfläche für ihre tiefsten Sehnsüchte und Phantasien. So bleibt sie für diese immer ein Objekt der Lust. Daran zerbricht Lulu und verwandelt sich schließlich in eine Prostituierte der Straße. So schließt sich der Kreis und Lulu kehrt in die Gosse zurück, aus der sie gekommen ist. Am Ende ist es Jack the Ripper, der ihr Schicksal endgültig besiegeln soll…


Es ist Sandra Kouba, die zur alles dominierenden Erscheinung wird. Natürlich ist das schon durch ihre Rolle als Lulu begründet. Aber Kouba schafft es nicht nur zum Nachdenken anzuregen und zu fesseln, sie gibt vielmehr eine ganz eigenwillig provozierende, unverwechselbare Lulu, die in ihrem Spiel äußerst geschickt dem Klischee einer naiven verführerischen Kindfrau ausweicht.

Lulu///Fuck`n`Fiction///The sublime is now ist ein kollektives Köln-Düsseldorfer Kunst- und Theaterprojekt. Die Metaphysik des Stückes, d.h. die Bilder lehnen sich stark an Künstler der Fluxusbewegung der 60er Jahre, die Punkrockbewegung der 80er bis hin zu Künstlern der Neuzeit wie Gerhart Richter und Jonathan Meese, an. In diesem Sinne entsteht eine Mischung aus Theater, Kunst und Performance.  

 

Regie: Daniel Schüßler 
Dramaturgie: Sandra Röseler 
Bühnenbild: Uli Tegetmeier und Aurel Lenfert 
Licht: Jörg Zysik 
Ensemble: Sandra Kouba, Rabea Wyrich, Jens Hartwig, Heidulf Sudmöller, Daniel Schüßler 

Aufführungen: 
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m August: 18.bis 20. und im Oktober 12. bis 15.jeweils 20:30 h). Eintritt: € 13,-/(ermäßigt) € 9,-

Ralph Kardes für report-k.de / Kölns Internetzeitung