Berlin | aktualisiert | Der AfD-Bundesvorstand will den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke offenbar aus der Partei ausschließen. Mittlerweile gibt es erste Stimmen zum möglichen Parteiausschlussverfahren gegen Höcke. Diese finden Sie am Ende der Meldung.

Der Beschluss für ein Parteiausschlussverfahren sei bei einer Telefonkonferenz mit der nötigen Mehrheit gefasst worden, berichten mehrere Medien übereinstimmend unter Verweis auf Parteiangaben. Höcke war wegen einer Rede Mitte Januar in Dresden in die Kritik geraten.

Dabei hatte er unter anderem mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt: „Wir Deutschen sind das einzige Volk, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“

„Bild“: Schwere Vorwürfe gegen Höcke in internem AfD-Gutachten

In einem im AfD-Bundesvorstand kursierenden, vertraulichem Gutachten werden offenbar gravierende Vorwürfe gegen den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke erhoben: Laut eines Berichts der „Bild“ heißt es darin, dass „der Inhalt einzelner Passagen“ aus Höckes umstrittener Dresdner Rede sowie ihre Form und das Auftreten Höckes klar machten, „dass Herr Höcke sowohl einen anderen Staat als auch eine andere Partei“ wolle. Hinzu komme, dass „immer wieder Parallelen zum Nationalsozialismus und zu extremen Ansichten“ auftauchten, „die mit den Grundsätzen und dem Grundsatzprogramm der AfD“ nicht übereinstimmten, schreibt die Zeitung weiter. Bedeutsam sei auch, dass Höcke mit dem Begriff „die Halben“ AfD-Mitglieder bezeichne, die nach seiner Auffassung „keine innere Haltung“ besäßen und „so schnell wie möglich zum Establishment gehören wollen“, heißt es dem Bericht zufolge in dem Gutachten.

„Diese Parteimitglieder, die sich auf Listen bewerben oder beworben haben, bezeichnet Höcke in Anlehnung an die Rhetorik von Adolf Hitler als Halbe, die sich an Lobbyisten-Fressen und Saufen gütlich tun, und dabei die Erstarrung der AfD betreiben“, wie laut „Bild“ in dem Papier beklagt wird. Dies sei „in hohem Maße illoyal“.

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Stimmen zum möglichen Parteiausschlussverfahren gegen Höcke

Knobloch hält Höckes Ausschluss aus AfD für „überfällig“

Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, hält einen Ausschluss von Björn Höcke aus der AfD für „überfällig“. Es sei „sehr unsicher, dass es so kommt, da das parteiinterne Schiedsgericht vermutlich mit höckischen Gesinnungsgenossen besetzt ist. Und selbst wenn es zum Ausschluss kommt, ist dieser nur überfällig“, sagte Knobloch der „Heilbronner Stimme“ (Dienstagsausgabe).

„Die AfD beteuert ja noch immer allen widersprechenden Anzeichen, Personalien und Seilschaften zum Trotz, auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen.“ Auch das Verhalten der AfD-Abgeordneten und -Wahlleute in der Bundesversammlung belege das „bewusste Ausscheren“ aus dem freiheitlich-demokratischen Konsens, fügte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern hinzu.

Knobloch weiter: „Wenn nun also wenigstens die unsäglichen Exzesse des `Einzelfalls` Höcke die nötigen Konsequenzen hätten, könnte das allenfalls ein erster Schritt sein. Zu viele Personen aus der AfD oder ihrem Spektrum fallen mit Geschichtsklitterung, Nähe zu Neonazis oder mit rassistischen, antisemitischen, menschenverachtenden Entgleisungen auf.“ Bisher habe sich die Partei „noch nie von solchen Thesen oder der Nähe zu rechtsextremen Organisationen und Vereinigungen glaubhaft distanziert. Wer denkt, dass sich die AfD mit dem Rauswurf Höckes reinwaschen kann, irrt gewaltig“.

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Pazderski begrüßt Parteiausschlussverfahren gegen Höcke

AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski hat den Beschluss über ein Parteiausschlussverfahren gegen den thüringischen AfD-Landeschef Björn Höcke begrüßt: „Es war wichtig, dass der Bundesvorstand eine Entscheidung getroffen hat“, sagte der Berliner AfD-Fraktionschef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die AfD stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. In den letzten Wochen habe es jedoch einige Verwirrung gegeben.

„Es gab Reden, die nicht zu unserer Partei passen“, sagte Pazderski. „Wenn man sich Björn Höckes Rede anhört, kann man sie als grundsätzliche Kritik an denjenigen verstehen, die in Parlamenten vernünftige und gute Arbeit leisten“, erklärte der Berliner AfD-Politiker. Diese Kritik teile er nicht.

Die AfD sei keine „Bewegung“, wie sich Höcke das wünsche, sondern eine Partei, die die konservative bürgerliche Mitte erreichen wolle. „Das Spektrum am rechten Rand ist also ganz klar nicht unsere Zielgruppe“, so Pazderski.

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Thüringer CDU-Chef Mohring zweifelt an Höckes Ausschluss aus AfD

Thüringens CDU-Chef Mike Mohring zweifelt an Björn Höckes Ausschluss aus der AfD. „Ich zweifele, dass Frau Petry die Kraft zum Parteiausschluss hat. Es ist das übliche Spiel der AfD, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es gibt zunächst viele öffentliche Erregung, und nach ein paar Wochen ist alles wie zuvor“, sagte Mohring der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe).

Höcke habe inzwischen wiederholt gezeigt, dass er politisch durch einen „völkischen Fundamentalismus“ getrieben sei, der sich auf Dauer mit der politischen Praxis einer pluralistischen, freiheitlichen Demokratie nicht vertrage, sagte Mohring weiter. Höcke selbst sieht das Parteiausschlussverfahren nach eigener Aussage gelassen. Das Vorgehen des Bundesvorstands sei allein „machtpolitisch motiviert“, er habe weder gegen die Satzung noch gegen die Grundsätze der Partei verstoßen, sagte Höcke am Montag.

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Autor: dts