Köln | „Abstraktes Bild“ nennt Gerhard Richter seine jüngsten Arbeiten. Zur besseren Unterscheidung nummeriert er sie durch. 26 Gemälde, die aus den letzten beiden Jahren entstanden sind, werden jetzt erstmals ausgestellt. Mit dieser Leihgabe an das Museum Ludwig „revanchiert“ sich der Künstler für die Sonderausstellung, die ihm zu seinem 85. Geburtstag ausgerichtet und pünktlich mit einer Feier am 9. Februar

Es sind Bilder unterschiedlicher Formate, mit voller Kraft und Energie „gemalt“: Dutzende übereinandergelegte Farbschichten, werden mit Rakel, Messer oder Spachtel wieder aufgerissen. So werden die Schichten teilweise wieder freigelegt, es bilden sich strenge und lockere Muster, Strukturen, mal kleinteilig, mal großflächig, dick die Farbspuren hier, direkt daneben transparent. Tiefe Räume öffnen sich – aus der Ferne andere als bei naher Betrachtung. Abstraktion pur, gekonntes Spiel mit dem Zufall.

Die Hängung seiner Arbeiten hat der Künstler selber bestimmt

Im „zweiten“ Teil dieser Ausstellung zeigt das Museum die eigene Richter-Sammlung. Da gibt es ein Wiedersehen mit den Grau-in-Grau gemalten 48 Männer-Porträts (gemalt für die Biennale 1972 in Venedig), die hier lange im Treppenhaus hingen. Eine nicht nach Bedeutung, sondern nach formalen Kriterien getroffene Auswahl (und keineswegs eine Macho-Attitüde, wie ihm von Feministinnen einmal vorgeworfen wurde) mit Franz Kafka im Mittelpunkt: Richter selber hat die Gruppe jetzt so geordnet, wie er auch die gesamte Hängung der Ausstellung bestimmte.

Nicht fehlen dürfen hier „Ema (Akt auf einer Treppe)“ aus dem Jahr 1966, die minimalistischen „5 Türen“ (1967) mit Vorstudien, oder der 1944 gefallene „Onkel Rudi“ (1965) in seinem Wehrmachtsmantel. Zu sehen sind auch einige Tafeln mit schier unendlich vielen, nach dem Zufall gefärbten kleinen Rechtecken – Vorläufer für sein Fenster im Kölner Dom. Dabei ist „Zwei Grau“: zwei unterschiedlich eingefärbte Glasscheiben. Elf andere, hintereinander stehende Glasscheiben empfangen den Besucher: In ihnen spiegelt er sich gleich mehrfach.

Es sind Arbeiten, die Richter (1932 in Dresden geboren, 1961 aus der DDR in die Bundesrepublik geflohen, seit 1983 in Köln lebend und arbeitend) zu einem der teuersten und wichtigsten zeitgenössischen Künstler machten.

Die hauseigene Richter-Sammlung lässt die Entwicklung nachvollziehen

Die Richter-Sammlung des Museums – den Grundstock legte der Sammler, zum aktuellen Geburtstag durch Sponsoren und den Künstler um Editionen erweitert – lässt nachverfolgen, wie Gerhard Richters Weg zu seinen neuen abstrakten Bildern war. Die zentrale Frage, die ihn beschäftigt ist: Kann Malerei die „Wirklichkeit“ abbilden? Eine Frage, die er mit seinem Porträt „Betty“ (1977) auch an den Fotorealismus stellt.

Richter zweifelt nicht nur an diesem „Realismus“, Zweifel die sich dann – vereinfacht gesagt – in den „verschwommenen“ oder „unscharfen“ Gemälden widerspiegeln, denen immer wieder Fotos als Vorlage dienen (denen man ja meist eine „authentische“ Wiedergabe der Wirklichkeit zubilligt). Wenn er dazu „politische“ Vorlagen nimmt wie „Onkel Rudi“ oder von Ulrike Meinhof ist dies auch eine kritische Frage an unsere Erinnerung und Interpretation von Geschichte.

Das Abstrakte ist dann nur folgerichtige – muss aber nicht das Ende sein. „Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle einer nicht sichtbaren Wirklichkeit“, wird Richter zitiert.

[infobox]„Gerhard Richter: Neue Bilder“ – bis 1. Mai 2017, Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Di-So 10-18 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat bis 22 Uhr, Eintritt 11/7,50 Euro. Katalog „Neue Bilder“: 20 Euro

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Blick in die Ausstellung


Foto: ehu


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Autor: ehu | Foto: Gerhard Richter / Museum Ludwig
Foto: „Abstraktes Bild (946-3)“ nennt Gerhard Richter diese erst 2016 entstandene, 1,75 x 2,50 Meter große Arbeit.