Münster | Eigentlich könnten sich die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten entspannt zurücklehnen. Bei der Landtagswahl im Mai votierten fast 40 Prozent der Wähler für die SPD und legten damit den Grundstein für einen ungefährdeten rot-grünen Sieg. SPD-Landeschefin und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist nicht nur der unangefochtene Star der Partei, sondern auch mit Abstand die beliebteste Sozialdemokratin in ganz Deutschland. Beste Voraussetzungen also für den Landesparteitag am Samstag (29. September) in Münster – wäre da nur nicht die Sache mit dem Nichtraucherschutzgesetz.

Mit Spannung wird erwartet, wie sich die NRW-SPD an diesem Wochenende zu dem viel diskutierten Vorhaben positioniert, ein striktes Rauchverbot im Land umzusetzen. Eigentlich schien die Sache klar zu sein. Die von der SPD angeführte Landesregierung hatte im Juni ein Gesetz vorlegt, mit dem die nordrhein-westfälische Gastronomie komplett rauchfrei werden soll. Vorbei die Zeiten von Raucherclubs, verqualmten Eckkneipen oder Schützenzelten mit blauem Dunst. Doch an der SPD-Basis rumort es gewaltig.

Abkehr vom totalen Verbot?

Schon in der Sommerpause brachte die SPD-Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp mögliche Ausnahmen vom Rauchverbot ins Gespräch. In ihrer Partei scheint sie damit nicht allein zu sein. Gleich sechs Anträge wurden vor dem Landesparteitag eingereicht, die unisono eine Abkehr vom totalen Rauchverbot fordern. Besonders hart geht der SPD-Ortsverein Köln-Bickendorf/Ossendorf mit dem Gesetzentwurf ins Gericht und greift zu Formulierungen, die eigentlich der Opposition zuzuordnen wären. Der Entwurf sei eine „unzumutbare bisweilen auch unmenschliche Bevormundung der rauchenden Bevölkerung im Stile einer ‚Volkserziehung'“, heißt es in einem Antrag.

Aus der Summe der Anträge hat sich die Antragskommission auf eine Linie verständigt. Demnach soll die SPD-Landtagsfraktion aufgefordert werden, Ausnahmen für private Gesellschaften und Brauchtumsveranstaltungen in Festzelten sowie Übergangsfristen zu prüfen. Ob dies den verärgerten Ortsvereinen aus Düsseldorf, Köln und Dortmund weit genug geht, wird sich am Samstag zeigen. Landeschefin Kraft hatte sich im Wahlkampf bereits eindeutig für ein striktes Rauchverbot ausgesprochen, in den vergangenen Wochen dazu aber nicht mehr öffentlich Stellung genommen. In den Reihen des grünen Koalitionspartners wird am Wochenende aufmerksam verfolgt werden, wie sich die Sozialdemokraten festlegen.

Kanzlerkandidat Steinbrück zu Gast

Abseits des leidigen Themas Rauchverbot werden sich die Sozialdemokraten aber auch auf ihren Parteitag freuen können. Mit Peer Steinbrück hat die NRW-SPD nicht nur einen ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister auf ihrer Gästeliste, sondern aller Voraussicht nach auch den Kanzlerkandidaten der SPD. Es wird Steinbrücks erster großer Auftritt nach dem Bekanntwerden seiner Kandidatur sein.

Auf der Tagesordnung der fast 490 Delegierten finden sich aber auch zahlreiche Wahlen und thematische Diskussionen. Parteichefin Kraft stellt sich zur Wiederwahl und wird versuchen, ihre 99,04 Prozent von vor zwei Jahren erneuern zu können. Mit André Stinka wird zudem ein neuer Generalsekretär gewählt und auch der übrige Landesvorstand steht zur Abstimmung. In einem Leitantrag soll es um die Zukunft der Infrastruktur im Land gehen.

Autor: Christian Wolf, dapd |