Bonn, Düsseldorf, Köln | aktualisiert 6.5.2012, 14:40, 16:04  Uhr | Nach den Auseinandersetzungen bei der anti-islamischen Kundgebung der rechtspopulistischen Partei Pro NRW in Bonn wird gegen einen 25-jährigen Tatverdächtigen wegen versuchter Tötung in drei Fällen ermittelt. Der gebürtige Türke aus Hessen hatte am Samstag mit einem Messer auf drei Polizisten eingestochen, nachdem die Gegendemonstration vor der König-Fahd-Akademie eskaliert war, sagte Oberstaatsanwalt Bernd König am Sonntag. Dabei wurden eine 30-jährige Polizeikommissarin und ein 35 Jahre alter Polizeikommissar schwer verletzt. Innenminister Jäger versucht im Vorfeld der geplanten Kundgebung der so genannten „Moschee-Tour“ von Pro-NRW im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, das öffentliche Zeigen der Westergaard Karikaturen zu verbieten.

Mit einem Gewaltausbruch gegen die Polizei haben rund 200 radikalislamische Salafisten in Bonn auf eine Aktion der rechtspopulistischen Partei Pro NRW reagiert. Als Pro-NRW-Anhänger am Samstag eine umstrittene Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard zeigten, kam es zu einer „Explosion der Gewalt, die wir lange nicht mehr erlebt haben“, sagte die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa am Sonntag. Ein 25-Jähriger griff mit einem Messer drei Beamten an. Dabei wurde ein 30-jährige Polizeikommissarin und ihr 35 Jahre alter Kollege schwer verletzt. Der Tatverdächtige wurde festgenommen. Gegen ihn wird wegen versuchter Tötung ermittelt.

Es flogen Flaschen und Steine auf die eingesetzten Beamten. Insgesamt 29 Beamte erlitten bei der Auseinandersetzung Verletzungen – zum Teil hätten die Salafisten mit von Zäunen abgebrochenen Latten auf die Polizisten eingeschlagen. Die Einsatzkleidung der Beamten verhinderte dabei Schlimmeres. Zudem wurden mehrere Streifenwagen beschädigt. Nachdem die Situation eskalierte, wurde die Pro-NRW-Veranstaltung abgebrochen. Allerdings seien gewaltbereite Salafisten noch für etwa eine Stunde durch den Stadtteil marodiert, sagte der Hundertschaftsführer der Polizei, Klaus Kapellner.

109 Personen wurden festgenommen. Es werde geprüft, inwieweit sie sich des Landfriedensbruchs schuldig gemacht haben, erklärte Oberstaatsanwalt Bernd König. Gegen den 25-jährigen mutmaßlichen Messerstecher dauerten die Ermittlungen an. Der gebürtige Türke stamme aus Hessen und sei bereits wegen Körperverletzungs- und Waffendelikten in Erscheinung getreten. Nach Angaben von König wurde die Tat auf Video aufgenommen. Der Tatverdächtige sollte noch im Laufe des Sonntags dem Haftrichter vorgeführt werden.

Proteste verliefen zunächst friedlich

Laut Polizei beteiligten sich knapp 30 Personen an der islamfeindichen Pro-NRW-Kundgebung. Rund 600 Gegendemonstranten fanden sich ein – darunter etwa 200 Salafisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Zunächst sei die Gegendemonstration noch friedlich verlaufen, als die Westergaard-Karikatur gezeigt wurde, sei es aber zu einem „massiven Steinwurf und schweren Angriffen auf die Kollegen gekommen“, sagte Polizeiführer Dieter Weigel. Er habe noch nie eine solche Art der „Gewalt gegen Polizeibeamten erlebt“.

Jäger: Mehrheit der Muslime grenzt sich von Salafisten ab

Innenminister Ralf Jäger (SPD) informierte sich am Sonntag im Polizeipräsidium Bonn über die Vorfälle. Als Reaktion erließ er erneut Auflagen an die Polizei, wonach Pro NRW bis auf weiteres die umstrittene Westergaard-Karikatur nicht zeigen darf. „Die Beamten dürfen nicht gefährdet werden“, sagte er.

Es ist bereits der zweite Versuch, das Zeigen der Karikatur zu unterbinden. Beim ersten Mal hatte Pro NRW die Präsentation der Karikatur vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt. Er hoffe, dass die Auflagen mit Blick auf die aktuellen Vorfälle nun „Bestand hätten“, betonte Jäger. Der Innenminister verwies zudem darauf, dass es sich bei den gewaltbereiten Salafisten um eine Gruppe von rund 1.500 Personen handelt, die mit der Mehrheit der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime nicht gemein habe.

Jäger lässt schriftlich mitteilen: „Es macht mich wütend, dass Polizisten, die die Versammlungsfreiheit schützen, jetzt im Krankenhaus liegen. Das ist das Infame der Provokationen von pro NRW, dass unsere Beamten dafür leiden müssen.“ Er wies darauf hin, dass es hier um deutlich mehr gehe als um einen unanständigen Wahlkampf. „Pro NRW ist gefährlich für unsere Demokratie“, warnte Jäger. „Wir Demokraten dürfen einer wirren rechtsextremistischen Gruppe nicht das Feld überlassen. Die Rechtsextremisten von pro NRW schüren gezielt Hass gegen vier Millionen Muslime, die friedlich bei uns in Deutschland leben und die sich von den Salafisten distanzieren. Diese Ausländerhetze ist erbärmlich und gefährlich für unser Land. Alle Menschen, die hier leben, sollen sich sicher fühlen, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religion“, machte der Minister deutlich.

Am Samstag hatte die Partei Pro NRW zudem Kundgebungen in Aachen und Leverkusen vor dortigen Moscheen veranstaltet. Auch dort gab es Gegendemonstrationen, die allerdings ruhig verliefen. Die Auseinandersetzungen in Bonn waren die zweiten innerhalb von einer Woche: In Solingen hatten am 1. Mai Salafisten bei einer Pro-NRW-Aktion Steine auf Polizisten geworfen. Drei Beamte, ein Passant und ein Muslim wurden verletzt.

Am Dienstag plant Pro-NRW vor der Baustelle der Ehrenfelder Moschee in Köln eine anti-islamische Kundgebung. Mehrere Initiativen haben zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Sollten die Gerichte für Jägers Verbot stimmen, dann dürfte Pro-NRW die Karikaturen in Ehrenfeld nicht zeigen.

Hier lesen Sie die Meldung vom gestrigen Tag zu den Auseinandersetzungen in Bonn >

Autor: Michael Bosse, dapd | ag
Foto: Teilnehmer einer Kundgebung von Muslimen gegen eine Wahlkampfaktion der rechtsextremen Partei Pro NRW demonstrieren am Samstag (05.05.12) unter Beobachtung von Polizisten vor der islamischen Koenig-Fahd-Akademie in Bonn neben einem Plakat mit dem Zitat des Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): „Ich suchte in der Geschichte nach einem Menschen als Vorbild, da fand ich den arabischen Prophet Muhamed“ . Foto: Hermann J. Knippertz/dapd