Die Gegendemonstration auf dem Kurt Hackenberg-Platz am 4. September 2022. | Foto: Bopp

Köln | Seite an Seite marschierten heute zwei rechte Politiker, Markus Beisicht und André Poggenburg; durch Köln bei einer Kundgebung und einem Aufzug, den Elena Kolbasnikova angemeldet hatte und die schon den pro-russischen Autokorso organisierte. Es gab Protest von „Köln gegen Rechts“, „Omas gegen Rechts“, „Freies Russland NRW“ und „Köln stellt sich quer“.

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Putinversteher und Rechte auf dem Roncalliplatz

Die Hauptredner auf der pro-russischen Demonstration waren zwei deutsche Politiker aus dem rechten Spektrum. Markus Beisicht, heute Beisitzer von Aufbruch Leverkusen, früher Pro NRW und Pro Köln. Sichtlich genoss es Beisicht auf dem Roncalliplatz zu stehen und zu sprechen. Unter anderem forderte er den Rücktritt von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und diese auf, in die Ukraine auszuwandern. Der Verfassungsschutzbericht NRW aus dem Jahr 2020 schätzt die Bedeutung des Aufbruch Leverkusen als „lokale rechtsextremistische Splittergruppe“ ein. Beisicht und der Aufbruch Leverkusen halten guten Kontakt zu ehemaligen AfD-Politikern. So traten beim Neujahrsempfang am 12. Januar 2020 der Ratsgruppe Aufbruch Leverkusen André Poggenburg und die ehemalige AfD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein Doris von Sayn-Wittgenstein auf.

Nach Beisicht trat André Poggenburg ans Mikrofon und bedankte sich artige bei Kolbasnikova für die Einladung durch das Bündnis „Brücke Russland-Deutschland“ Am Revers trug er die blaue Kornblume, dem Symbol seiner neuen Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“, die der NRW-Verfassungsschutz 2020 in seinem Bericht als rechtsextremistische Kleinstgruppierung im Zusammenhang mit dem Aufbruch Leverkusen nennt, nachdem er aus der AfD ausgetreten war. Die blaue Kornblume war das Erkennungszeichen der österreichischen Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1938. Damals war die NSDAP in Österreich verboten. In der AfD galt Poggenburg als Rechtsaußen.

Dass rechte Politiker als Hauptredner auf einer Demonstration in Köln sprechen, störte die Teilnehmer:innen nicht und sie jubelten diesen zu. Auch Poggenburg forderte wie Beisicht den Rücktritt von Baerbock. Poggenburg leugnete den Angriffskrieg Russlands und sagte, dass Russland vom Westen ein Krieg aufgezwungen und Russland zum Handeln gezwungen wurde. Unter tosendem Applaus nannte Poggenburg das Handeln Putins rational und besonnen, sowie: „Frau Annalena Baerbock, Sie sind eine Schande für Deutschland.  Frau Annalena Baerbock, Sie sind eine Gefahr für Europa. Treten Sie zurück. Nehmen Sie ihre ganzen Volksverräter mit. Treten Sie selbst zurück, bevor Sie vom Thron gestoßen werden.“ Es folgten rechte Medienschelte und Werbung für alternative Medien. Statt Widerspruch erfuhren Beisicht und Poggenburg als Hauptredner Zuspruch von rund 800 Teilnehmenden. Später gingen sie Seite an Seite an der Spitze der Demonstration durch Köln.

Der Gegenprotest

Auf dem Kurt-Hackenberg-Platz sprach Reiner Hammelrath, SPD, für „Köln stellt sich quer“ und begann mit einem Zitat von Kurt Tucholsky aus dessen Text „Deutschland erwache“. Köln sei wachsam, wenn „Rechtsextremist“ Beisicht zu einer Großdemonstration aufrufe. Lauter Protest sei das Gebot der Stunde. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zu allen Gegenprotesten, auch der „Omas gegen Rechts“ nur rund 400 Menschen gekommen waren. Das konnte Köln schon einmal besser.

Hammelrath nannte die Demonstration auf dem Roncalliplatz eine explosive Mischung aus Nazis, Rechtsextremisten, Rechtspopulisten, Rassisten, Nationalisten, Antisemiten, Coronaleugnern und Impfgegnern, Putin-Fans, Verschwörungstheoretikern, Identitären und sonstigen rechtsextremen Schattengewächsen, die darauf abzielten – wenn auch verbrämt – die Demokratie zu zerstören. Hammelrath wurde deutlich: „Das sind nicht die oft zitierten besorgten Bürger. Wer mit Nazis demonstriert, Ihre Parolen toleriert, ist kein besorgter Bürger, sondern ein lupenreiner Rechtsradikaler.“

Ukrainer zeigen Flagge

Am Rande der Demonstration traf report-K Andrej aus Charkiw, der den 24. Februar in seiner Heimatstadt Charkiw erlebte. Er erlebt diese pro-russische Demonstration als sehr schmerzhaft, denn er sei ein Mensch gewesen, der am 24. Februar durch die Explosionen geweckt worden sei. Er kann nicht verstehen, warum Menschen die russische Politik und Putin unterstützen können. Zudem stellte Andrej fest, dass die Teilnehmer sehr aggressiv waren und das Themenspektrum sehr gemischt. Damit würde ein falsches Bild übermittelt.

Die Rechte wittert Morgenluft

Eines wurde klar an diesem Sonntag in Köln: Die Rechtsaußen in der Politik wittern Morgenluft. Sie bieten ein breites Spektrum an Protestthemen an, und wie Andrej aus Charkiw dies richtig beobachtet, blähen sie damit die Masse an Demonstrierenden auf, die bei einem monothematischen Ansatz noch verschwindend geringer wäre.

Die Kölner Polizei spricht von einem ruhigen Verlauf. An einer Stelle warfen Gegendemonstranten Pyrotechnik auf Beamte. Es wurde aber nach ersten Erkenntnissen niemand verletzt. Die Täter konnten fliehen. Zudem berichtet die Kölner Polizei, dass auf der prorussischen Demonstration die ersten beiden Strophen der deutschen Nationalhymne gesungen wurden.