Mindestlohn unter der Armutsgrenze
Laut der Kampagne Clean Clothes Campaign (CCR) sind vor allem die Schnäppchenpreise in Europa Schuld an menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Denn um die billigsten Preise auf dem Markt liefern zu können, würden Discountläden ihre Produkte in Fabriken etwa in Indien oder Bangladesch herstellen lassen. Dort zahlten sie deutlich geringere Personalkosten als in Europa. Der dortige gesetzliche Mindestlohn reiche jedoch oft nicht, um den Arbeitern eine menschenwürdiges Leben für sich und ihre Familie zu sichern. In einigen Ländern erfülle der gesetzliche Mindestlohn nicht einmal die international festgelegte Definition für Armutsgrenzen. In Bangladesch liege der monatliche Mindestlohn beispielsweise unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag.  

Die CCR will diese Situation ändern. Sie fordert, dass ein gerechter Mindestlohn für Arbeiter in der Textilbranche eingeführt wird. Der wäre in manchen Ländern zwei bis dreimal so hoch wie der derzeitige Mindestlohn. Dennoch, so die CCR, würde diese Veränderung die Preise in den Discountläden nicht viel steigen lassen. Der Preis einer Jeanshose würde sich beispielsweise lediglich von 20 auf 21 Euro erhöhen.

Angst vor Entlassung
Die Arbeiter der Zuliefererbetriebe selbst trauen sich nicht, auf ihre Probleme aufmerksam zu machen – aus Angst, ihre Arbeit und das wenige Einkommen, das sie haben, zu verlieren. Es gibt laut der CCR zwar Kontrollen, die die Arbeitsbedingungen überprüfen sollten. Sie würden aber nicht die Ausbeutung von Arbeitern verhindern. So berichtet Kamala Nehru, eine Arbeiterin aus Bangalore (Indien) in einem Interview, dass es vor den Kontrollen  „zahlreiche Vorbereitungen“ gibt. „ArbeiterInnen, die mit ihnen [Kontrolleuren, Anm. d. Redaktion] sprechen dürfen, werden ausgewählt und die „richtigen“ Antworten mit ihnen einstudiert“, so Nehru weiter. Aus Angst die Arbeit zu verlieren, würde sich zudem kein Arbeiter trauen, die tatsächlichen Bedingungen darzulegen. Daher würden sie in Ländern wie Indien, Bangladesch oder Sri Lanka auch in keine Gewerkschaften eintreten, die ihre Rechte vertreten könnten.

Protestaktion vor Lidl
Insgesamt beteiligen sich Organisationen aus elf europäischen Ländern an CCR. In Deutschland nehmen über 20 Organisationen teil, darunter ver.di, Inkota, Terre des Femmes, die Christliche Initiative Romero (CIR) und Netz-Bangladesch. Um auf die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen, reisen die Organisationen derzeit mit einer Informationstour durch Deutschland. Diese Woche veranstaltet die Kampagne zahlreiche Informationsangebote in Köln. So will sie beispielsweise heute deutschlandweit gesammelte Postkarten von Konsumentinnen an die Lidl-Geschäftsführung übergeben. Die Postkarten sollen Lidl auffordern, ihre Verantwortung für Arbeiterinnen und Arbeiter in internationalen Zulieferbetrieben wahrzunehmen. Bei der Informationstour sollten eigentlich auch Kamala Nehru und Usha Ravijumar, eine weitere Zeugin der dortigen Arbeitsverhältnisse, dabei sein. Beide Frauen sind jedoch aus bislang unbekannten Gründen nicht – wie eigentlich geplant – am Sonntag in Deutschland angekommen. Auch Versuche, sie zu erreichen, sind bislang gescheitert.

Ausbeutung von Arbeitern findet laut der CCR übrigens nicht nur in Ländern der Dritten Welt statt. Auch in Deutschland würden Discountläden gegen Menschenrechte verstoßen. Beispielsweise würden Arbeiter bei Lidl keine Pausen und ihre Überstunden nicht bezahlt bekommen.

Fiona Schneider für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
[Foto: pqm/ www.pixelio.de]