Köln | Saufen, pissen, Müll produzieren und Lieder grölen – so sah Karneval für viele vor wenigen Wochen am 11.11. aus. Was eine heftige Diskussion über den „wahren“ Karneval auslöste. Was Karneval auch sein kann, zeigt jetzt die Ausstellung „Trotzdem Alaaf“ im Stadtmuseum: Sie erinnert an den wegen des Zweiten Golfkriegs ausgefallenen und dann „eroberten“ Rosenmontagszug 1991 und die Polizeikulissen von 2017.


Vor der Severinstorburg trafen sich die unorganisierten Narren um sich den Rosenmontags-Zugweg zu erobern. | Foto: Bernhard D. Sanders

Ende 1990 hatten die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein das benachbarte Kuwait okkupiert. Am 17. Januar 1991 startete unter Führung der USA die Gegenoffensive „Operation Wüstensturm“. Aus Solidarität und als Symbol – „Kein Karneval in Kriegszeiten“ – sagte das Kölner Festkomitee den Rosenmontagszug ab.

Rosenmontag funktioniert auch ohne Festkomitee

Das gefiel nicht allen: Die Karnevalsgesellschaft Rote Funken, die anarchistische Karnevalsvereinigung De Ahl Säu und die Friedensbewegung ließen sich von der Absage nicht abhalten und starteten eigene „Rosenmontagszüge“, zum Teil auf der offiziellen Route. Was zu bis heute einmaligen Verbrüderungen führte.

Auch die Mitglieder der Stunksitzung waren mit einem „Motto-Trecker“ dabei – nach heftigen internen Diskussionen und mit der linken Szene, erinnert sich Jürgen Becker, damals Präsident der Stunksitzung. Nicht wenige meinten auch hier: „Wie kann man in dieser Zeit Karneval feiern?“. „Wenn Karneval ausfällt, gerät der Psycho-Haushalt des Kölners durcheinander“, begründet Becker heute die Entscheidung von damals.

Bei „strömendem Schnee“ zogen die Jecken durch Köln

So gab es bei „strömendem Schnee“ ein buntes Gemisch aus klassischem Karneval und karnevalistisch angehauchten Friedensdemonstrationen. „Lieber rheinischer Frohsinn statt politischer Starrsinn“, hieß es auf einem Transparent, „Mir Kölsche sin wie jeck op Friede“ und „Schickt die Politiker in die Wüste“ auf anderen.

Zahlreiche Fotografen hielten dieses Geschehen fest, 89 Schwarzweiß-Aufnahmen von zwölf Fotografen und Fotografinnen sind jetzt im Stadtmuseum zu sehen. Ergänzt werden sie von Filme und „Devotionalien“ wie der „Irokesen“-Perücke von Jürgen Becker oder der „Führungs“-Trommel mit dem Motto „Make fasteLOVEnd not war!“. Schließlich noch historische Fotos aus den Jahren 1946 bis 1949, als Karneval zwischen und auf Trümmern gefeiert wurde.

2017 fand Karneval unter starkem Polizeischutz statt

Ein krasser Gegensatz dazu – nicht nur farblich – die 40 Farbaufnahmen vom Rosenmontag dieses Jahres. Unter dem Eindruck terroristischer Anschläge sorgte ein ungewohnt großes Polizeiaufgebot mit seinen Absperrungen für leere Straßen. Gefeiert wurde trotzdem, wie die Fotos zeigen. Und auch die Flaschensammler kamen auf ihre Kosten.

Als wenige Jahre später deutsche Soldaten im Jugoslawien-Krieg im Einsatz waren, wurde der Rosenmontagszug nicht abgesagt. Eine „Spätfolge“ der Absage von 1991 war die Gründung des Geisterzuges, dessen Wunsch nach einem „politischen Umzug“ allerdings nur selten erfüllt wird.

[infobox]„Trotzdem Alaaf! Kölner Rosenmontagszug 1991 und 2017“ – bis 25. März 2018.“

Kölnisches Stadtmuseum, Zeughausstr. 1-3, 50667 Köln, Di 10-20 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr, am ersten Donnerstag eines Monats 10-22 Uhr, Eintritt 5/3 Euro. Umfangreiches Begleitprogramm.

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Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: Blick in die Ausstellung „Trotzdem Alaaf!“: Die Trommel von damals hat bis heute „überlebt“. | Foto: ehu