Solingen hat aus dem Brandanschlag gelernt
Der Solinger Oberbürgermeister Franz Haug erinnerte an die Stunden im Mai 1993 und erinnerte an die große Geste von Mevlüde Genc, die wenige Stunden nach der Tod ihrer Kinder und Enkel Deutsche und Türken dazu aufrief, Freunde zu werden. "Auch in Solingen haben Politik, Verwaltung und große Teile der Stadtgesellschaft dazu gelernt", so der Solinger OB Haug, der auf den Solinger Integrationsplan hinweis, der seit 2001 konkrete Ziele verfolge. "Ich begrüße die Verleihung des Genc-Preises in Solingen an Kamil Kaplan und Fritz Schramma. Die Öffentlichkeit braucht das Vorbild von Menschen, die uns auf dem Weg zum respektvollen Miteinander der Menschen, Kulturen und Religionen vorangeschritten sind."

Der Genc-Preis ist ein Versöhnungspreis
Der Genc-Preis wurde von der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung initiiert und heute zum ersten Mal verliehen. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Köhler. Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, der türkische Staatsminister Prof. Dr. Mustafa Said Yazicioglu und Christina Rau, die Frau des früheren Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten wohnten der Gedenkveranstaltung bei. Der Genc-Preis verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll er Fremdenfeindlichkeit verurteilen und zeigen dass Versöhnung möglich ist und friedliches Zusammenleben möglich ist. Der Genc-Preis ist ein Versöhnungspreis. Der Preis wird im Turnus von zwei Jahren an lebende Persönlichkeiten verliehen, ist mit 10.000 Euro dotiert und kann geteilt werden. Dr. Yasar Bilgin, der Vorsitzende der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung: "Wir wünschen uns, dass wir alle gemeinsam einen Beitrag dazu leisten werden, dass unser Land Deutschland für uns alle zur Heimat wird und dass es uns für die Zukunft gelingen wird, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit zu überwinden und zu einem friedvollen, toleranten und versöhnlichen Miteinander zu finden."

Solingen war ein Anschlag auf das Grundgesetz
Der Integrationsminister des Landes NRW Armin Laschet machte deutlich: "Der Brandanschlag von Solingen war ein Anschlag auf Deutschland und die Werte des Grundgesetzes". Zugleich machte der Integrationsminister aber auch klar daß in NRW ein parteiübergreifender Konsens entstanden ist, dass man gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt die Gemeinsamkeit aller demokratischen Kräfte braucht. Der Familie Genc rief Laschet auf türkisch zu [hier die deutsche Übersetzung]: "Ich danke Ihnen sehr Frau Genc. Mit Ihrer Stärke und Ihrer Liebe zu den Menschen, haben sie vieles bewegt, was die allerwenigsten schaffen. Nordrhein-Westfalen ist stolz auf Sie!"

Schäuble: "Integration bereichert"
Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble betonte dass die Kraft und die Stärke der Familie Genc Respekt verdiene, die sich für die Versöhnung eingesetzt hat: "Der heutige Tag bleibt ein Tag der Trauer, aber durch Ihre Haltung ist dieser Tag auch ein Tag der Hoffnung. Der Brandanschlag von Solingen war eine Zäsur.", so Schäuble und weiter "Unser Zusammenleben gründet auf Solidarität und Engagement und dass das für Alle gilt unabhänig von Herkunft und religiöser Zugehörigkeit." Schäuble dankte dem Preisträger Kamil Kaplan für seine besonnene Haltung nach dem Brandanschlag in Ludwigshafen, die dazu beigetragen hat die Ursache lückenlos aufzuklären. Schäuble machte deutlich, dass Integration und Zuwanderung eine Bereicherung für das aufnehmende Land sind. Das man aber mit den Zuwanderern respektvoll umgehen muss und ihnen Anerkennung entgegenbringen muss, sei Verpflichtung für die Aufnehmenden. Aus seiner eigenen Heimat Südbaden erzählte Schäuble, dass es viele Moscheen in den kleinen Dörfern und Städten gebe und dies ein guter Weg der Integration sei und das Leben bereichert habe: "Moscheen sind ein Beitrag zur Integration, aber die Verantwortlichen müssen auch Transparenz im Gespräch mit den Anwohnern signalisieren." Den Dialog in der Islamkonferenz sieht er nicht als kurzfristig erledigt an, sondern angelegt als langfristigen respektvollen Dialog miteinander.

Der türkische Botschafter in Berlin A. Ahmet Acet verdeutlichte, dass die feigen und abscheulichen Brandanschläge von Mölln und Solingen nicht aus dem Gedächtnis zu löschen sind. Seinen Landsleuten sagte der Botschafter, dass sie aber nicht in Angst leben brauchen und dass beide Staaten sich für Integration einsetzen werden. Für den Preis wünscht sich der Botschafter, dass er ein Symbol für ein Zusammenleben in Harmonie werde. Auch die Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt, Prof. Dr. Maria Böhmer betonte die Gemeinsamkeiten: "Deutschland ist unsere Heimat, Ihre wie meine. Wenn wir gemeinsam nicht nachlassen in unserem Bemühen um Verständigung, wenn wir die Botschaft dieses Preises in das Land tragen, dann wird dieses Land zur Heimat für alle – gleich welcher Herkunft."

Der türkische Staatsminister für die im Ausland lebenden Türken Prof. Dr. Mustafa Said Yazicioglu ist davon überzeugt, dass man gemeinsam Fremdenfeindlichkeit begegnen kann und muss. "Auch heute bestehen leider Bemühungen die Ausländerfeindlichkeit, welche auf Vorurteilen beruht zu schüren. In diesem Rahmen wird man Zeuge von schriftlichen und realen Taten. Ich glaube daran, daß wir gemeinsam mit unseren deutschen Freunden dagegen angehen und diese stoppen können."

Kamil Kaplan – der Versöhner
Kamil Kaplan wird in der Türkei geboren und lebt seit 1990 in Heidelberg bei Ludwigshafen. Regelmäßig besucht er seine Eltern in jenem Haus, das am 3. Februar 2008 brennt. Seinen kleinen Neffen Onur kann er noch retten, fast seine gesamte Familie, Mutter, Ehefrau und Kinder kommen bei dem tragischen Brandunglück ums Leben. Als dann die Mutmaßungen um die Brandursache beginnen zeigt Kamil Kaplan Mut und ruft zur Versöhnung und zur Besonnenheit auf. Die Laudatio hielt Emine Demirbüken-Wegner. Kamil Kaplan dankte mit den Worten "In Zeiten wie diesen tut es gut zu wissen, daß man viele Freunde hat. Den Genc-Preis nehme ich als Zeichen der Versöhnung gerne entgegen." Zu einer bewegenden Szene kam es, als der Polizeibeamte der den Neffen von Kamil Kaplan auffing die Bühne betrat und Kamil Kaplan umarmte.

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma
Halit Celikbudak, der Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Hürriyet, lobte den Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma als einen Mann der mehr sein will, als nur ein gewählter Vertreter: "Ich sehe in Ihrem Handeln die Moral eines Unaufgeregten. Denn ein moralischer Mensch pflückt keine Sterne vom Himmel. Aber er begnügt sich auch nicht damit, einfach nur die Tagesgeschäfte am Laufen zu halten. Für Sie, Herr Oberbürgermeister Schramma, ist es ein großes Anliegen, dass die Frauen und Männer fremder Herkunft in ihrer Stadt sich als Kölnerinnen und Kölner verstehen." Als besonderes Zeichen küsste Celikbudak nach alter guter türkischer Sitte Schramma auf die Wangen und umarmte ihn.

Schramma: Sie haben mir den Rücken gestärkt.
Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma bedankte sich für den Preis und erklärte dass er sich auf die Moschee freue, die ein Prototyp für eine schöne Großmoschee in Deutschland sein soll. Gerade sei man dabei den Bauantrag zu prüfen und die Stadt Köln werde alles dafür tun dass es nun endlich losgehen kann. Schramma betonte aber auch, dass der Preis eine Entschädigung sei für die vielen 100 E-Mails und Briefe mit Beschimpfungen und Bedrohungen die er erhalten habe. Schramma sieht alle Demokraten in der Pflicht sich für die Integration einzusetzen, denn nach seiner Auffassung ist sie noch nicht gelungen. Auch in Köln gebe es Kräfte die Schwierigkeiten machen die Integration nach vorne zu bringen. Das Preisgeld von 5.000 Euro will Schramma einem Kölner Integrationsprojekt spenden, dass sich dem Sport und sprachlicher Förderung verschrieben hat. "Integration ist eine kommunale Aufgabe und sie haben mir heute den Rücken gestärkt.", sagte ein sichtlich bewegter Kölner Oberbürgermeister.


Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung