Yael Deckelbaum bei ihrem Konzert in der Lutherkirche Köln am 24. Februar 2024. | Foto: Nunnendorf

„Ich bin heute Abend hier für die Kinder aus Palästina genauso wie für die Kinder aus Israel“

Ein Konzertbericht von Marlene Nunnendorf

Köln | Dies israelische Sängerin, Komponistin und Friedensaktivistin Yael Deckelbaum bereist derzeit mit ihrer „Prayers of the Mothers“-Tournee verschiedene Städte in Europa. Mit dieser Tournee erhebt sie ihre Stimme für Frieden und Verständigung in Gaza und Israel sowie weltweit. Die Konzerte in Köln und Berlin waren laut Veranstalterin innerhalb von vier Wochen komplett ausverkauft. Marlene Nunnendorf hat sich das Konzert am 24. Februar 2024 in der Lutherkirche in Köln angesehen und im Anschluss mit der Künstlerin gesprochen.

Als Yael Deckelbaum die Bühne betritt, wird sie in der ausgebuchten Lutherkirche mit großem Applaus vom Publikum begrüßt. Sie setzt sich und beginnt mit merklich bewegter Stimme zu sprechen. Im Publikum ist es nun ehrfürchtig leise.  Die Künstlerin sagt auf Englisch: „Ich werde zunächst im Sitzen singen. Ich hatte Angst vor dieser Reise und seit zwei Wochen habe ich nun eine Rückenblockade, ich muss Medikamente nehmen. Wir werden sehen, wie es läuft“. Die Künstlerin berichtet, wie sie zuletzt am 7. Oktober in Deutschland gewesen sei.  „Jetzt bin ich zurück und bin – wie wohl alle Menschen in Israel und Gaza – nicht mehr dieselbe Person“. Die ganze Situation habe sie persönlich sehr getroffen und ihren Glauben und ihre Hoffnung für einige Zeit zu Scherben zerschmettert. Doch sei ihr bewusst geworden, dass es in dieser Zeit besonders wichtig sei, die Vision von Frieden in Gaza und Israel aufrechtzuerhalten.

Das Interview das Marlene Nunnendorf mit der Sängerin in Köln führte:

„Ich möchte hier die Botschaft der liberianischen Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee zitieren: Frieden ist möglich, aber nur wenn Frauen von Integrität und Glauben zusammenhalten und aufstehen für die Zukunft ihrer Kinder“, sagt Yael Deckelbaum. Das Beispiel Liberia liefere eine große Inspiration, da es dem engagierten und konstruktiven Eingreifen der liberianischen Frauen zu verdanken sei, dass einer der blutigsten Bürgerkriege beendet werden konnte.

„Ich wünschte, ich könnte mich hier hinstellen und eine Lösung für die Situation in Gaza und Israel präsentieren. Das kann ich aber nicht“, sagt Yael Deckelbaum. Es sei aber eben auch wichtig, manchmal keine Antworten zu erzwingen und die Leere zuzulassen, damit Antworten entstehen könnten, die größer seien als unser Geist es gerade zuließe, so Deckelbaum. Dies sei eine Stärke der Frauen.

„Ich habe das Gefühl, dass wir Frauen vergessen haben, was es bedeutet, eine freie Frau zu sein. Ich bin aber überzeugt, dass freie Frauen eine Gesellschaft zu Frieden führen können“, kündigt die Sängerin ihr erstes Lied „Freya“ an. In diesem Werk geht es um eine Unterhaltung zwischen einer eher angepassten Mutter und einer freien und aufbegehrenden Tochter.

Yael Deckelbaum vereint eine virtuose, gleichermaßen kraftvolle wie zärtliche Stimme mit einem gefühlvollen Gitarrenspiel. Ihre Texte motivieren und inspirieren, fassen wichtige Botschaften in eingängigen Melodien und Rhythmen zusammen. So gelingt es ihr spielend, den gesamten Saal immer wieder zum Mitsingen zu bewegen. „War is not a women’s game“ (Krieg ist kein Spiel der Frauen) singt und klatsch das Publikum engagiert.

Hohe Energie im Raum

Die Interaktion zwischen der Künstlerin und den Besucherinnen und Besuchern ist stark, die Energie im Raum hoch und längst steht Yael Deckelbaum wieder hinter dem Mikrofon.

„Es bedeutet mir sehr viel, dass Ihr alle heute hier seid, sodass wir gemeinsam die Vision von Frieden halten und weitergeben können. Ich möchte betonen, dass ich nicht meine Regierung bin und dass die Israelis nicht ihre Regierung sind“, sagt Yael Deckelbaum mehrfach. „Lasst uns den Raum und Gebete für alle Opfer gleichermaßen halten, sowohl für palästinensische wie für israelische Opfer als auch für die Geiseln.“

Yael Deckelbaum betont in ihrer Arbeit immer wieder die Kraft der Frauen und wie wichtig der Beitrag von Frauen für das Erreichen eines friedlichen Zusammenlebens ist. Diese Kooperation und Unterstützung lebt die Künstlerin auch in ihrer Arbeit. Sie gibt während des Konzertes auch weiteren Musikerinnen einen Platz auf der Bühne. Der Künstlerin Nalini Blossom mit eher mystischen Melodien, begleitet von der Percussionistin Malika, zur Eröffnung des Konzerts. Ihre Texte befassen sich ebenfalls mit Empowerment von Frauen.

Duette mit der palästinensischen Sängerin Meera Eliabouni

Eines der Highlighte des Abends sind die Duette mit der palästinensischen Sängerin Meera Eliabouni. Die beiden Frauen stehen als Sinnbild dafür auf der Bühne, wofür sie eintreten: Frieden und Unterstützung zwischen Palästinenserinnen und Palästinensern sowie Israelis.

So wird auch „Prayers oft he Mothers“ als Duett gesungen, während der gesamte Saal unterstützt. Immer wieder singt das Publikum den Refrain mit: „From the North to the South, from the West to the East, hear the prayers of the mothers, bring them peace” („Vom Norden bis zum Süden, vom Westen bis zum Osten, erhöre die Gebete der Mütter, bringe ihnen Frieden“).

Der Song „Prayers oft he Mothers“ ist mit seinem Text auf Hebräisch, Arabisch und Englisch eine starke Hymne für das Women wage Peace Movement („Frauen wagen Frieden“- Bewegung). In dieser Bewegung sind tausende von israelischen und palästinensischen Frauen gemeinsam für Frieden und Kooperation aktiv.

Vorschau auf neues Album in Köln

Ursprünglich hatte Yael Deckelbaum geplant, im November 2023 das Album „Surrender“ (auf Deutsch „Aufgeben“ oder „Hingabe“, je nach Kontext) herauszugeben. Doch der 7. Oktober mit dem brutalen Massaker und dem darauffolgenden Krieg in Gaza und Israel machten den Titel zu dem Zeitpunkt unmöglich. Es habe dann deutlich gemacht, dass noch einmal eine „Prayer oft he Mother“-Tournee gebraucht werde, erklärt die Veranstalterin Anjali Mlinarik von der Agentur Together We Rise Booking und Artist Development zum Hintergrund der Tournee. Berlin und Köln seien innerhalb von vier Wochen komplett ausverkauft gewesen, was den Bedarf an der friedvollen Vision bestätige.

Eine Vorschau auf das Surrender-Album gibt Yael Deckelbaum an diesem Abend und kündigt damit ihre Tournee im November 2024 an.

Das Konzert endet damit, dass Yael Deckelbaum die drei anderen Musikerinnen auf die Bühne holt und den Eröffnungssong von Nalini Blossom wieder aufnimmt. Das Publikum und die Künstlerinnen scheinen am Ende zu einem großen Ganzen verschmolzen zu sein.

Die weiteren Tournee-Termine sowie Tickets finden Sie hier: https://yaeldeckelbaum.com/yael/live