Köln | Im jüngsten ZDF-Politbarometer bleiben die Grünen weiter vorne, ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verliert aber deutlich an Zustimmung. Auf der Bewertungsskala von +5 bis -5 Punkten rutscht sie von einem Durchschnittswert von +1 auf +0,5 Punkte ab, laut Matthias Fornoff vom ZDF ein „bemerkenswerter Absturz“. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, würden die Grünen auf 25 Prozent kommen, ein Punkt weniger als vor zwei Wochen. Baerbock räumt allerdings Fehler ein und die Verbände kritisieren die Nachmeldung ihrer Einkünfte.

Auch die Union verliert einen Zähler und kommt auf 24 Prozent – der historisch schlechteste Wert im ZDF-Politbarometer. Zulegen kann die FDP um einen Punkt und erreicht jetzt 11 Prozent. Allesamt unverändert sind SPD (14 Prozent), AfD (11 Prozent) und die Linke (7 Prozent).

Einzeln ausgewiesen werden neuerdings die Freien Wähler mit 3 Prozent, die noch kleineren Parteien kommen zusammen auf 5 Prozent. Weiteres Ergebnis: Die Zufriedenheit mit den aktuellen Corona-Maßnahmen nimmt zu. 60 Prozent halten sie für „gerade richtig“, elf Prozent mehr als bei der letzten Umfrage vor zwei Wochen.

Nur noch 14 Prozent sind der Meinung, sie müssten härter ausfallen, neun Punkte weniger. Unverändert 24 Prozent halten die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen allerdings für übertrieben.

Baerbock räumt Fehler bei Nebeneinkünften ein

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat in der Debatte um zu spät gemeldete Nebeneinkünfte an die Bundestagsverwaltung Fehler eingeräumt. „Das war ein blödes Versäumnis“, sagte sie dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe). „Und klar, ich habe mich darüber selbst wahrscheinlich am meisten geärgert. Als es mir bewusst wurde, habe ich es sofort nachgemeldet.“ Die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge mahnte, alle demokratischen Parteien stünden in der Verantwortung, im Wahlkampf „fair und mit Anstand“ miteinander umzugehen. „Die CSU scheint diesen Pfad aber zu verlassen und lieber in Trump-Manier handeln zu wollen“, sagte Dröge dem „Handelsblatt“.

Das Niveau einiger CSU-Politiker beim Nachrichtendienst Twitter sei „teilweise vollkommen unterirdisch“. Nach Einschätzung des Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer könnten die Diskussionen um Baerbock zu einer Belastung für ihren Wahlkampf werden. „Da die Grünen durch den Hype um Baerbock selbst einen personenzentrierten Wahlkampf führen, bleiben die Debatten um ihre Person natürlich nicht ohne jegliche negative Folgen“, sagte Niedermayer dem „Handelsblatt“.

Gleichwohl gehöre Gegenwind vom politischen Gegner zum Wahlkampf dazu – und solange die Kritik nicht beleidigend werde, müsse eine Kanzlerkandidatin das aushalten. Beim Thema Nebeneinkünfte sieht Niedermayer ein Glaubwürdigkeitsproblem für die Grünen. „Wenn man andere für ihre Nebeneinkünfte kritisiert und selbst welche in nicht unbeträchtlicher Höhe einstreicht und dann auch noch die notwendige fristgerechte Meldung an die Bundestagsverwaltung `versehentlich` versäumt, darf man sich gerade als Partei mit so hohen Ansprüchen an Transparenz und moralischer Integrität wie die Grünen über Kritik nicht wundern“, sagte er.

Verbände kritisieren Baerbocks Nachmeldung von Nebeneinkünften

Die Organisationen Lobbycontrol, Abgeordnetenwatch und Transparency haben die Nachmeldung der Nebeneinkünfte der Grünen-Chefin Annelena Baerbock kritisiert. Der Fall verdeutliche, dass die Anzeigepflicht noch immer nicht genügend in der alltäglichen Praxis der Abgeordneten verankert sei, sagte Timo Lange von Lobbycontrol dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe). „Sie müssen von den Abgeordneten deutlich ernster genommen werden und ihre Büros müssen sie dabei unterstützen.“

Es könne doch nicht so schwer sein, „einmal im Quartal in die Kontoauszüge zu schauen und zu prüfen, ob etwas dem Bundestag gemeldet werden muss“. Die Regelverletzung müsse Konsequenzen nach sich ziehen, etwa eine Ermahnung durch die Bundestagsverwaltung. Die Plattform Abgeordnetenwatch wiederum kritisiert, dass Abgeordnete bisher keine spürbaren Strafen zu befürchten haben.

Zwar seien Baerbocks Nebeneinkünfte nicht vergleichbar mit Lobbyjobs von Abgeordneten, teilte eine Sprecherin dem „Handelsblatt“ mit. Mit diesen habe die Grünen-Chefin allerdings gemein, gegen Transparenzvorschriften verstoßen zu haben. „Die Konsequenz aus den jetzt bekannt gewordenen Pflichtverstößen müssen abschreckende Sanktionen sein“, heißt es.

Vor allem müsse die Prüfung der Nebentätigkeiten durch eine unabhängige Kontrollkommission erfolgen. „Der Bundestagspräsident, der bislang zuständig ist, kann dies als oberster Interessenvertreter der Abgeordneten nicht sicherstellen.“ Auch die Sanktionen seien zu lasch.

Verstöße würden meist nur mit internen Ermahnungen bestraft. „Dies hat keine abschreckende Wirkung“, hieß es. Wiederholte Verstöße müssten deswegen öffentlich gemacht werden. Wolfgang Jäckle, Politikexperte von Transparency Deutschland, sagte dem „Handelsblatt“, es sei nicht das erste Mal, dass Abgeordnete versäumt hätten, Einkünfte aus Nebentätigkeiten fristgerecht offenzulegen. „Daraus wurden bisher jedoch kaum Konsequenzen gezogen“, sagte er. Daher fordere die Organisation, dass die Einhaltung der Verhaltensregeln des Bundestags künftig durch eine unabhängige Kontrollinstanz überwacht werden sollte.

Autor: dts