Köln | Laut einer Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und des Zentrums für Lehrer- und Lehrerinnenbildung der Universität zu Köln sind im Jahr 2015 rund 200.000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter, sechs bis 18 Jahre, neu nach Deutschland zugewandert. Damit habe sich ihr Anteil an der Gesamtschülerschaft seit 2014 von einem auf zwei Prozent verdoppelt. Erweitert man die Gruppe auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von null bis 25 Jahren, die potenziell Zugang zu Angeboten im Bildungssystem benötigen, steigt die Zahl auf 640.000. Das zeige die Untersuchung des Mercator-Instituts.

„Das Bildungssystem muss sich nicht nur auf die Kinder und Jugendlichen einstellen, die derzeit neu nach Deutschland zuwandern, sondern auch jene im Blick behalten, die schon länger hier sind. Sie benötigen weiterhin Sprachförderung im Deutschen. Migration ist ein dauerhaftes Phänomen. Wir begrüßen daher, dass die Kultusministerkonferenz sich in der letzten Woche dazu bekannt hat, Strukturen, Konzepte und Qualifizierungsangebote auf Dauerhaftigkeit auszurichten“, schlussfolgert Professor Dr. Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts.

Für die Studie wurden Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2015 und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Jahr 2015 sowie der ersten Jahreshälfte 2016 ausgewertet. Die aktuelle Untersuchung baue auf einer im Oktober 2015 veröffentlichten Auswertung auf. Die Unterschiede zwischen den Regionen sollen sich 2015 gegenüber dem Vorjahr sichtbar verstärkt haben.Während der Anteil neu Zugewanderter an der Gesamtzahl 6 bis 18-jähriger in Brandenburg bei 1,4 Prozent liegt, verzeichnen das Saarland und Bremen 3,6 Prozent. 2014 lag der Durchschnitt in allen Bundesländern zwischen 0,6 und 1,8 Prozent.

Mehr als ein drittel der Zuwandernden sind im schulpflichtigen Alter

Nicht nur regional, sondern auch zwischen den Schulformen zeige sich ein deutliches Ungleichgewicht. Mehr als ein Drittel der neu Zuwandernden im schulpflichtigen Alter sei zwischen 15 und 18 Jahre alt und benötigt Bildungsangebote an Gymnasien oder beruflichen Schulen. „Diese Tendenz hat sich gegenüber dem Vorjahr noch einmal verstärkt. Daher kommt es jetzt darauf an, insbesondere im Berufsschulbereich und am Übergang zwischen Schule und Arbeitsmarkt neue Angebote zu schaffen“, fordert Mona Massumi, abgeordnete Lehrerin am Zentrum für LehrerInnenbildung und Mitautorin der Studie.

Kaum Veränderungen habe es seit 2014 bei der Regelung der Schulpflicht gegeben. Es hänge noch immer vom Bundesland ab, wann die Schulpflicht für Asyl suchende Kinder greift, so das Mercator-Institut. In einigen Bundesländern gilt sie von Anfang an, in anderen erst nach drei oder sechs Monaten Aufenthalt.

Zugang zur Bildung für Asyl suchende Kinder noch immer nicht leicht

„Die Kultusministerkonferenz hat zwar erklärt, dass schulische Angebote von Anfang an bereitgestellt werden und nicht zwischen geflüchteten und nicht geflüchteten jungen Menschen unterschieden wird. Die Studie zeigt jedoch, dass es hier noch enormen Handlungsbedarf gibt, denn der Zugang zu Bildung für Asyl suchende Kinder ist noch immer erschwert. Es ist Aufgabe der Länder, den Schulzugang gesetzlich zu verankern und die Umsetzung sicherzustellen. Kein Kind sollte vom Schulbesuch ausgeschlossen werden“, sagt Dr. Nora von Dewitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut und Mitautorin der Studie.

Autor: ib | lehrer_lightpoet_fotolia