Gearbeitet wurde an der großen Retrospektive für Haegue Yang schon seit zwei Jahren. Dass die koreanische Künstlerin jetzt den Wolfgang-Hahn-Preis erhalten hat, sorgte für Druck und einen zusätzlichen Werbe-Pluspunkt: Rechtzeitig zur artcologne konnte jetzt auch die Ausstellung „Haegue Yang: ETA 1994-2018“ im Museum Ludwig eröffnet.

Trotz des Zeitdrucks seit Bekanntgabe der Auszeichnung im vorigen September konnte eine beeindruckende Werkschau zusammengestellt werden. Zu sehen sind 120 Skulpturen, Fotos, Gemälde, Videos, Zeichnungen und Installationen Arbeiten – Leihgaben von internationalen Museen, Galerien und privaten Leihgebern.

Eine Arbeit der Preisträgerin fürs Museum gekauft

Ein Exponat gehört ab sofort dem Kölner Museum: Satzungsgemäß ist mit der Preisverleihung ein Ankauf durch die Gesellschaft für moderne Kunst, die auch den Preis ausschreibt, verbunden. Gekauft wurde Yangs „Mountains of Encounter“ (Berge der Begegnung): Eine Installation aus roten Aluminium-Jalousien, sie hängen von der Decke, bewegliche Spots strahlen sie an. Die Künstlerin (1971 in Seoul geboren) spielt damit auf eine Begegnung des koreanischen Freiheitskämpfers Kim San im Jahr 1937 mit einer Bergsteigerin in Wales an. Es könnte aber genauso gut für heutige politische Gipfeltreffen stehen.

Das Spiel mit technisch eher spröden Materialen wie Jalousien und der spielerische Umgang mit ihnen prägt das Werk der Künstlerin. In der Ausstellung taucht der Besucher ein in eine bunte Welt der Phantasie und staunt, woraus man alles Kunst machen kann. Kabel und Glühbirnen, Kiefernzapfen, Federn, Holzstücke, Wolle, Stofffetzen. Ingwer, Muscheln, Narrenschellen, Bast und Stroh. Mit so unterschiedlichen Materialien behängt der internationale Kunststar dann Infusionsständer aus dem Krankenhaus oder rollbare Kleiderständer. So entstehen wunderliche Geschöpfe, die an moderne Schamanen („Medicine Men“) erinnern oder Titel tragen wie „Second Teenage Riot“ („2. Teenager-Aufstand“).

Gegensätze finden auf wunderbare Weise zusammen

In ihnen finden Gegensätze wie Volkskunst und hohe Kunst, Moderne und Tradition, hart und weich, kalt und warm spielerisch zusammen, schaffen eine friedliche Utopie des Zusammenlebens. Eine durchaus politische Botschaft, die Yang damit verbindet. Gewonnen aus der Erfahrung des Unterwegsseins zu den vielen Orten, in denen sie ausgestellt und gearbeitet hat. „Wir sind heute in mehreren Orten zuhause“, bilanziert sie. „Je mehr ich reise, um so demütiger werde ich“, erklärt sie ihr Verhältnis zu den vielen unterschiedlichen Kulturen, die ihr begegnen.

Der Ausstellungstitel „ETA 1994-2018“ greift diese moderne Mobilität auf: ETA ist die Abkürzung für „Estimated Time of Arrival“ („voraussichtliche Ankunftszeit“), eine Information für it die Passagiere in Flughäfen informiert werden. Die Jahreszahlen stehen für die Zeit, in der die Exponate entstanden, die jetzt in Köln zu sehen sind.

Einige frühe Arbeiten wurden für Köln rekonstruiert

Die frühen Arbeiten mussten teilweise rekonstruiert werden, weil sie schon verschollen oder zerstört sind. Zu sehen sind hier etwa eine Gipshand mit Stinkefinger, die „Anatomie italienischer Nudeln“ – dargestellt durch gelbe Gummischläuche – oder Milchflaschen, aus denen mit einem Strohalm Makkaroni aus Eisen oder zermahlene Nudeln gesaugt werden können.

Der Alltag wird mit Witz in die in die Kunst geholt, Unterschiede verwischen sich. Das gilt auch für ihr „Köln-Projekt“, für das Kölner Prominente Stühle aus ihrem privaten Umwelt ausgeliehen haben. Eine Aktion, die auch schon in anderen Städten stattfand. Dass auch die Aufnahmen „Figuratives Umfallen“, die an Sperrmüll im öffentlichen Raum erinnern, eine Hommage an Köln sind, ist üble allerdings Nachrede.

„Haegue Yang: ETA 1994-2018“ – bis 21. August 2018, Museum Ludwig,Heinrich-Böll-Platz, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr, Eintritt 12/8 Euro. Der Katalog zu Ausstellung kostet 48 Euro und ist mit 1144 abgebildeten Arbeiten zuigleich das erste Werksverzeichnis. Umfangreiches Begleitprogramm.

Autor: ehu
Foto: Haegue Yang vor ihrem Jalousien-Labyrinth „Mountains of Encounter“