Köln | Am 13. September wählen die Kölnerinnen und Kölner eine neue Oberbürgermeisterin oder einen neuen Oberbürgermeister. 13 Kandidaten ließ der Wahlausschuss der Stadt Köln zu. Einen Kandidaten lehnte die Kölner Wahlleiterin Dörte Diemert ab, weil er nicht genügend Unterstützerunterschriften nachweisen konnte. Der Kandidat Martin Josef Przybilski wurde zugelassen und wird jetzt von der Familienpartei unterstützt. Auf seinem Facebook-Account postet ein Facebook-User unter dem Nutzername „D.A.S.“ in einem Kommentar die Aussage „Deutschland ist kein Land sondern eine GmbH…“, die eindeutig der Reichsbürgerszene zuzuordnen ist. Przybilski liked diesen Kommentar und entfernt ihn nicht von seinem Facebook-Account.

Der Satz „Deutschland ist kein Land sondern eine GmbH…“ entlehnt sich der Argumentation der Reichsbürgerszene. Reichsbürger verleugnen nicht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland aber argumentieren, dass diese kein Staat sei, sondern eine GmbH („BRD GmbH“). Also ein Unternehmen und deren Bürger seien „Personal“, was unter anderem durch den „Personalausweis“ bewiesen sei. Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt, dass es in Nordrhein-Westfalen eine zunehmende Anzahl von Vorkommnissen mit sogenannten Reichsbürgern gebe und dass ein konsequentes Vorgehen der Behörden geboten sei.

Das Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen gab 2017 eine Broschüre mit dem Titel „Reichsbürger und Selbstverwalter – Erkennen, einordnen, richtig handeln“ heraus. In dieser Broschüre werden die Ansichten der Reichsbürgerszene wie folgt wiedergegeben: „Die Bundesrepublik sei nicht existent oder eine privatwirtschaftliche GmbH, ihre Behörden seien nur „Scheinbehörden“, ihre Bediensteten hätten keine hoheitlichen Kompetenzen.“

Aus dem Liken des zitierten Kommentar kann nicht geschlossen werden, dass der Kandidat Przybilski selbst der Reichsbürgerszene angehört. Sein „Like“ ist aber jedenfalls Ausdruck seiner Zustimmung zu der getätigten Aussage „Deutschland ist kein Land sondern eine GmbH…“. Es wäre Przybilski problemlos möglich gewesen, den Kommentar von seinem Facebook-Account zu löschen oder sich jedenfalls von der Aussage des Nutzers zu distanzieren.

Insoweit stellt sich die Frage, von welchen Voraussetzungen der Wahlausschuss der Stadt Köln eine Zulassung von Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl abhängig macht.

Kölner Wahlleiterin sieht keinen Handlungsbedarf

Auf Nachfrage dieser Redaktion zur Zulassung von Herr Prybilski schreibt das Presseamt der Stadt Köln: „Die Allgemeinhalt der Wahl umfasst sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht und darf als verfassungsrechtlich geschütztes hohes Gut nur im Ausnahmefall eingeschränkt werden. Nach § 65 Abs. 2 GO NRW ist als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters/der Oberbürgermeisterin wählbar, wer u.a. das 23. Lebensjahr vollendet hat, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist sowie die Gewähr dafür bietet, dass er/sie jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Nicht wählbar ist daher bspw., wer am Wahltag infolge eines Richterspruchs in der Bundesrepublik Deutschland die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zeitweise verloren hat. Über die Zulassung der Wahlvorschläge hat der Wahlausschuss der Stadt Köln am 31.07.2020 entschieden. Gründe, die zur Nichtwählbarkeit eines Kandidaten oder einer Kandidatin für die OB Wahl 2020 in Köln hätten führen können, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Wahlausschusses nicht vor – insbesondere hat es bei dem angesprochenen Kandidaten keine Aberkennung des passiven Wahlrechts gegeben. Auch sind im Rahmen der gesetzlichen Rechtsmittelfrist keine Beschwerden gegen seine Zulassung eingegangen.“

Posting erst nach der Sitzung des Wahlausschusses

Das Posting von Facebook-User „D.A.S.“ – ob es sich dabei um einen Bot handelt bleibt offen – und das Liken desgleichen durch den OB-Kandidaten Przybilski fiel erst nach der entscheidenden Sitzung des Wahlausschusses, bei der die zugelassenen Kandidatinnen und Kandidaten festgestellt wurden. Die Redaktion konfrontierte den Kandidaten mit der Frage, warum er auf seinem Bewerberprofil Reichsbürgerinhalte dulde und diese sogar like. Einen Tag später schreibt der Kandidat Przybilski: „Wenn ich ein Reichsbürger bin wie sie mich gestern betitelt haben dann sind soe Meiner Meinung nach ein Sozialfaschist.“ (Hinweis der Redaktion: Originalzitat mit Rechtschreibfehlern und die Redaktion fragte nach dem Post, dem Like und ob der Kandidat der Reichsbürgerszene nahe stehe). Zum Posting und dessen Urheber sagte Przybilski, dass er diesen kenne.

Auch auf die Frage nach einem weiteren zweifelhaften Posting, bei der Przybilski die Möglichkeit einer Bewaffnung der Bevölkerung in Deutschland wie in den USA forderte, antwortete der Kandidat, dass es sich dabei um PR handele. Inhaltlich bezog er dazu keine Stellung.

Przybilski hat sich zudem der öffentlichen Facebook-Gruppe mit dem Titel „Die Welt verändert sich WWG 1 WGA – We are Q“ angeschlossen. „WWG 1 WGA“ steht für „Where we go one, we go all“ und wird von den Anhängern von „QAnon“ genutzt. Der NRW-Verfassungsschutz beschäftigt sich im Rahmen von Verschwörungsideologien im Teil seiner sicherheitsbehördlichen Aufklärung mit der Frage der Nähe von „QAnon“zur rechtsextremen und zur Reichsbürgerszene. Dem Staatsschutz der Kölner Polizei ist die Bewegung bekannt, aber es gebe keine Erkenntnisse über Bezüge zu Köln.

Die Frage nach der Prüfung der Kandidatinnen und Kandidaten?

Das VG Köln (VG Köln, Gerichtsbescheid vom 17.08.2016 – Az.: 4 K 1380/16) führt in einer Entscheidung zu den Anforderungen an die Überprüfung von Bewerbern durch den Wahlausschuss Folgendes aus: „Gewähr dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird, bietet ein Bewerber, bei dem keine Umstände vorliegen, die nach der Überzeugung der zur Beurteilung berufenen Stelle die künftige Erfüllung der Pflicht zur Verfassungstreue zweifelhaft erscheinen lassen. Zweifel an der Verfassungstreue in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn der Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht überzeugt ist, dass der Bewerber seiner Persönlichkeit nach die Gewähr bietet, nach Begründung eines Beamtenverhältnisses jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten; der Nachweis einer „verfassungsfeindlichen“ Betätigung, die bei einem Beamten eine Treuepflichtverletzung darstellen würde, ist zur Verneinung der Gewähr der Verfassungstreue nicht erforderlich.“

Selbstverständlich muss der Wahlausschuss, wie er selbst darlegt, eine Abwägungsentscheidung zwischen einem Eingriff in das passive Wahlrecht von Wahlbewerbern und dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung treffen. Die Rechtsprechung verlangt aber gerade keinen ausdrücklichen Nachweis einer verfassungsfeindlichen Betätigung, sondern setzt die Anforderungen an die Überprüfung des Eintritts für die freiheitlich demokratische Grundordnung niedrig an. Es stellt sich die Frage, ob sich der Wahlausschuss der Stadt Köln in hinreichendem Umfang um eine intensive Überprüfung der Kandidaten bemüht und sich tatsächlich aller ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bedient. Dies scheint zumindest zweifelhaft, bei Kandidaten wie Przybilski, der auf seinem Account Posts liked, die behaupten Deutschland sei eine GmbH.

Die Bühne OB-Kandidatur

Nun gibt es bei jeder Wahl Favoritinnen und Favoriten sowie Außenseiterinnen und Außenseiter. Przybilski zählt sicher zu den Außenseitern und es gibt Stimmen, die sagen, solchen Kandidaten nicht zu viel Gewicht beizumessen. Aber selbst Außenseiter erhalten eine Bühne und die ist während des Wahlkampfes nicht allzu klein. Medien berichten über sie und stellen sie vor. Auch diese Internetzeitung führte mit dem Kandidaten Przybilski ein Interview, das aus redaktionellen Gründen nicht gesendet wird.

Przybilski lässt sich von der Familienpartei unterstützen, besucht Bürgerinnen und Bürger mit dem Europaabgeordneten Geuking der Familienpartei in der Egonstraße oder ist Teilnehmer in einem Livestream. Kölner Kommunalpolitikerinnen und -politiker wollen sich in der realen Welt nicht mit Rechtspopulisten auf einer Bühne auseinandersetzen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker plakatiert „Keinen Millimeter nach rechts“. Im virtuellen Raum – in diesem Kommunalwahlkampf in der Corona-Zeit wichtiger denn je – unterbleibt anscheinend die Kontrolle.

Autor: Andi Goral