Berlin | Vier Tage nach dem Platzen der Jamaika-Verhandlungen geht die Debatte um eine mögliche Minderheitsregierung in Berlin weiter. CDU-Finanzexperte Jens Spahn kann sich eine Minderheitsregierung vorstellen, sollte es zu keiner Neuauflage der Großen Koalition kommen. Das käme auf die Gespräche mit der SPD an, die er nun in der Verantwortung sehe.

Er sei aber gegen „eine Koalition um jeden Preis“, sagte Spahn der „Zeit“. Wenn die Gespräche mit der SPD scheiterten, sei er „dafür, dass wir es mit einer Minderheitsregierung versuchen“. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist skeptischer.

„Grundsätzlich sind Minderheitsregierungen fragile Gebilde“, sagte Weil den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Freitagausgaben). „Ich kann mich kaum daran erinnern, dass so etwas mal wirklich auf Sicht von Erfolg gekrönt gewesen wäre.“ Weil sagte, er habe ja auch persönlich Gelegenheit gehabt, über eine Minderheitsregierung nachzudenken.

„Wir haben uns aber bewusst dagegen entschieden, weil wir uns damit in Niedersachsen in eine Abhängigkeit von der FDP begeben hätten – im Nachhinein muss ich sagen, das war nicht die schlechteste Entscheidung“, so der niedersächsischen SPD-Landesvorsitzende. Nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen sieht Weil seine Partei vor einem Dilemma: „Für die SPD ist es eine schwierige Abwägung zwischen den Erwartungen vieler Mitglieder, die nicht wieder in eine Große Koalition wollen, und den problematischen Perspektiven für Deutschland und seine Verfassungsorgane.“ Das Scheitern von Angela Merkel bringe uns alle in eine schwierige Situation.

„Ich bin froh, dass wir mit Frank Walter Steinmeier einen Bundespräsidenten haben, der als Vermittler bestens geeignet ist“, so Weil weiter. „Das unendliche Jamaika-Gewürge mit seinem skandalösen Ende war Gift für das Ansehen der Politik, Wasser auf die Mühlen der Populisten. Jetzt wird die SPD ihren Teil dazu beitragen, aus dieser Misere wieder herauszufinden.“ Er glaube, alle Beteiligten wüssten, „dass es um ziemlich viel geht, auch um die Stabilität eines besonders wichtigen Mitglieds der Europäischen Union“.

Autor: dts