Berlin | Der sogenannte Dieselgipfel, der am Mittwochmittag im Gebäude des Bundesverkehrsministeriums stattfinden sollte, ist offenbar kurzfristig ins Innenministerium verlegt worden. Das berichten mehrere Medien übereinstimmend. Die genauen Gründe für die Verlegung waren zunächst unklar. Report-K sammelte die Stimmen vom Vormittag zum Dieselgipfel. Der grüne Ministerpräsideint Kretschmann erklärt er fahre selbst einen Diesel, der Städtetag fordert die Autoindustrie zum Handeln auf und das Umweltbundesamt kritisiert die weiter hohe Stickoxidbelastung in den Städten.

Umweltverbände hatten zu Protestaktionen am Gebäude des Verkehrsministeriums aufgerufen. Beim „Nationalen Forum Diesel“ sollen Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Diesel-Pkw vereinbart werden. Ziel soll es laut Bundesregierung sein, die Stickoxid-Belastung zu reduzieren und gleichzeitig die Mobilität zu gewährleisten.

Das Bundesverkehrsministerium und das Bundesumweltministerium veranstalten den Gipfel gemeinsam. An dem Treffen nehmen unter anderem Vertreter der Autobauer VW, Audi, Porsche, Daimler, BMW, Ford Deutschland und Opel sowie die Ministerpräsidenten von Bundesländern mit Standorten der Automobilindustrie teil. Medienberichten zufolge geben sich Bund und Länder beim Gipfel mit einer Software-Lösung zufrieden.

Aufwendige Hardware-Nachrüstungen werden demnach zunächst nicht verlangt. Gegen 15 Uhr wollen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Ergebnisse des Gipfels vorstellen.

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Aus der heutigen Debatte im Vorfeld des Dieselgipfels

Kretschmann: Es gibt den sauberen Diesel

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), hat vor dem sogenannten Dieselgipfel am heutigen Mittwoch in Berlin dem Diesel das Vertrauen ausgesprochen. Er sei davon überzeugt, „dass wir den Diesel als Übergangstechnologie brauchen und es den sauberen Diesel gibt“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er selbst habe sich kürzlich einen Diesel gekauft.

Elektroautos findet er für sich persönlich derzeit noch unpraktisch. „Ich wohne ja auf dem Land und muss daher längere Strecken zurücklegen, da ist es schwierig sich mit Elektroautos fortzubewegen“, so Kretschmann. Die Lade-Infrastruktur sei einfach noch nicht gut ausgebaut.

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Dreyer fordert schnell wirksame Diesel-Nachrüstungen

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), hat vor dem Dieselgipfel am heutigen Mittwoch schnell wirksame Nachrüstungen von emissionsreichen Dieselfahrzeugen gefordert. „Im Interesse der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger geht es jetzt prioritär um technische Lösungen, die sofort den Schadstoffausstoß verringern und damit die Luftreinheit sofort verbessern“, sagte Dreyer der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). Sie rechtfertigte damit, dass Bund und Länder die Hersteller vorerst nicht auf die teurere Variante von echten Hardware-Nachrüstungen verpflichten wollen.

Im ersten Schritt soll es zunächst vor allem Software-Updates der Motoren geben. „Es muss sichergestellt sein, dass die Besitzer von Dieselfahrzeugen keine Nachteile erleiden und nicht der Steuerzahler für Versäumnisse der Industrie aufkommt“, so Dreyer. „Ich bin gegen eine steuerfinanzierte Abwrackprämie“, sagte die SPD-Politikerin.

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Riexinger verlangt „Ende des Kuschelkurses“ gegenüber Autokonzernen

Linken-Chef Bernd Riexinger hat den Bund und die Landesregierungen von Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern zu einem Ende des „Kuschelkurses gegenüber den Autokonzernen“ aufgerufen. „Was Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die Ministerpräsidenten Stephan Weil, Winfried Kretschmann und Horst Seehofer bisher getan haben, war nichts anderes als Beihilfe zum Betrug an den Autokäufern und der Umwelt“, sagte Riexinger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochsausgabe). Vor dem Dieselgipfel am heutigen Mittwoch in Berlin forderte der Linken-Vorsitzende Konsequenzen.

Die Politik müsse auf dem Spitzentreffen der Autoindustrie klare Fristen für die Nachrüstung alter Dieselmodelle setzen. Sonst seien Hunderttausende Arbeitsplätze und die Glaubwürdigkeit der Wirtschaft in Gefahr. „Wem angesichts des millionenfachen Betrugs nichts Besseres einfällt, als Berichte zu schönen, auf freiwillige Softwareupdates der Konzerne zu setzen und mit dem Geld der Steuerzahler den Absatz des Betrügerkartells anzukurbeln, hat sein Amt verfehlt“, sagte Riexinger mit Blick auf Dobrindt und die Ministerpräsidenten.

Angesichts der Milliardengewinne der Autokonzerne dürften jetzt aber weder die Autofahrer noch der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. „Wer sich die Suppe eingebrockt hat, muss sie auch auslöffeln“, sagte Riexinger.

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Umweltbundesamt: Stickoxid-Belastung in Städten weiter zu hoch

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, hat die Akteure vor dem sogenannten Dieselgipfel in Berlin zum Handeln im Kampf gegen überhöhte Stickstoffdioxidwerte aufgefordert. „Hauptursache für schädliche Stickoxide in der Atemluft sind eindeutig Diesel-Pkw, vor allem in den Städten“, sagte die UBA-Präsidentin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochsausgabe). Laut Krautzberger war der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter 2016 an knapp 59 Prozent der verkehrsnahen Messstationen in Deutschland überschritten worden.

Dies bedeute, dass in mehr als 80 Städten der Grenzwert gerissen worden sei. „Aus den noch vorläufigen Messergebnissen der ersten sieben Monate des Jahres 2017 können wir bereits jetzt schließen, dass die Stickstoffdioxid-Belastung in 2017 ähnlich hoch wie im letzten Jahr sein wird.“ Es müsse dringend etwas passieren, so Krautzberger, die auf beeinträchtige Lungenfunktion oder chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge einer Stickstoffdioxid-Belastung der Atemwege hinwies.

„Laut Europäischer Umweltagentur sind in Europa im Jahr 2013 etwa 68.000 Menschen vorzeitig an den Folgen der Belastungen verstorben“, so die Präsidentin des Bundesamts. Diesel-Pkw müsste daher annähernd so sauber werden, wie es das Gesetz vorschreibt, damit die Grenzwerte eingehalten werden. Software-Updates könnten dazu einen Beitrag leisten.

Deutlich mehr erwarte sie aber beispielsweise von der Nachrüstung spezieller Katalysatoren. „Die Kosten hierfür muss ganz klar die Autoindustrie tragen, das kann sie nicht bei Bürgern und Politik abladen“, sagte Krautzberger. In hochbelasteten Städten müssten auch Fahrverbote diskutiert werden.

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Städtetag: Autobranche muss Maßnahmen zur Luftreinhaltung benennen

Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse, fordert von der Autobranche, konkrete Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu benennen. „Der Diesel-Gipfel darf nicht beim Austausch von Argumenten oder vagen Ankündigungen für weniger Stickoxide in der Luft stehenbleiben“, sagte die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen der „Heilbronner Stimme“ (Mittwochsausgabe). „Die Städte erwarten, dass die Automobilindustrie Farbe bekennt und konkrete Maßnahmen benennt, wie sie Dieselautos schnell und wirksam sauberer machen kann. Denn es gibt keine Zeit zu verlieren. Die überhöhten Stickoxid-Werte sind lang genug bekannt und die Euro-Normen werden schon zu lange auf der Straße nicht eingehalten.“ Lohse würde die Auflegung eines Fonds befürworten.

„Die Städte begrüßen, dass der Bund nach dem, was wir bisher wissen, einen gemeinsamen Fonds mit der Industrie auflegen will, um gezielt in den 28 Städten mit überhöhten Stickoxid-Werten kurzfristig nachhaltige Mobilität zu unterstützen. Das Geld wird helfen, die Maßnahmen dieser Städte für ein wirksameres Verkehrsmanagement und weniger Staus zu verstärken sowie andere Verkehrsmittel attraktiver zu machen. Außerdem sollten Bund und Länder den Städten bundesweit möglichst bald auch den Ersatz von alten Bussen erleichtern. Dabei sollte auf Technologieoffenheit gesetzt werden: Euro 6 bei Bussen kann dabei genauso sinnvoll sein wie Elektroantrieb, Wasserstoff-, Gas- oder Hybridfahrzeuge. Wir schätzen, dass eine Umrüstung der kommunalen Busse jährlich 200 Millionen Euro über fünf Jahre kosten würde.“

Autor: dts