Düsseldorf | aktualisiert | Die Universität Düsseldorf entzieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Doktortitel. Das gab der Dekan der Philosophischen Fakultät, Bruno Bleckmann, am Dienstagabend bekannt. Zuvor hatte der mit den Plagiatsvorwürfen befasste Fakultätsrat stundenlang über den Fall beraten. Lesen Sie hier die Historie des Schavanplags, ein Porträt der Ministerin, Stimmen aus der Politik und dass Annette Schaven klagen will. Wir dokumentieren den Abend der Entscheidung.

Universität Düsseldorf entzieht Schavan den Doktortitel – Klares Votum des Fakultätsrates

Annette Schavan hat den Kampf um ihren Doktortitel verloren. Die Universität Düsseldorf entzog der Bundesbildungsministerin am Dienstagabend den akademischen Titel. Der zuständige Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät sah es mit großer Mehrheit als erwiesen an, dass die CDU-Politikerin in ihrer über 30 Jahre alten Dissertation vorsätzlich plagiiert hat. Nur noch durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht kann Schavan den Verlust ihres Titels verhindern. Ansonsten steht die Bundesministerin für Bildung und Forschung ohne einen Doktor da.

Über Stunden hatte das aus Hochschullehrern, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten zusammengesetzte Gremium in einer nicht-öffentlichen Sitzung zum Fall Schavan getagt. Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Bruno Bleckmann, verkündete danach das Ergebnis. Mit zwölf Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung votierte das Gremium für den Entzug des Doktortitels.

Plagiat in „bedeutendem Umfang“

Es sei das Gesamtbild entstanden, dass Schavan „systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“, hieß es zu Begründung. So seien in „bedeutendem Umfang“ Texte übernommen worden, die nicht gekennzeichnet wurden. Qualität und Umfang der Plagiatsstellen sowie das „öffentliche Interesse am Schutz der Redlichkeit wissenschaftlichen Qualifikationserwerbes“ habe die Entscheidung herbeigeführt.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte im Frühjahr ein anonymer Blogger. Im Internet warf er der CDU-Politikerin vor, an mehreren Stellen ihrer Doktorarbeit abgeschrieben und Quellen nicht genannt zu haben. In der 1980 verfassten Arbeit widmete sich die junge Schavan dem Thema „Person und Gewissen“.

Politische Zukunft unklar

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe nahm sich die Heinrich-Heine-Universität des Falles an. In einem Vorverfahren befasste sich zunächst der Promotionsausschuss damit. Er empfahl dem Fakultätsrat, ein offizielles Verfahren gegen die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete einzuleiten. Fast einstimmig folgte der Rat diesem Votum vor zwei Wochen. Dekan Bleckmann betonte damals noch, das Verfahren sei ergebnisoffen.

Unklar ist, wie es nun mit der Bundesbildungsministerin weitergeht. Bislang hat die 57-Jährige einen Rücktritt kategorisch abgelehnt. Die Vorwürfe trafen sie hart. „Es geht nicht um einen Titel, es geht um Integrität“, sagte sie erst vergangene Woche gegenüber dem „Zeit-Magazin“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stand bis dato hinter ihrer Ministerin.

Schavan ist eine enge Vertraute der Kanzlerin. Der Entzug des Doktortitels wird den Druck auf sie nun aber deutlich erhöhen. Die Opposition hatte für den Fall bereits den Rücktritt der Ministerin gefordert.

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Schavan will gegen Uni-Entscheidung klagen

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will gegen die Aberkennung ihres Doktortitels klagen. Die Entscheidung der Universität Düsseldorf sei in einem „fehlerhaften Verfahren zustande gekommen“ und „materiell rechtswidrig“, teilte die Bonner Rechtsanwaltskanzlei Redeker, Sellner, Dahs am Dienstagabend mit, die Schavan ibn dem Rechtsstreit vertritt. Unter anderem sei die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit des Verfahrens durch „mehrfache selektive Information der Öffentlichkeit“ verletzt worden.

Zudem seien förmlich gestellte Beweisanträge übergangen worden. Dies gelte auch für den Antrag auf Einholung eines externen Fachgutachtens. Die Anwälte kritisieren zudem eine unverhältnismäßige Entscheidung. Die gemessen am Umfang der Doktorarbeit „geringfügige Zahl behaupteter Zitierverstöße“ rechtfertige nicht die Rücknahme der Promotion, hieß es.

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STIMMEN AUS DER POLITIK

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Union steht zu Schavan: Vorgehen der Uni war eine „Farce“

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bekommt im Kampf um ihren Doktortitel Rückendeckung der Unions-Bundestagsfraktion. „Das Vorgehen der Universität Düsseldorf ist eine Farce: Es war von Anfang an ein unfaires Verfahren, das immer wieder mit gezielten Indiskretionen Rufschädigung betrieben hat“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Kretschmer (CDU) am Dienstagabend in Berlin. Zuvor hatte die Universität Düsseldorf Schavan den akademischen Grad wegen vorsätzlichen Plagiats entzogen.
Kretschmer sagte, die Wissenschaft selbst habe vielfach kritisiert, dass bei der Überprüfung von Plagiatsvorwürfen unbedingt die Standards guter wissenschaftlicher Praxis einzuhalten seien. „Das ist nicht geschehen. Das Prozedere ist keine wissenschaftliche Überprüfung, sondern eine politisch motivierte Kampagne gegen eine sehr erfolgreiche Bundesforschungsministerin.“

FDP: Rücktritt Schavans wäre „falsche politische Zeichen“

Die Liberalen sehen die Aberkennung des Doktortitels der Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) als ungerechtfertigt an. Die letzten neun Monate seien „von Mutmaßungen und mangelnder Fairness“ geprägt gewesen, sagte FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt am Dienstagabend in Berlin. Daher hielte er einen Rücktritt vom Amt der Bundesbildungsministerin für „das falsche politische Zeichen“. Meinhardt sagte weiter, er nehme die Entscheidung der Universität Düsseldorf zur Kenntnis. Doch habe Schavan sein volles Verständnis, wenn sie jetzt den Klageweg beschreite. Denn das Verfahren der Universität Düsseldorf sei „geradezu abenteuerlich“ gewesen.Bis zum Ende der Klage müsse weiterhin die Unschuldsvermutung gelten, fügte der FDP-Abgeordnete hinzu.

SPD erfreut: Uni Düsseldorf hat sich nicht einschüchtern lassen

Die SPD hat Vorwürfe an die Universität Düsseldorf im Plagiatsverfahren gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zurückgewiesen. „Ich finde es gut, dass sich die Universität Düsseldorf im Fall Schavan nicht hat einschüchtern lassen“, schrieb SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Dienstagabend auf Twitter.

—Grüne: Schavan nicht länger als Ministerin tragbar

Grünen-Hochschulexperte Kai Gehring fordert Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach dem Verlust ihres Doktortitels zum Rücktritt auf. „Frau Schavan ist als Wissenschaftsministerin unhaltbar geworden“, sagte der Bundestagsabgeordnete der am Dienstagabend WAZ-Mediengruppe. Die Entscheidung der Universität sei zu respektieren. Gehring fügte hinzu: „Der Verlust ihres Doktorgrades kann nur ihren Rücktritt als Bundesministerin zur Folge haben.“

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ANNETTE SCHAVAN IM PORTRAIT

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Frau der leisen Töne in tiefer Bedrängnis – Schavan muss nach Verlust des Doktortitels um ihr politisches Erbe bangen

„Der Vorwurf der Täuschung trifft mich ins Mark.“ Solche persönlichen und deutlichen Worte sind von Annette Schavan (CDU) selten zu hören. Die Bundesbildungsministerin ist eine Frau der leisen, wohl abgewogenen Töne. Doch seit einigen Monaten ist alles anders. Ausgerechnet mit Plagiatsvorwürfen macht die oberste Bildungsverantwortliche des Landes mehr Schlagzeilen als mit ihren politischen Projekten. Und jetzt ist das undenkbare Wirklichkeit geworden: Schavan steht ohne Doktortitel da. Im Spätherbst ihrer Karriere muss die 57-Jährige um ihr politisches Erbe bangen.

Dabei hat Schavan durchaus wichtige Themen angepackt: den Hochschulpakt etwa oder einen deutlichen Budgetzuwachs für Bildung und Forschung. Auch hat sich die CDU-Politikerin um eine Abschaffung oder zumindest Aufweichung des Kooperationsverbots eingesetzt. Dass Bund und Länder in Wissenschaftsfragen kaum zusammenarbeiten dürfen, hält die Ministerin für unsinnig.

In der Öffentlichkeit geht sie unter

Ihre Überzeugungsarbeit leistet die 57-Jährige vor allem hinter den Kulissen und nur selten in öffentlichen Äußerungen. Schavan ist für ihre geräuscharme Vorgehensweise bekannt. In der Öffentlichkeit geht sie damit oft unter. In Ranglisten der Politiker landet sie in puncto Bekanntheit immer weit hinten.

Schavan überlässt schneidige Interviews über die Lage der Nation oder der Koalition lieber Regierungs- und Parteikollegen, das Gleiche gilt für das Tingeltangel durch Talkshows. Ihre Sprache ist bedacht, der Ton sachlich. Lockerheit leistet sie sich nur in kleiner Runde. Zu leise, zu farblos, zu wenig präsent finden sie manche. Das ärgert Schavan nicht. Im öffentlichen Leben bekomme man eben „bestimmte Etiketten“ verpasst und die ließen sich nicht so schnell abschütteln. „Es geht nicht nur leise“, räumt sie ein, „aber lieber geräuschlos und erfolgreich, als viel Rauschen und wenig Ergebnisse.“

Religion als „Kraftquelle“

Schavan widmet sich bislang mit Inbrunst den Gebieten, auf denen sie im Rahmen des Föderalismus etwas ausrichten kann. In der Wissenschaft ist sie sehr gut vernetzt, hat dort ihre größten Anhänger. Kritik musste sie sich hingegen anhören, weil sie erst spät auf die gegen die Bachelor- und Masterreform protestierenden Studenten zuging. „Wer im öffentlichen Leben steht, wird kritisiert“, sagt Schavan . Und: „Wer Kritik nicht verträgt, der wird nicht lange im öffentlichen Leben bleiben.“ Sie aber ist schon lange dabei – seit 2005 als Bundesbildungsministerin, davor zehn Jahre als Kultusministerin in Baden-Württemberg. Bis 2012 war Schavan 14 Jahre lang CDU-Bundesvize.

An mangelnder Nähe zu Parteichefin Angela Merkel liegt der Rückzug aus der Parteispitze aber nicht. Schavan ist Vertraute der Kanzlerin, kaum jemand im Kabinett ist ihr näher. Beide Frauen sind Quereinsteigerinnen, keine Partei-Urgewächse. Und beide mussten sich gegen jede Menge politische Kungeleien unter Männern durchsetzen.

Ernster als manch andere in der CDU nimmt Schavan das „C“ im Namen ihrer Partei. „Christen sollten sich dem öffentlichen Leben stellen“, sagt die Theologin, „das ist der stärkste Grund für meine politische Arbeit.“ Religion sei für sie „Kraftquelle“ – und ein „Gegengewicht“ zu ihrem hektischen Alltag in der Politik.

Mit dem Verlust ihres Doktortitels steht Schavan nun vor einem Scherbenhaufen. Die bislang skandalfreie Politikerin wird das Etikett Plagiat nicht mehr los und ihre Erfolge sind in den Schatten gestellt. Ihre zurückhaltende Art muss sie jetzt aufgeben. Es geht jetzt um Schavans Amt und das, was nach einer langen Karriere von ihr in Erinnerung bleibt.

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DOKUBLOCK

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Die Plagiatsaffäre Schavan

Die Plagiatsaffäre um Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat nach gut neun Monaten einen Höhepunkt erreicht. Die Universität Düsseldorf entzog der Ministerin am Dienstagabend den Doktortitel. Die Stationen der Affäre:

Ende April 2012: Auf der Internetseite „schavanplag“ werden Vorwürfe gegen die Bildungsministerin Annette Schavan laut. Anonymer Blogger listen mehrere Stellen in der Doktorarbeit von 1980 auf, in denen die CDU-Politikerin abgeschrieben und Quellen nicht genannt haben soll.

2. Mai 2012: Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kündigt an, die Vorwürfe zu überprüfen. Die Promotionskommission der Philosophischen Fakultät wird mit dem Fall beauftragt. Schavan kündigt an, die Vorwürfe aufzuklären und das Promotionsgremium zu unterstützen. Sie versichert, ihre Dissertation „nach bestem Wissen und Gewissen“ geschrieben zu haben.

5. Mai 2012: In einem schriftlichen Interview meldet sich erstmals der anonyme Blogger zu Wort. Er halte es für belegbar, dass die Ministerin plagiiert habe, „wenn auch in geringerem Ausmaß als andere“. Als Beweggründe gibt er den „Spaß an der Detektivarbeit“ sowie das Motiv an, „dass Leute mit einem akademischen Betrug nach Möglichkeit nicht durchkommen sollten“. SPD und Grüne fordern derweil eine gründliche Untersuchung der Dissertation der CDU-Politikerin. Mehrere Rechtsprofessoren sehen die Plagiatsvorwürfe gegen Schavan als gerechtfertigt an.

30. Mai 2012: Der Gründer der Internetseite „Vroni-Plag“, Martin Heidingsfelder, wirft der CDU-Politikerin vor, an deutlich mehr Stellen abgeschrieben zu haben als bislang bekannt. „Auf über 33 Prozent der Seiten finden sich Plagiate bei Frau Schavan“, sagt er in einem Zeitungsinterview. Er wirft Schavan vor, sie habe nicht nur auf 65 Seiten von anderen Autoren abgeschrieben und nicht korrekt zitiert, sondern unerlaubterweise auch eigene, bereits veröffentlichte Texte übernommen, ohne dies kenntlich zu machen.

10. Juli 2012: Ungeachtet der Plagiatsvorwürfe will Schavan erneut für den Bundestag kandidieren. Der CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm kündigt an, die 57-Jährige bewerbe sich wieder um das Bundestagsmandat für die Wahl im Herbst 2013.

18. August 2012: Schavan kündigt an, auf dem Bundesparteitag im Winter nicht mehr für die Parteiführung der Christdemokraten zu kandidieren. „Ich habe mich entschieden, als stellvertretende CDU-Parteivorsitzende nicht mehr zur Verfügung zu stehen“, sagt sie. Seit 1998 ist sie stellvertretende CDU-Chefin. Eine Verbindung zu der Plagiatsaffäre soll es nicht geben.

14. Oktober 2012: Der Druck auf Schavan wird größer. Ein geheimer Bericht der Universität gelangt an die Öffentlichkeit. Darin schreibt der Vorsitzende der Promotionskommission, Stefan Rohrbacher, von einer „leitenden Täuschungsabsicht“. Insgesamt soll es auf 60 der 351 Seiten langen Doktorarbeit zu beanstandende Textstellen geben. Schavan reagiert empört über die Indiskretion. „Ich lasse mir das nicht bieten“, sagt sie und weist die Vorwürfe erneut zurück.

15. Oktober 2012: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt ihrer Ministerin Rückendeckung. „Die Ministerin hat mein vollstes Vertrauen“, sagt Merkel.

16. Oktober 2012: Wegen des Verdachts auf Weitergabe von vertraulichen Informationen stellt die Hochschulleitung der Heinrich-Heine-Universität Strafanzeige gegen Unbekannt. Die Uni bedauert, dass Inhalte aus dem Prüfungsverfahren gegen Schavan „unter Bruch der Vertraulichkeit an die Öffentlichkeit gelangt sind“, heißt es in einer Presseerklärung.

17. Oktober 2012: Der zuständige Promotionsausschuss berät zum Fall Schavan. Über ihre Anwälte verpflichtet Schavan die Hochschule allerdings zur Verschwiegenheit. Auskünfte zum Dissertations-Verfahren dürfen nicht ohne Schavans Zustimmung gemacht werden.

10. November 2012: Nach Informationen der „Rheinischen Post“ hat Schavan der Hochschule eine umfassende schriftliche Stellungnahme übergeben. Darin bestreit sie die Vorwürfe und gibt Auskunft darüber, wie sie vor 22 Jahren ihre Doktorarbeit angefertigt hat.

16. Januar 2013: Nach heftiger Kritik am Umgang der Universität Düsseldorf mit dem Fall Schavan geht die Hochschule in die Offensive. Ein externer Gutachter bescheinigt der Heinrich-Heine-Universität ein korrektes Vorgehen im Plagiatsverfahren gegen die Bundesbildungsministerin.

22. Januar 2013: Erstmals befasst sich der maßgebliche Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät mit den Vorwürfen gegen Schavan. Bis auf eine Enthaltung stimmen alle 15 Mitglieder des Gremiums für die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Doktortitels. Dekan Bruno Bleckmann betont, dass das Verfahren ergebnisoffen sei.

23. Januar 2013: Schavan weist die Vorwürfe erneut zurück und fordert ein zweites, externes Gutachten über ihre Doktorarbeit. Einen Rücktritt lehnt sie weiter ab. Bundeskanzlerin Merkel bekundet, weiterhin „volles Vertrauen“ in Schavans Arbeit zu haben.

25. Januar 2013: Schavan bekommt Rückendeckung von der Parteibasis. Mit 96 Prozent wird Schavan vom CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm erneut zur Bundestagskandidatin gewählt. Die Ministerin zeigt sich angesichts der Unterstützung gerührt.

30. Januar 2013: Erstmals gibt Schavan Fehler zu. Gegenüber dem „Zeit-Magazin“ sagt sie: „Ich kann für mich nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler gemacht zu haben. Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben.“

5. Februar 2013: Die Universität Düsseldorf entzieht Schavan den Doktortitel.
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Die Erklärung des Dekan der Philosophischen Fakultät Bleckmann (im Wortlaut)

„Ich möchte Sie über die heutige Sitzung des Fakultätsrates der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf informieren. Ich beginne mit einer Zusammenfassung der heute getroffenen Entscheidung und werde diese Entscheidung Ihnen danach ausführlich erläutern.

Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat heute die Entscheidung getroffen, die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen.

Ich erläutere nun im Einzelnen: Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät hat in der heutigen Sitzung seine Beratungen zu den Plagiatsvorwürfen gegen Frau Prof. Dr. A. Schavan fortgeführt. Grundlagen der Beratungen waren der Vorbericht des Promotionsausschusses sowie die von der Betroffenen eingereichte Stellungnahme, zu der auch zwei von der Betroffenen beigefügte erziehungswissenschaftliche Stellungnahmen gehören. Dieses Material ist in den vergangenen zwei Wochen den Mitgliedern des Fakultätsrats zugänglich gewesen und wurde von ihnen eingehend geprüft. Der Fakultätsrat hat dieses Material für ausreichend gehalten, um seine Beratungen fortzuführen und heute zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Frage, ob abweichend von vergleichbaren Plagiatsuntersuchungsverfahren an anderen Fakultäten und Universitäten, ein zusätzliches auswärtiges Gutachten notwendig ist, wurde vom Fakultätsrat verneint.

In den von der Betroffenen beigefügten Stellungnahmen wird eine Besonderheit erziehungswissenschaftlicher Promotionskultur in den frühen 80er Jahren angenommen, auf die sich auch die anwaltliche Vertretung von Frau Schavan beruft. Inwiefern dies aber Besonderheiten beim Zitieren begründet, konnte vom Fakultätsrat nicht nachvollzogen werden. Selbstkritisch konstatiert zwar die Fakultät, dass es in ihrer Geschichte immer wieder in einzelnen Bereichen oder bei einzelnen Personen Defizite in der Betreuung oder in der Prüfung von Dissertationen gegeben haben kann. Gleichwohl ist aber ohne Zweifel festzuhalten, dass die Zitierstandards der Erziehungswissenschaft zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit die gleichen waren wie die in der übrigen philosophischen Fakultät. In einschlägigen Leitfäden und Handreichungen wurde deutlich gemacht, dass nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte als Textplagiate zu werten sind und Sanktionen nach sich ziehen müssen, wenn sie entdeckt werden.

Von diesem Verständnis von Plagiaten als nichtgekennzeichnete und dadurch irreführende Übernahme fremder Texte konnte daher auch der Fakultätsrat bei der Beurteilung der schriftlichen Promotionsleistung von Frau Schavan ausgehen, ohne der Gefahr einer Rückprojektion heutiger Standards in die damalige Zeit zu erliegen. Der Fakultätsrat lehnt es ab, für diese spezielle Dissertation ein Plagiatsverständnis anzuwenden, das von der allgemeinen, auch Anfang der 1980er Jahre gültigen Meinung abweicht. Dies schien ihm auch vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrungen aus dem alltäglichen akademischen Prüfungsbetrieb nicht verantwortet werden zu können.

Der Fakultätsrat hat sich nach dieser grundsätzlichen Klärung in seinen Beratungen nach gründlicher Prüfung und Diskussion abschließend die Bewertung des Promotionsausschusses zu eigen gemacht, dass in der Dissertation von Frau Schavan in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden sind. Die Häufung und Konstruktion dieser wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben der Überzeugung des Fakultätsrats nach das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften. Daher hat der Fakultätsrat Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt. Diese Entscheidung wurde mit 13 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen gefällt.

Anschließend hat der Fakultätsrat alle Argumente gründlich gewürdigt, die zugunsten der Betroffenen anzuführen sind. Insbesondere gehören hierzu

– der langen Zeitabstand, der seit der Anfertigung der Arbeit verstrichen ist,

– sowie der Umstand, dass die Betroffene neben ihrer Promotion über keinen anderen Studienabschluss verfügt.

Auf der Gegenseite waren dagegen insbesondere festzuhalten,

– die Qualität sowie der Umfang der festgestellten Plagiatsstellen und

– das öffentliche Interesse am Schutz der Redlichkeit wissenschaftlichen Qualifikationserwerbs.

Unter pflichtgemäßer Ausübung seines durch Promotionsordnung eingeräumten Ermessens hat der Fakultätsrat mit 12 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung in geheimer Abstimmung abschließend entschieden, die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen.

In den folgenden Tagen werde ich als Dekan die Entscheidungsgründe des Fakultätsrats zusammenfassen und der Betroffenen zustellen lassen. Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von vier Wochen Klage erhoben werden. Die Philosophische Fakultät ist bereit, in den nächsten Tagen und Wochen ihre Entscheidung transparent zu machen, sofern nicht Gründe des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen dagegen sprechen.“

Autor: Christian Wolf, dapd