Die Ausstellung empfängt den Besucher mit wunderschönen intimen Porträts von Chargesheimer, die Charles E. Fraser vom Künstler 1950 in dessen Wohnung erstellt hat.

Sechs Porträts des eigenwilligen Künstlers empfangen die Besucher der Ausstellung. Die Ausstellungsräume sind vollgestopft, aber so Kurator Bodo von Dewitz, das sei Konzept, denn Chargesheimer liebte Bildfolgen. Zu sehen auch die mittlerweile sündhaft teuren Original-Bildbände Chargesheimers in Vitrinen. Wer emotionale Schwarz-Weiß-Fotografie liebt und einen Blick zurückwerfen will auf das Köln der 50/60 er Jahre der ist hier goldrichtig. Richtig ist auch der, der gerade bemerkt, dass sich anders, aber ähnlich drastisch, das äußere Bild von Köln aktuell verändert, wie das Chargesheimer in seinem Band "Köln 5:30 Uhr" dokumentierte. Denn wie damals wird das äußere Angesicht der Stadt massiv verändert. Die Frage ist, wer ist der Chargesheimer unserer Tage, oder gibt es ihn gar nicht? Daran schließt sich die Frage an, wie politisch ist die Fotokunst heute, wie politisch war sie damals.

Die Frage nach dem Damals ist recht einfach beantwortet, wir zitieren einen Abschnitt aus der Pressemappe. Es geht um den Bildband "Im Ruhrgebiet". Der zeigte das Revier ungeschminkt und nicht so wie es die Offiziellen gerne gesehen hätten. "Wir sind es leid von Außenseitern in dieser Weise dargestellt zu werden… Wir haben nicht die Absicht, derartige Veröffentlichungen unwidersprochen hinzunehmen… Solche Darstellungen akzeptieren wir nicht!" Diese Worte äußerte 1959 der damalige Oberbürgermeister von Essen zu dem Bildband mit dem Vorwort von Heinrich Böll. Chargesheimer selbst bezeichnet seine Intention so: "Wir waren ehrlich aus Opposition und ohne Wissen um Kunstpolitik und Kunstdiplomatie. Eine große Angst war in uns,und wir versuchten,damit fertig zu werden. Wir lernten ohne Anleitung, hin und wieder machte ein heimliches Buch die Runde – höchst romantisch wurden die messerscharfen Manifeste Andre Bretons bei verdunkelten Lampen gelesen. Wir waren verblüfft,lange vor uns hatten andere das gleiche empfunden wie wir, ähnlich gehandelt und waren berühmte Männer geworden, in der anderen Welt,von der wir nichts wußten und die uns verschlossen bleiben sollte. So dachten und lebten wir, bis mit Kriegsende das Hasten und Wühlen nach Stellung und Einfluß begann", so Chargesheimer im Jahr 1950.


Die Wand mit den Porträts, besonders interessant ist, dass auch die Kontaktbögen ausgestellt sind und der Besucher so einen Eindruck in die Bildauswahl des Künstlers erhält.

Es ist die dritte große Ausstellung die der Nachlaßverwalter Museum Ludwig, dem Kölner Fotografen, der einst mit einem Konrad Adenauer Porträt auf einem Spiegel-Titel über die Grenzen Kölns hinaus bekannt wurde, dem BAP einen Textzeile widmete, berühmt wurde. 1983 fand die erste Retrospektive "Chargesheimer" und 1989 die zweite "Chargesheimer persönlich" und jetzt "Chargesheimer – Bohemien aus Köln" statt. 1947 begann das zweite Leben des Chargesheimers. Die letzten Kriegsjahre bleiben im Dunklen, verschiedene Versionen kursieren, wie Karl Heinz Hargesheimer sein Leben verbrachte, auch das neue Buch findet hier, sofern es überhaupt danach suchte, leider keine historische Klarheit. Der Künstler selbst hielt sich glaubt man den Autoren mit Aussagen zu seiner Vergangeheit zurück. Ein großes Manko der aktuellen Ausstellung und Recherche zum Buch, hier kann man heute mehr erwarten.

Ab 1947 arbeitete Chargesheimer freiberuflich als Bühnenfotograf, betätigte sich als Bildhauer und experimentierte mit der Fotografie. 1948 nahm er den Namen Chargesheimer an. 1949 stellte Chargesheimer im Umfeld der Fotogruppe "fotoform" auf der 1. Internationalen Photo-Kino-Industrie-Ausstellung in Neustadt an der Haardt aus. Diese Ausstellung war "juryfrei". Er arbeitet unter anderem für die Zeitschrift "photo + film reporter" und lehrte in den frühen Jahren an der Bild- und Klang Fotoschule in Düsseldorf bis 1955. Dort lernte er auch L. Fritz Gruber kennen und konnte so auf der "Photo-Kino-Ausstellung*" in Köln 1950 ausstellen. (Der späteren Photokina) 1955 macht Chargesheimer mit einer Ausstellung Furore in der er Porträts zeigt, die nicht ausfixiert waren und sich so während der Ausstellungsdauer veränderten. 1957 wurde Chargesheimer mit dem Porträt Adenauers auf dem Spiegel-Titel mit einem Mal berühmt. Ein besonderes Hilight der Ausstellung ist, dass auch die Kontaktbögen gezeigt werden, auf denen der Fotograf vermerkt hat, welches Motiv er ausgesucht hat.

Neben vielen anderen Ausstellungen produzierte Chargesheimer immer wieder Fotobildbände. 1957 erschien der Band "Cologne intim" und schon 1958 "Unter Krahnenbäumen" mit einer Einführung von Heinrich Böll. Es gilt als sein berühmtestes Werk,in dem er die Straße dokumentiert in der er lebt. Auch im Jahr 1958 erschien der schon erwähnte Bildband "Im Ruhrgebiet" und "Romanik am Rhein". Es folgten "Menschen am Rhein", 1960, "Berlin", 1960 und "Zwischenbilanz", 1961. Es ist eine äußerst schaffensreiche Periode. Ab 1960 widmete sich Chargesheimer dem Theater und wurde Regisseur und Bühnenbildner. Mit seiner zweiten Ehefrau stieg er auch in die Werbefotografie ein und arbeitete für Unternehmen wie Siemens, VW, Esso und Ford. Erst 1967 beschäftigt er sich wieder mit dem Thema Fotobildband und es erscheint "Theater, Theater" und findet seinen Abschluss mit dem Bildband "Köln 5:30" in dem er sich mit den städtebaulichen Veränderungen in Köln eindrucksvoll auseinandersetzt. In der Sylvesternacht 1971 stirbt Chargesheimer, gerade einmal 47 Jahre alt, wird er tot in seiner Wohnung aufgefunden.

Seinen Platz konnte keiner derer, die heute in Köln fotografisch wirken, einnehmen. Vielleicht auch weil seine Idolkraft zu groß ist und die Nachfahren, die heute Texte oder fotografische Reminiszenzen über ihr Idol anlegen, ihn letztlich nur kopiert haben, ohne eine eigene Sprache aus ihrer Zeit heraus entwickelt zu haben. Köln könnte in den Zeiten des aktuellen Umbruchs und der Verprovinzialisierung eine mahnend visuell vordenkende Persönlichkeit gut gebrauchen. Die übrigens auch fördernde Freunde benötigt. Zu befürchten ist allerdings, dass gerade im Zuge der Ausstellung erst einmal wieder alle mit der Kopie des Stils von Chargesheimer beschäftigt sind und sich auf die Verklärung des Schwarz-Weiß Analogen zurückziehen werden und in der Diskussion über die bessere Körnung von Fotopapier zu digitalem Bild, die Inhalte vernachlässigen werden. Themen und Inhalte gäbe es en masse in Köln.

Die Ausstellung
Museum Ludwig
Am Dom/HBF, Bischofsgartenstraße 1
50667 Köln
www.museum-ludwig.de

Das Buch
Chargesheimer – Bohemien aus Köln 1924-1971
Die Ausstellung begleitet ein Buchprojekt, das alle Bücher Chargesheimers in einem zusammenfasst. Denn alle Originale sind vergriffen und wenn dann nur zu exorbitanten Preisen im Antiquariatshandel erhältlich.
Für das Museum Ludwig herausgegeben von Bodo von Dewitz
352 Seiten mit mehr als 460 zwei- und vierfarbigen Abbildungen
Leinen mit Schutzumschlag
48 Euro
ISBN 978-3-7743-0402-4

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung