Er schreit, er tobt, heult, legt sich zwischendurch hin, raucht, rüttelt an den Gitterstäben und „dreht“ am Ende alles in ein paar Augenblicken herunter: Hanno Dinger liefert in der Rolle des legendären Schauspielers eine beeindruckende One-Man-Show. Zwischen Publikumsbeschimpfung, Raserei und totaler Erschöpfung kommt seine Darstellung der ambivalenten Medienfigur Klaus Kinski überraschend nahe ohne dabei den Mensch dahinter respektlos zu behandeln. Gleichzeitig ist das Einpersonenstück eine insgesamt recht geschlossene Collage aus berühmten Filmszenen, öffentlichen Auftritten und Interviewzitaten.

Schauspieler und Selbstdarsteller: Klaus Kinski als Gesamtkunstwerk
Die Leinwandpräsenz des 1991 verstorbenen Schauspielers ist in der deutschen Filmlandschaft mit nichts zu vergleichen. Auch wenn ein großer Teil seiner Filme bestenfalls als B-Movies zu bezeichnen sind, ist Kinskis darstellerische Leistung stets einzigartig gewesen. Nicht wirklich bekannt ist, dass seine künstlerische Laufbahn etwa 15 Jahre lang die eines reinen Theaterschauspielers gewesen ist: Eine ganze Weile vor seinen Rollen in den deutschen Edgar Wallace-Filmen war er auf deutschen Bühnen zu sehen, spielte in der direkten Nachkriegszeit beispielsweise in Berlin und München. Kinski beendete seine Theaterkarriere erst 1961 und wandte sich danach vollends dem Film zu. Untrennbar verbunden mit dem Schauspieler ist außerdem die Medienfigur Klaus Kinski, das Enfant Terrible des deutschen Kulturbetriebs schlechthin. Seine egomanischer Charakter war berüchtigt, seine skandalösen öffentlichen Auftritte in Interviews und Fernsehshows sind heute legendär.

Aus Filmzitaten und Interviewausschnitten hat der Autor Hagen Jablonski eine dichte Collage zusammengestellt, die sich dem Phänomen Kinski ebenso respektvoll wie schonungslos nähert. Das Bühnengestaltung nimmt die Selbstaussagen des egomanischen Charakters wörtlich: Im Käfig, an dessen Rand ein Schild angebracht ist, befindet sich eine Kloschüssel, eine Liege, eine mit Requisiten vollgestopfte Truhe und ein Blechnapf. Und natürlich die Hauptfigur, um die sich das Spektakel dreht. Wer Kinski spielen will, legt sich schauspielerisch mit einem der Größten an. In dieser Hinsicht aber macht Hanno Dinger seine Sache überraschend gut, kann als Jesus wie auch als Aquirre überzeugen und stellt den längst berühmten Wutausbruch am Set zu Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“ mit einem Hauch von Ironie dar.

Einige sinnige Einfälle machen das Stück dabei zu mehr als einer losen Aneinanderreihung von Momentaufnahmen. So wird beispielsweise der berühmte Monolog von Kinskis Jesus-Lesung aus dem Jahr 1971 ganz folgerichtig direkt auf die Person des Schauspielers zurückgeführt. Und dass völlig unverständliche Selbstaussagen des Schauspielers durch leichte Überspitzungen auch als Programm zu erkennen sind, ist eine richtige und gelungene Interpretation. Einzig das Finale, bei dem der Mensch etwas zu deutlich als gespaltene Persönlichkeit dargestellt wird, ist nicht ganz überzeugend, da bei aller „Verrücktheit“ Klaus Kinskis Selbstinszenierung doch viel kalkulierter war als man auf einen flüchtigen Blick vermuten würde. Dennoch ist das Stück gelungen, was natürlich mit der überzeugenden schauspielerischen Darbietung in engem Zusammenhang steht.

Sinn und Unsinn einer Klage: Das Stück vor Gericht
Klaus Kinskis Angehörige, seine Ex-Frau Minhoi und sein Sohn Nikolai, klagten wegen der nicht genehmigten Verwendung von Zitaten des Schauspielers. Der Zivilprozess begann am 14. Januar 2009. Momentaner Stand der Dinge: Das Gericht entschied sich für die Kunstfreiheit und wies die Klage ab. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, muss man in diesem Fall von einer beruhigenden Entscheidung sprechen. Kinskis Sohn, der in Frankreich und den USA aufgewachsen ist und seit ein paar Jahren in Deutschland künstlerisch Fuß zu fassen versucht, ist augenblicklich in der Fernsehproduktion „Krupp – eine deutsche Familie“ zu sehen. 2007 ging Nikolai Kinski selbst mit Gedichten aus dem Nachlass seines Vaters auf Tournee. Hier dürfte auch ein zentraler Hintergrund für die Unterlassungsklage zu sehen sein. Aber ob es sich bei dem Kölner Einpersonenstück um eine Konkurrenzveranstaltung handelt, ist doch sehr fraglich.

Man könnte es so formulieren: Während sich Hanno Dinger in einem Kölner Hinterhof vor ein paar Leuten die Seele aus dem Leib spielt, ist Nikolai Kinski fast zeitgleich in einer ebenso teuren wie dümmlichen ZDF-Produktion auf der Mattscheibe zu begutachten. Unterlassungsklagen dieser Art kommen immer wieder vor und mögen auch ihre Berechtigung haben. Es handelt sich hierbei aber immer auch um eine Stilfrage, und die dürfte sich mit dem Prozess wohl von selbst beantwortet haben, da auch eine Umsatzbeteiligung an dem Einpersonenstück von Seiten der Kläger abgelehnt wurde. Über Sinn und Unsinn eines solchen Gerichtsprozesses lässt sich mit Sicherheit streiten, aber angesichts einer derart kleinen und idealistischen Produktion muss man sich fragen, ob hier nicht ein recht negatives Licht auf die Kläger geworfen wird. Eine Alternative zu seichter Unterhaltung im Zweiten Deutschen Fernsehen jedenfalls bietet „Kinski – Wie ein Tier in einem Zoo“ allemal, und man kann froh sein, dass das Stück nicht verboten worden ist.

Weitere Aufführungen:
25.3. Arkadas Theater – Bühne der Kulturen
15.4. Raketenclub

„Kinski – Wie ein Tier in einem Zoo“
von: Hagen Jablonski
mit: Hanno Dinger
Regie: Stefan Krause