Köln | „Wenn ich fremden Leuten gegenüber meinen Beruf nenne, tritt auf jeder Party mindestens eine Minute Ruhe ein“, sagt Tina Engelhardt. Die 28-Jährige ist Deutschlands jüngste Krematoriumschefin. Ihr Arbeitsplatz liegt hinter der Trauerhalle auf dem Kölner Westfriedhof. Über den Lieferanteneingang erreicht man ihr Büro. Dort fahren auch die Bestatter vor, wenn sie die Särge bringen.

Ursprünglich hat die gebürtige Zwickauerin eine Ausbildung als Mechatronikerin gemacht. „Ich habe mir schon mit 15 überlegt, dass ich etwas technisches machen möchte. Klassische Frauenberufe waren nicht so meins“, sagt Engelhardt. Probleme in ihrem heutigen, eher von Männern bestimmten Beruf hat sie nicht: „Man muss mit ihnen direkt reden, um die gleiche Ebene zu erreichen. Früher wurde ich schon mal gefragt, ob ich die Praktikantin bin, das passiert mir heute kaum noch.“

„Es war ungewohnt dem Tod zu begegnen, aber nicht skurril“

Zum Krematorium kam Engelhardt eher durch Zufall. „Ich habe mich bei einer Montagefirma beworben und erst beim Bewerbungsgespräch erfahren, dass die Öfen für Krematorien montieren.“ 2004 wird ein solches erstmals zu ihrem Arbeitsplatz. „Ich hatte vorher noch nie mit dem Tod zu tun gehabt und war ganz unvoreingenommen. Es war ungewohnt Toten zu begegnen, aber nicht skurril.“ Ihr sei es wichtig, sensibel zu sein und das Menschliche bei ihrer Arbeit nicht zu kurz kommen zu lassen. „Der Tod betrifft mich aber nicht privat, wenn ich mit dem Tod eines bekannten Menschen konfrontiert würde, reagiere ich wohl wie alle andere Menschen auch. Ich bin vielleicht nur etwas aufgeklärter und lebe etwas bewusster“, sagt Engelhardt.

Trotzdem vermeidet sie es fremden Menschen gegenüber über ihren Beruf zu reden. „Das kommen oft stereotype Fragen und Klischees zu Vorschein. Daher antworte ich auf die Frage, was ich beruflich mache, meist mit Betriebsleiterin.“

Für Besucher gibt es im Krematorium Führungen

In einem gerade im erschienenen Buch war sie eine Kölnerin, die über ihr Glück berichtet hat. „Glück ist für mich, wenn man das Leben entspannt und positiv sehen kann. Die meisten Menschen fluchen, wenn sie hier in der Stadt im Stau stehen, dabei können sie daran sowieso nichts ändern. Es lohnt sich nicht so seine Zeit zu verschwenden und sich wegen banalen Dingen zu streiten.“ Zu den entspannten Momenten gehört für die Chefin von sieben Mitarbeitern auch die paar Minuten, die sie in der Parklandschaft des Westfriedhofs verbringen kann. „Wenn es mal zu viel wird, kann man dort mal kurz die Ruhe und die frische Luft genießen. Die Möglichkeit hat nicht jeder.“

In den drei Öfen des Krematoriums werden pro Tag durchschnittlich 30 Leichname verbrannt – im Jahr sind das etwa 5000. Die Anlage arbeitet mit drei Brennkammern. „Der Vorgang dauert etwa dreieinhalb Stunden. Danach kommt die zermahlene Asche in das Inlay einer Zierurne. Darin befindet sich ein Stein mit einer Nummer, mit der man den Toten identifizieren kann.“

Regelmäßig kommen auch Besuchergruppen zu Führungen in das Krematorium, um sich über diese Bestattungsart zu informieren. Anmelden kann man sich dafür unter Telefon 02 21/35 50 12 512.

Autor: Stephan Eppinger
Foto: Portrait Tina Engelhardt (28) ist Deutschlands jüngste Chefin eines Krematoriums