Köln | Willy Ketzer, bekannt durch sein „Willy Ketzer Trio“ und zahllose Engagements auf der Bühne und im Studio hat ein neues Musik-Projekt namens „Willy Ketzer and the Paul Kuhn Family“ ins Leben gerufen. Report-k.de traf den Schlagzeug-Virtuosen, um nachzufragen, was es damit genau auf sich hat und was ihn mit der Person Paul Kuhn und dem musikalischen Erbe des im Herbst 2013 verstorbenen „Mannes am Klavier“ verbindet.

Report-k.de: Herr Ketzer, was steckt hinter der Idee von „Willy Ketzer and the Paul Kuhn Family“?

Ketzer: Die Idee dahinter ist ganz einfach erklärt: Ich war 33 Jahre lang Pauls Schlagzeuger, und das in allen Lebenslagen, ob mit dem „Paul Kuhn Trio“ oder auch mit seiner Big Band, oder dem Babelsberger Filmorchester. Und auch wenn Paul alleine eingeladen war, in einer Bigband oder Show aufzutreten, hat er mich meist mitgenommen.

Nun ist  Paul ja gestorben, am 22. September 2013. Und dann, als einige Zeit vergangen und die Trauer überwunden war, habe ich irgendwann gedacht, dass man das Vermächtnis von Paul Kuhn erhalten muss. Er hat ja tolle Arrangements geschrieben, war ein unglaublich guter Klavierspieler und unter anderem einfach auch ein super Typ. Und so kam es zu der Idee. Darauf habe ich mit meinem Rechtsanwalt gesprochen und liess das Projekt markenrechtlich schützen.  Im Moment spiele ich ein paar Konzerte, nächstes Jahr wird es dann eine Tour geben, hauptsächlich mit den Musikern, die immer mit Paul zusammen gespielt haben: mit dem Bassisten Martin Gjakonowski mit der Sängerin Gaby Goldberg, am Klavier entweder Martin Sasse oder Hubert Nuß.

Ich lasse gerade Noten schreiben für ein Streichquartett, da wir ja auch mehrere Konzerte mit dem Babelsberger Filmorchester gespielt haben, etwa Nummern wie „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ oder „As Time goes by“, „A Child is born“, um nur einige wenige zu nennen.

Wie war die erste Begegnung mit Paul Kuhn?

Paul war bis 1980 Chef der SFB-Bigband in Berlin, dann wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert, sein Schallplattenvertrag endete  abrupt – ebenfalls im gleichen Jahr. Und da gabe es Ute Mann, die Chefin der berühmten „Ute Mann Singers“, die zusammen mit Paul Kuhn und der SFB-Bigband eine Produktion in Portugal eingespielt haben. Dort haben sie sich kennen und lieben gelernt. Ute wohnte hier in Köln und kannte mich aus der Studioszene sehr gut. Paul suchte zu der Zeit neue Bandmitglieder, stand ohne Plattenvertrag da und erzählte Ute, dass er nicht genau wisse, was er denn nun machen solle. Ute hat ihn dann für die weitere Planung erst einmal zu sich nach Köln eingeladen. In Köln gab es zu der Zeit noch die alten Edelhagen-Musiker. Und da sagte er zu Ute: „Ich brauche aber als erstes eine Rhythmusgruppe, unter anderem einen Schlagzeuger, der auch etwas können sollte“. Er hatte ja bis dahin mit Ronnie Stephenson einen der besten Schlagzeuger Europas in seiner Bigband gehabt. Und da meinte Ute: „In Köln gibt es einen Schlagzeuger, der spielt schon im Studio fast alles, ist dort der erste Schlagzeuger für Produktionen. Und der will auch ständig etwas Neues wissen und übt den ganzen Tag , den könntest Du ja mal fragen“.

Und eines Tages klingelte dann das Telefon und Paul Kuhn war dran. Da ist mir bald der Hörer aus der Hand gefallen. Man kannte ihn ja, er war ja eine Riesen-Nummer. Und er sagte dann, dass er von Ute von mir gehört habe und gerne etwas mit mir  trinken wolle. Die erste Begegnung mit Paul Kuhn war schon lustig: Die Kellnerin kam und fragte, was sie uns bringen könne und Paul sagte: Ein Glas Milch und ein Malbuch, bitte. Von diesem Satz an gingen wir gemeinsame Wege. Paul war einfach ein super Typ, weltoffen, witzig. Man hat auch nie den Altersunterschied gemerkt, Paul war knapp 60, ich war 30. Den Unterschied hat man bis zum Schluss nicht gespürt, weil Paul einfach ein lustiger, unheimlich intelligenter Mensch war.

Wie war die Zusammenarbeit mit Paul Kuhn als Musiker?

Zum Künstler Paul Kuhn muss man gar nicht viel erzählen. Er war einfach ein unglaublich guter Klavierspieler. Und er war auch nie ein Bandleader, wie man sich das so üblicherweise vorstellt. Ich bin öfter gefragt worden: Wie ist denn Paul Kuhn so als Bandleader? Darauf habe ich immer geantwortet: Das ist überhaupt kein Bandleader, sondern ein Freund. Du kamst immer ins Studio, er hat einem erklärt, was gespielt werden soll. Dann ging es los, er hat auch immer mitgespielt. Paul war wie ein Mitmusiker. Und eines muss ich sagen: In 33 Jahren Zusammenarbeit gab es kein einziges böses Wort. Nichts! Das kann ich z.B. von mir persönlich nicht behaupten, weil ich den ganzen Tag Kommentare abgebe. Das hätte man sich bei Paul gar nicht vorstellen können, weil er immer sehr höflich war und gelassen blieb, selbst wenn alles um ihn herum am Rotieren war.

Ich erinnere mich: Wir hatten einen Auftritt in München, zu dem die Sängerin nicht kam. Paul saß hinter der Bühne am Klavier und spielte und der Veranstalter kam ständig an, um zu fragen, wo die Sängerin denn nun bleibe. Er schrie „Herr Kuhn, Herr Kuhn, wann kommt denn die Sängerin, was machen wir denn jetzt?“ Alles war in Aufregung. Irgendwann hörte Paul dann auf zu spielen und sagte: „Was glauben Sie eigentlich jetzt, was ich jetzt tun soll? Soll ich jetzt vielleicht aus dem Fenster hüpfen, oder was?“ Und damit war die Diskussion beendet. Da stand der Veranstalter dann wie bedröppelt vor Paul, und der hat einfach weiter Klavier gespielt. Diese Sängerin kam dann auch nicht und anstatt um Acht dann irgendeine faule Ausrede sich auszudenken, hat Paul den Leuten gesagt „Eigentlich sollte jetzt noch eine Sängerin mit auf der Bühne stehen, aber irgendwie kam die nicht. Ich weiß auch nicht, warum.“ Und damit war das Thema beendet. So war Paul einfach. Die Wahrheit sagen und nicht rumeiern.


33 Jahre gemeinsame Musik-Geschichte: Paul Kuhn und Willy Ketzer (Foto: Willy Ketzer)

Kam es oft vor, dass die Leute nicht wussten, dass Paul Kuhn ein begnadeter Jazzer war?

Das Publikum der Paul Kuhn-Shows war zumeist nicht das reine Jazz-Publikum, die jetzt etwa zu McCoy Tyner gehen würden. Paul war ein berühmter Zeitgenosse, ist vor allem kommerziell bekannt geworden durch Stücke wie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und „Geben Sie dem Mann am Klavier noch ein Bier“, kannten ihn aus der Entfernung und selbst dadurch mussten man ihn gut finden, weil der Mann einfach super war. Wir waren ja auch mit Harald Juhnke unterwegs, haben die großen Peter Alexander-Shows begleitet. Für Peter Alexander war ich auch sowohl Studio- als auch Tournee-Drummer, was ich übrigens auch Paul Kuhn zu verdanken habe. Aus diesem Umfeld kannten die Leute auch Paul Kuhn, zumindest das grosse Publikum. Das breite Publikum hört sich auch nachts um Drei keine Jazz-Sendungen an. Die kennen einen solchen Mann natürlich aus einem anderen Zusammenhang und gingen aus diesem Grund auch zu seinen Shows. Und dann muss man für diese Leute auch keinen Free-Jazz spielen, da muss man sich auf die Zuhörer einstellen, muss die Leute mitnehmen. Und das konnte Paul Kuhn unglaublich gut: das Publikum mitnehmen, mit Stücken, die sie kennen und dazu etwas von Gershwin und Duke Ellington erzählen. Das war Pauls Geheimnis, er hat für die Leute gespielt und sie auch mitgenommen.

Was gibt es von Willy Ketzer demnächst zu sehen und hören, neben dem Engagement für das Paul Kuhn-Projekt?

Ich habe gerade erfahren, dass ich im kommenden Jahr, am 13. August den Musikpreis der Stadt Leipzig bekommen soll. Das hat mich total gefreut. Im ersten Moment dachte ich: „Wieso denn ich?“ Aber ich habe 16 Jahre zusammen mit José Carreras in seiner TV-Spendengala für seine Leukämie-Stiftung gespielt. Da habe ich immer das Orchester gestellt, zusammen mit dem Babelsberger Filmorchester. Daher rührt eine lange Tradition mit der Stadt Leipzig, wo ich auch mit auf verschiedenen Messen dort öfters gespielt habe. Und deshalb kamen die Leipziger jetzt auf die Idee, mir diesen Preis nächstes Jahr dort zu überreichen.

Ansonsten spiele ich mit meinem Trio Jazz-Konzerte und drehe aber hauptsächlich im Moment am Paul-Kuhn-Projekt. Bis vor kurzem war ich mit Helge Schneider auf Tour, mit dem ich sein vier Jahren  zusammenspiele. Er meinte, er braucht im Moment mal eine Pause- danach geht es mit ihm weiter. Ich habe ja einen guten Kontakt zu ihm, wenn wir spielen, verstehen wir uns sehr gut.

Wann ist Willy Ketzer wieder in Köln zu sehen?

Es sind mehrere Shows in Köln geplant. Ich spiele mit meiner Show-Band die „Unicef-Gala“ am 28. November, die ich auch seit mehr als zehn Jahren begleite. Dann gibt es den „Ball Kristall“ der „Blauen Funken“ am 15. November – und – als besonderes Highlight spiele ich bei „Elfter im Elften – Immer wieder kölsche Lieder“ in der Lanxess-Arena mit allen Grössen der Kölner Szene. Mit vielen der kölschen Bands, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, habe ich schon in all den Jahren im Studio zusammengearbeitet.

Herr Ketzer, vielen Dank für das Interview.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Willy Ketzer im Interview zu seinem Paul Kuhn-Projekt.