Ranglisten der Besten, Reichsten oder Einflussreichsten sind vor allem in den USA sehr beliebt, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch in der internationalen Kunstwelt auftauchen würden. Diese Lücke schließt das britische Kunstmagazin "Art Review" unter Chefredakteur Mark Rappolt seit 2002, dessen Einfluss parallel zur Bedeutung von London als wichtigster Kunstmetropole in Europa ständig gewachsen ist. Die alljährlich erscheinende "The Power 100" wird vor allem in London, New York und Los Angeles stark beachtet.

"Unsere Hauptmotivation für die Power 100 ist, die Tatsache zu akzeptieren, dass die Kunst, die uns gezeigt wird, nicht einfach von selbst da hängt, sondern dass es jemanden (oder häufiger: eine Gruppe von Leuten) gibt, der die Strippen zieht, d.h. beeinflusst, welcher Künstler eine Museumsausstellung bekommt, welche Künstlerarbeit in welche Sammlung kommt, die dann irgendwann in einem Museum hängt etc.", erklärt Rappolt. Anders als die Kunstkritik und Kunstberichterstattung in Deutschland lebt "Art Review" damit nicht in einer illusionären Welt, sondern sieht Kunst, die Bedeutung dieses oder jenes Künstlers, sowie die Preise auf dem Kunstmarkt Ergebnis des Geflechts von Künstlern, Sammlern, Galeristen, Kuratoren, Kritikern und Museumsleuten.

Kriterien für die Aufnahme auf die alljährlich neu durch eine anonyme Jury definierte Liste sind, wie aktiv jemand in der Kunstwelt in den letzten 12 Monaten gewesen ist, wie viel Einfluss er auf die Art Kunst gehabt hat, die in dieser Zeit produziert wurde und welchen Einfluss er international gehabt hat. Gemessen an diesen Kriterien erstaunt die Position, die der Kölner Museumschef auf der diesjährigen Liste einnimmt. Auch der Begleittext macht einen nicht wirklich schlauer: Kasper König heißt es da, "arbeitete mit Warhol in der Factory, kuratierte Museumsausstellungen im Alter von 23 Jahren, war Mitbegründer der Skulptur Projekte Münster und stellte die wegweisende Westkunst-Ausstellung in Köln im Jahre 1981 auf die Beine, wo er (den österreichischen Künstler) Franz West der Welt präsentierte. Er war Mitbegründer des Ausstellungsraums Portikus (in Frankfurt; http://www.portikus.de//), zeugte eine Dynastie von Galeristen mit seinen Söhnen Leo und Johann und leitet seit 2000 das Museum Ludwig." (Leo König führt eine Galerie in New York (http://www.leokoenig.com/), der jüngere Johann König ging nach Berlin (http://www.johannkoenig.de/).

Alles wohl war, aber eben Verdienste, die weit, weit zurückliegen. Schaut man sich an, was Kasper König in den letzten zwölf Monaten in Köln auf die Beine gestellt hat, so ist von solchem internationalen Einfluss kaum mehr etwas zu sehen. Die beiden vom Museumschef selbst kuratierten Ausstellungen Isa Genzken (15.08.-15.11.2009) und Franz West (12.12.2009-14.03.2010) zeigen etablierte Künstler; Königs Franz West-Präsentation 1981 war spektakulär, ihn 2010 zu zeigen, haut niemanden mehr vom Hocker. Fast peinlich war sogar die große Roy Lichtenstein-Ausstellung "Kunst als Motiv" in diesem Jahr (02.07.-17.10.2010), denn obwohl das Museum Ludwig "die größte Sammlung amerikanischer Pop-Art außerhalb der USA besitzt", wie das Museum immer stolz vermerkt, kam man nicht in Köln auf die Idee, was mit diesen Schätzen zu machen ist, sondern in Mailand, wo die Ausstellung zuerst lief (http://www.alphaomegaart.it/pdf_e/ROY-LICHTENSTEIN.pdf)

Vielleicht ist die "Power 100" ein Ansporn, wartet Köln doch seit geraumer Zeit vergeblich auf die große, spektakuläre, wegweisende von Kasper König betreute Ausstellung, bevor er 2012 seinen Chefsessel im Museum Ludwig räumt. Vielleicht will ihm "Art Review" sagen: Du kannst es doch! ???

Christoph Mohr