3. März 2009 – 13:58 Uhr
Um genau 13.58 Uhr blieb am 3. März 2009 der Thermohygograph im Historischen Archiv Kölns stehen. Eigentlich dient er zur Überwachung des Klimas im Archivmagazin. An diesem Tag wurde das empfindliche Gerät zum Seismographen. Während des Einsturzes hat der Thermohygograph die Erschütterungen aufgezeichnet, bevor er um 13.58 Uhr stehen blieb. Dr. Bettina Schmidt-Czaria, Leitende Direktorin des Historischen Archivs der Stadt, konnte so den genauen Zeitpunkt der Katastrophe bestimmen. Denn das Gerät wurde wie 85 Prozent der gesamten Archivalien aus den Trümmern geborgen. Zu sehen ist der völlig verbogene Thermohygograph ab morgen in der Ausstellung „Köln 13 Uhr 58. Geborgene Schätze aus dem Historischen Archiv“.


Foto: Der bereits restaurierte Kölner Verbundbrief ist derzeit in der Ausstellung zu sehen – in Hintergrund: Fotos der Trümmerberge an der Einsturzstelle


„Wir werden unser Archiv wieder aufbauen“
Das Stadtmuseum Köln präsentiert rund 100 Exponate aus dem Archiv. Neben dem Thermohygograph zeigt die Schau etwa den restaurierten Kölner Verbundbrief aus dem Jahre 1396 oder die einzig erhaltene selbst geschriebene Handschrift von Albertus Magnus’ Buch „De animalibus“. Beide Exponate wurden bereits restauriert und beweisen erste Erfolge beim Wiederaufbau. Die meisten anderen Dokumente und Urkunden, die aus den Trümmern geborgen werden konnten, weisen dagegen noch Schäden auf. Sie werden in der Schau teils ohne Einband, teils mit versengten oder unleserlichen Seiten ausgestellt. So erhält der Besucher nicht nur Einblick in die Bedeutung des Stadtarchivs, sondern kann auch den Umfang des Verlustes erahnen. „Die Ausstellung soll jedoch vor allem Mut machen“, betont Schmidt-Czaria. Denn fast alle Archivalien könnten von den Restauratoren wieder hergestellt werden, ist sie sich sicher. „Wir werden unser Archiv wieder aufbauen“, so Schmidt-Czaria – auch wenn die Restaurierung aller beschädigten Stücke bis zu 40 Jahre dauern und rund 400 Millionen Euro kosten wird. Es sei eben eine Aufgabe für mehrere Generationen. Mit Hilfe der Ausstellung hofft sie auch darauf, Bürger motivieren zu können, sich für den Wiederaufbau einzusetzen und die Restaurationen mit Spenden zu unterstützen.

Die Architektur der Ausstellung hat Dr. Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseum, bewusst klassisch gehalten. „Die Exponate sollen im Vordergrund stehen, darum haben wir keine gewaltige Inszenierung gewählt“, erklärt Kramp. Stattdessen werden die Archivalien in einfachen Glasvitrinen präsentiert. Die Räume selbst sind dabei unauffällig weiß und sanft beleuchtet belassen. Währen die Archivalien geschützt in ihren Kästen ruhen, veranschaulichen Fotos an den Wänden die Trümmerberge an der Einsturzstelle. Deutlich zeigen sie, wie die Archivalien unter den Steinen lagen, versengt vom Feuer und durchnässt durch das Grundwasser.


Foto: Fast völlig zerstört wurde diese Landfriedensurkunde aus dem Jahr 1254. Jede Berüherung könnte die Wachssiegel nun auseinanderbrechen. Eine Restaurierung ist dennoch möglich, betont
Schmidt-Czaria


Schau als Dank an die vielen tausend Helfer
Schmidt-Czaria versteht die Ausstellung auch als Dank an die vielen Helfer. In den Monaten nach dem Einsturz bargen fast 2.000 Einsatzkräfte der Kölner Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks und anderer Hilfsorganisationen sowie 1.800 freiwillige Helfer rund 85 Prozent der Schätze aus den Trümmern – allerdings in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand. Sie wurden grob gereinigt, in die Gefriertrocknung gegeben und auf 19 „Asylarchive“ in ganz Deutschland verteilt. Ein kleiner, aber anschaulicher Teil dieser geborgenen Objekte war im Frühjahr 2010 im Berliner Martin-Gropius-Bau unter dem Titel „Köln in Berlin: Nach dem Einsturz: Das Historische Archiv“ zu sehen. Diese Ausstellung machte einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass es sich bei den zerstörten und beschädigten Archivbeständen um Kulturschätze von nationaler und internationaler Bedeutung handelt. Sie löste eine große Welle der Solidarität und auch der finanziellen Hilfe für Köln aus, die mittlerweile in die Gründung der Stiftung „Stadtgedächtnis“ gemündet ist.
 
Mit Hilfe der Stiftung soll unter anderem Ende diesen Jahres die Restaurierungs-Werkstatt in Köln-Porz eröffnet werden. Dort lagern bereits heute viele der geborgenen Archivalien. Im ehemaligen Gebäude einer großen Möbelkette will das Historische Archiv zwei Etagen zu einem Magazin umfunktionieren. Auf einer weiteren Etage sollen Bürger künftig wieder die restaurierten und unbeschädigten Archivalien nutzen können. Einige Exponate sollen in Porz auch von dem Kölner Archiv selbst restauriert werden. Dazu wird dort eine Werkstatt errichtet. Ein weiterer Raum soll Kölner Schülern Einblick in die Arbeit der Restauratoren geben. Schließlich müsse man gerade der heranwachsenden Generation das Unglück erklären, so Schmidt-Czaria. Denn sie müssten den Wiederaufbau des Archivs schließlich fortführen.


Foto: Zerstörte Archivalien – Zu Beginn der Ausstellung verdeutlich diese Kiste, wie groß die Schäden des Einsturzes sind


Begleitprogramm: Bürger können eigene Archivalien beurteilen lassen
Eingebettet wird die Ausstellung in ein umfangreiches Begleitprogramm. Dazu gehören Vorträge von Fachleuten aus dem Archiv sowie Diskussionen und Gespräche mit Mitarbeitern des Historischen Archivs. Sie bieten die Gelegenheit, sich mit den Folgen der Katastrophe, den Facetten der Restaurierung und der Perspektive des Archivwesens auseinanderzusetzen. Die Veranstaltungen im Kölnischen Stadtmuseum beginnen im Zeitraum vom 13. Oktober bis 17. November jeden Mittwoch um 19 Uhr. Vom 12. Oktober bis zum 9. November können die Besucher jeweils dienstags zwischen 16 Uhr und 19 Uhr ihre privaten „Archiv-Schätze“ – alte Briefe, Urkunden, Tagebücher, Fotoalben usw. – von den Fachleuten des Historischen Archivs in Augenschein nehmen lassen. Diese geben Tipps zur optimalen Aufbewahrung und helfen bei der Identifikation.

Der Museumsdienst organisiert am 5. Oktober und am 9. November 2010 jeweils
um 18 Uhr öffentliche Führungen. Einen Seniorentreff veranstaltet er am 11. November
um 15 Uhr. Anmeldungen zu den Führungen nimmt der Museumsdienst telefonisch unter
0221/221-23468 oder -27380 entgegen. In der Langen Nacht der Kölner Museen am Samstag, 6. November 2010, präsentieren sich die „Geborgenen Schätze aus dem Historischen Archiv“ mit künstlerischem Programm. Zur Ausstellung erscheint ein von den „Freunden des Historischen Archivs der Stadt Köln e.V.“ herausgegebener Katalog, der über die Ereignisse seit dem 3. März 2009 informiert und einen Einblick in die Restaurierung und die Vielfalt der Exponate bietet.

Infobox
„Köln 13 Uhr 58. Geborgene Schätze aus dem Historischen Archiv“
3. Oktober bis 21. November 2010
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstr. 1-3
Köln-Innenstadt

Öffnungszeiten
Dienstag 10–20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr,
montags geschlossen,
jeden ersten Donnerstag im Monat 10–22 Uhr (an Feiertagen 10–17 Uhr)

Mehr Informationen zu dem Kölnischen Stadtmuseum finden Sie hier bei Report-k.de >>>

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung